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Liechtensteiner Kandeszeitung.
Vierter ^akrSavS.
Vaduz, Sonntag
Rro. AS.
26. August 1866.
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Landtagsverhandlungen.
In unserem Berichte zu der Landtagssitzung vom 1-4.
August haben wir nähere Mittheilungen über die Petition
des Martin Büchl von Gamprin in Aussicht gestellt.
Die Angelegenheit des Bittstellers verhalt sich, wie folgt:
Martin Büchl ist vor 17 Jahren aus der Gemeinde
Rugell in die Gemeinde Gamprin übersiedelt und hat
sich in letzterer Gemeinde durch Erlag einer Einkaufstare
von fl. 105 das Bürgerrecht erworben. Infolge dessen
theilte er den Nutzgenuß am Gemeindegut während 17
Jahren mit seinen Mitbürgern und erfüllte die mit die
sem Rechte verbundenen Lasten, er bestritt sogar in jüng
ster Zeit die Kosten der Regulirung des Gemeindegutes
im Betrage von fl. 100.
Der Bittsteller kam nur unverschuldeter Weise in
die Lage, daß er zur Rettung seines Grundbesitzes sein
Haus verkaufen mußte. Auf Grund der Entäußerung
seines Hauses wurde ihm nun von der Gemeinde Gam
prin das Gemeindegut entzogen, und der Bittsteller kam
hiedurch in äußerst dürftige Verhältnisse weil jein eigner
Grundbesitz nicht so viel abwirft, um ihn, einen krüp
pelhaften Mann, nebst Weib und 3 unmündigen Kindern
zu erhalten.
Dieses Verfahren der Gemeinde erschien dem Martin
Büchl als ungesetzlich und er führte deshalb Beschwerde
bei der fürstl. Negierung, Auf seine Eingabe erhielt er
nun den folgenden Bescheid:
Da nach der bisherigen Uebung in der Gemeinde
Gamprin das Gemeindegut nur ein Apertinenz der alten
Bürgerhäuser bildet, und auch nach den neuen Statuten
nur denjenigen Bürgern zur Nutznießung zuzufallen ha
ben, welche im Besitze eines Hauses sind, so kann Ih
rem Ansuchen wegen Belassung des Gemeindegutes nicht
entsprochen werden, nachdem Sie gegenwärtig kein Haus
in der Gemeinde Gamprin besitzen.
Vaduz, den 13. Juli 1866.
v. Hausen.
Dessenungeachtet gibt sich M. Büchl nicht zufrieden,
er wendet sich vielmehr an den Landtag, damit dieser
zu seinen Gunsten entscheide. 5N. Büchl bringt folgendes
zur Begründung:
„1. Das Gampriner-Gemeindegut circa 60—70,000
Klftr. ist heute noch ein gemeinsames Eigenthum sämmt
licher Bürger, indem selbes keinem Grunvbuche einver
leibt, folglich auch nicht als Eigenthum unter die Bürger
vertheilt, sondern blos jeweilig an dieselben zur Benutzung
vergeben ist, und daber von der Gemeinde als Oberei-
genthümerin zu jeder Zeit anders vertheilt oder aber
ganz zurückgezogen von der Gemeinde als Körper belie
big benutzt werden kann.
2. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen sowohl, als
insbesondere nach den bestehenden Gesetzes §§. 361, 828
und 829 d. a. b. G. B. können Theilhaber einer ge
meinsamen Sache, in dieser weder Verfügungen noch
Verordnungen treffen, wodurch das Miteigenthum eines
Theilhabers oder die Rechte desselben oder eines andern
verkümmert werden.
Z. Nicht weniger ist es im Sinne und Geiste der
§§. 13, l^l, 15 und 18 des Gemeindegesetzes gelegen,
daß die Genußrechte am Gemeindevermögen allen jenen
Bürgerfamilien, welche die auf ihren Besitz entfallenden
Gemeindslasten tragen, nicht aber einem todten Reale
wie z. B. einem Hause zustehen, oder aber an den Besitz
eines solchen gebunden, sind.
4. Der von der Gemeinde Gamprin aufgestellte
Grundsatz, daß ein Gemeindsgut, welches blos zeitlich
zur Benutzung an die Bürger vergeben ist, zu den Häu
sern gehöre, kann schon aus dem Grunde nicht Platz
greifen, weil sonst ein Nichtbürger, der ein Bürgerhaus
in sein Eigenthum bringt in den Besitz des Gemeinde
gutes tretten und so der Gemeinde ihr Eigenthum ent
zogen würde.
5. Das Bürgerrecht ist ein Personenrecht, und als
ölches weder an ein HauS noch sonstige Liegenschaften,
ondern lediglich an die Darstellung einer Familie im
Sinne des Gesetzes, Tragung der mit dem Besitze ver
bundenen Lasten und unter Umständen an den Wohnsitz
des Bürgers gebunden, daher dasselbe durch bloße Ver
armung nicht verloren gehen, folglich auch der durch
dasselbe bedingte Nutzgenuß nicht beschränkt werden
kann.
6. Die Gemeinde Gamprin ist nicht berechtigt ein
Statut, dessen Bestimmungen den dermaligen Gesetzen
zuwiderlaufen festzuhalten noch aufzustellen, sondern es
muß das Statut, so wie durch dasselbe die Rechte eines
einzelnen beeinträchtigt werden, mit den derzeit bestehen
den Gesetzen in Einklang gebracht werden "
Das Gesuch des M. Büchl ist einer Landtags-Com-
mission zur Berichterstattung übergeben worden und
kommt in nächster Landtagssitzung zur Berathung.
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