Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1866)

Kaiserthum wird eine Nachrekrutirung vorgenommen, nur 
Tirol und Vorarlberg bleiben davon verschont, weil die 
se Länder schon durch die Landesvertheidigung in Anspruch 
genommen sind. — Venetien protestirt gegen die Zwangs 
anleihe Oestreichs von 12 Mill. — Viele junge Vene- 
tianer fliehen ins Königreich Italien und lassen sich dort 
unter die Freischaaren anwerben. Zwei dieser Flücht 
linge wurden von ihren Fährleuten, die sie Nachts über 
den Po bringen sollten, erdolcht. Die jungen Herrchen 
ließen viel Geld sehen und das brachte ihnen den Tod. 
Die Mörder sind gefangen. — Die Zöglinge des Feldk. 
Jesuiten. Pensionats steuerten 270 fl. für die Jnnsbrucker 
Studentenkompagnie. — Hr. Staatsanwalt Vogl san 
ger wurde von Felbkirch nach Innsbruck als Rath des 
k. k. Landesgerichts versetzt. --Die Ernteaussichten 
in Ungarn sind sehr trüb. Der rauhen Witterung im 
Mai folgt eine drückende Hitze und alles ertödtende Tro 
ckenheit. Die Waizensaat hat schon stark gelitten. Die 
Preise gehen in die Höbe, besonders auch deßhalb, weil 
nach Freigabe der Ausfuhr und bei dem schlechten Bank 
notenstand viel ins Ausland geht. So liest man, daß 
in Lindau bedeutende Weizenlieferungen aus Ungarn 
eintreffen werden. Türken galt vor 14 Tagen bis 3 
Wochen nur 1 fl. das hiesige Viertel, jetzt steht er schon 
auf 1 fl. 50 — 1 fl. 75. In gleichem Grade stiegen 
auch die übrigen Getreide-Gattungen. — Die Wiener 
bleiben trotz Krieg und Agio zu 35 ein witziges 
Volk. Ein Kaufmann kündigt „Bismarckhemden" aus 
„Eisengarn" an, deren Undurchdringlichkeit er rühmt; 
eS sind übrigens Leinwandhemden gemeint. Der „Fi 
garo" erzählt, Bismarck sei nicht zu der zerfallenen Kon 
ferenz gereist, weil er seine Hemden beim Schlosser ge 
habt habe. — Eine andere Zeitung weiß, daß die Kalte 
im Mai dem „Anzug der Nüssen" zu verdanken sei. — 
In einem Weiher bei Thüringen ertranken zwei 
Jünglinge (Brüder). Eine Warnung besonders für 
junge Leute, beim Baden vorsichtig zu sein. — Am 4. 
ds. hielt die Landwehrmannschaft von Schruns ihr 
erstes Probeschießen. Auf eine Scheibe war Garibaldi 
gemalt. — Ein Vorarlberger Hr. Laver Blum in Wien 
bildet einq«-Freiwilligen-CompagNle. — Der Wiener No 
tar und Gemeinderath Dr. I. Schwarz hinterließ bei 
seinem Tode fl. 120,000 Mehrschulden als Vermögen, 
dabei gehen fl. 80,000 Waisen gelder verloren. Ein 
schönes Seitenstück zu dem Professor und Gemeinderath 
Stubenrauch. — Der Oberbefehlshaber der Reiterei bei 
der gegen Preußen aufmarschirenden Armee Fürst Franz 
Liechtenstein erkrankte Plötzlich und ist wohl für immer 
verhindert dienstliche Verrichtungen zu übernehmen. — 
Die östr. Truppen verlassen Mainz, diese Festung wird 
nun von Baiern und von der Reservedivision besetzt. 
Wahrscheinlich trifft es auch das liechtenst. Contingent 
dahin. 
Jägerndorf (Schlesien). Zwei Fleischhauer aus 
der hiesigen Gegend sind kürzlich in der preußischen Fe 
stung ssteisse'gewesen und kehrten dort nach abgemachten 
Geschäften in einem Wirthshause ein, das mit Soldaten 
und Rekruten überfüllt war. Die österreichischen Gäste 
hatten kaum an einem abseitigen Tische Platz genommen, 
als sie schon auch von mehreren Soldaten umringt und 
durch Spottreden zum Streite herausgefordeit wurden. 
Die zwei Fleischhauer, wiewohl von robustem Körperbau, 
mußten sich vernünftiger Weife den Spott gefallen lassen 
und sich zurückziehen, da die Gegner zu zahlreich waren. 
Sie bestiegen ihren Wagen und verließen die Festung, 
jedoch nicht ohne Revanche zu nehmen für die erlittene 
Beleidigung. Denn als sie an der äußeren Festungs 
mauer bei einer Schildwache vorbeifuhren, sprang der 
eine von den Fleischhauern vom Wagen und machte sich 
an der Mauer hinter dem Posten etwas zu schaffen, 
näherte sich dann der in Gedanken tief versunkenen 
Schildwache, umfaßte sie von rückwärts mit beiden Ar 
men und trug sie zum Wagen; der andere Fleischhauer 
nimmt die Decke, wickelt sie um den Soldaten sammt 
Gewehr und bindet ihn fest, dann wird er auf den Wa 
gen gehoben und fort gehts im strengsten Galopp. An 
der Grenze angekommen, legen sie die geraubte Schild- 
wache unter einem Baume an der Straße, wo sie von 
Bauern gefunden und von den festgebundenen Windeln 
befreit wurde. — Kürzlich wurde ein österreichischer 
Fuhrmann in Neisse von preußischen Militärs in Gegen 
wart von Offizieren derart mißhandelt, daß er schwer 
verwundet in ein Spital gebracht werden mußte. Der 
arme Teufel war einer Abtheilung Soldaten nicht schnell 
genug ausgewichen. 
Preußen. Die Landtagswahlen erfolgen am 25. 
Juni und 2. Juli. Es ist keine Aussicht, daß solche 
Abgeordnete gewählt werden wie sie Bismarck zur Gut 
heißung seiner teuflischen Pläne wünscht. In allen Lan 
destheilen erschallt der Ruf der Wähler: Kein Geld 
zum Bürgerkrieg bewilligen fort mit Bismarck. Ja 
es fallen Aeußerungen, wie: Fort mit den Hohenzol- 
lern. Der neue Landtag wird noch unnachgiebiger wer 
den, als der aufgelöste. Aber auch die Starrköpfigkeit 
des Königs wird sich nicht brechen lassen. Der König 
Wilhelm gehört zu der Klasse Menschen, in welchen gei 
stige Beschränktheit mit übergrenztem Eigensinn gepaart 
ist. Wenn solche Menschen berufen sind, über die Ge 
schicke vernünftiger Wesen zu entscheiden: so ist grenzen 
loses Unheil die Folge ihrer Entschließungen. Vor ei 
nigen Jahren ereignete es sich, daß preußische Landwehr 
leute durch die tyrannische Willkür und Starrköpsigkeit 
ihres Hauptmanns zu Widersetzlichkeiten getrieben wur 
den, welche sie mit lebenslänglichem Gefängniß zu büßen 
hatten. — WaS sich jetzt zwischen König und Volk ab 
spielt, ist dasselbe Stück. In der Festung Eosel blieben 
nur 200 Bürger; die übrigen verließen die Stadt, weil 
sie sich nicht auf 6 Monate mit Lebensmitteln versehen 
konnten. — In Schlesien finden jetzt die großen Woll 
märkte statt. Die Preise sind gegen vor. Jahr um 
10 und mehr Prozent gefallen; doch kam die meiste 
Wolle zu Verkauf. ES waren Franzosen da, welche sich 
zu ihren billigen Einkäufen gratuliren. Die Verkäufer 
machen sauere Gesichter. — 
— Die preußischen Blätter haben dem Volke Angst 
zu machen gesucht vor den Rohheiten der Panduren und 
Kroaten, wenn diese in Preußen einbrechen sollten. Jetzt 
zeigt eS sich, daß Preußen im eigenen Lande Gesellen
	        

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