Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1866)

Markt verdrängt werden: seit Dampfschiffe und Eisen 
bahnen dem Westen ermöglicht haben, im Osten mit 
Oestreich zu concurriren, bedarf eS weit größerer Thä 
tigkeit, größerer Intelligenz und Betriebsamkeit als bis 
her von östreichischer Seite auf den orientalen Markt 
verwendet wurden. — ES vertautet, man wolle in 
Oestreich den Zinsfuß völlig freigeben, d. i. die Zinsen 
nicht mehr auf 5 von Hundert beschränken. 
Der Kronprinz Humbert von Italien soll sich mit 
einer östreichischen Erzherzogin vermählen, welche ein 
Vermögen von 70 Millionen Franken besitze. Den 
Italienern will diese plötzliche allzunahe Verbindung mit 
dem östreichischen Kaiserhause nicht ganz gefallen. — 
Des Kronprinzen Bruder, Amadeus, heirathet eine ita 
lienische Prinzessin Cisterna mit 20 Millionen Franken 
Vermögen. Sie ist eine Verwandte des einst päpstli 
chen Ministers Merode. 
Die „Triester Ztg." berichtet: Ein hiestiger angesehe 
ner Bürger hat uns jüngst eine kurze, aber äußerst in-1 
haltreiche Geschichte erzählt. Sein Gärtner war bei ei 
nem Verwandten in einem Dorfe des Karst auf Besuch 
gewesen und dort mit ihm bekannten Urlaubern zusam 
mengekommen, die in der Nordarmee gedient hatten. Na 
türlich sprach man von Königgrätz und die Bauern 
suchten sich klar zu machen, warum Oestreich habe 
unterliegen müssen. Zündnadel, Moltke, Henik- 
stein, Benedek, Alles wurde genau erwogen, bis endlich 
einer der Urlauber, unter der Zustimmung seiner Waf 
fengefährten, der Betrachtung mit dem Ausspruch über 
die preußischen Soldaten ein Ziel setzte: „Ja, die kön 
nen alle lesen und schreiben." 
Der Stand der gesammten östreichischen Staats 
schuld mit Ende Juni 1866 liegt in einem von der 
„Kommission zur Kontrole der Staatsschuld" verfaßten 
und der „Wiener Zeitung" beigelegten Ausweise vor. 
Demnach belief sich die Hohe der gesammten Staats» 
schuld zu Ende Juni l. Jahres auf die Summe von 
2,766,914,842 fl. 4 kr. Verglichen mit dem Stande 
der gesammten Staatsschuld zu Ende 1865, wo derselbe 
2,532,083,148 fl. 68 kr. betrug, ergibt sich im ersten 
Halbjahre 1866 eine Vermehrung der Staatsschuld um 
284,83!,693 fl. 36 kr. 
Herr v. Beust, der frühere sächsische, nun östreichische 
Minister, müßte ein wahrer Hexenmeister sein, wenn er 
Oestreich in ein paar Jahren. nur halbwegs gründlich 
hilft. Er muß ein gesundes Verhältniß Oestreichs zu 
Deutschland schaffen, das nicht auf Rache gegen Preu 
ßen gegründet ist, er muß Ungarn mit der Regierung 
aussöhnen und dem bunten Reiche eine Gesammtverfas- 
sung geben, er muß einen öffentlichen Geist und Geld 
schaffen, ohne die Steuern zu erhöhen und endlich Oest 
reichs ungemein wichtige Stellung im Orient verbessern, 
die durch Schlaffheit und Fehlgriffe von Grund aus 
verschoben und verdorben ist. Eine wahre Herkulesarbeit. 
Vor seiner Reise nach Paris hat der Nursurst Von 
Heffen sein im Hanauischen fundirtes Vermögen unter 
seine Kinder vertheilt und seinem in preußische Militär 
dienste getretenen Sohne Moritz nichts gegeben. 
Die Wahlen zum norddeutschen Parlament wer 
den in der zweiten Hälfte deS Januar stattfinden und 
das Parlament wird am 1 Februar 1867 eröffnet wer 
den. Die norddeutschen Regierungen haben die Auffor 
derung erhalten, Bevollmächtigte nach Berlin zu schicken, 
um über die Verfassung des Bundes zu berathen. Spä 
testens am 15. Dezember sollen die Verhandlungen an 
fangen. 
In Hannover wurde bei der Fleischschau ein Schwein 
weggenommen, das mit Trichinen behaftet war; einige 
Stücke des Schweins hatte der Fleischer schon vor der 
Schau an unbekannte Leute verkauft. Ein paar Tage 
darauf erkrankten wehre Personen an den Trichinen, eine 
davon lebensgefährlich, und siehe, es waren dieselben 
Personen, die von dem betreffenden Metzger Fleisch ge 
kauft hatten. 
Den siegreichen preußischen Feldherren sollen 
Schenkungen an Geld und Gütern gemacht werden. 
lU Millionen Thaler aus den Kriegscontributionen 
sind dazu bestimmt und der Landtag ist zur Bewilligung 
dieser Summe angegangen worden. Der Landtag 
wünscht, wie es scheint, die Namen und die einzelnen 
Summen kennen zu lernen. 
Die Offiziere in Hannover sind in trauriger Lage; 
ihr früherer König Georg will sie nicht von ihrem Eide 
entbinden und Preußen will sie ohne diese Lossprechung 
nicht annehmen. Ein Flugblatt, das ihnen aus Wien 
zugeschickt worden ist — vom König? — ermahnt sie 
zur Ausdauer. In einem Jahr, höchstens im zweiten, 
werde der König seine getreuen Kämpfer zum großen 
Entscheidungskampfe aufrufen und unter hellen Siegeö- 
liedern in freier hannover'scher Luft wieder einziehen. 
Es werden ihnen die leuchtenden Beispiele der franzö 
sischen Legitimisten und Offiziere vorgehalten, welche 
selbst den Tod unter der Guillotine nicht gescheut hät^ 
ten. Einstweilen möchten sie sich einen anderen Beruf 
wählen oder ein paar Jahre des Darbens nicht scheuen. 
Rudolf Lerows „New-Aorker belletristisches Journal" 
veröffentlicht einen Brief aus New-Orleans^ worin das 
Loos der nach dem Süden der Union eingewän 
derten Deutschen als ein sehr trübseliges geschildert 
wird. Die im vorigen Winter und Frühjahr nach 
Deutschland entsendeten Agenten der Baumwollstaaten 
— leider Gottes meist Deutsche — und die zum Fang 
frischer Ankömmlinge in New-York und New-Orleans 
lauernden Menschenjager hätten eine Masse solcher un 
glücklichen Geschöpfe unter allerlei Vorspiegelungen in 
den Süden gelockt und sie dort als Duteli RiWers be 
handeln lassen. Die verlassenen Negerhütten waren 
ihre Wohnung, vler Pfund gepöckeltes Schweinefleisch 
und Roggenmehl ihre wöchentliche Nahrung. Wer ent 
floh, wie es viele versuchten, wurde eingeholt und der 
Willkür der harten Pflanzer und grausamen Aufseher 
preisgegeben. Mit der heißen Jahreszeit wurden selbst 
die sonst willigen Arbeiter, denen es unmöglich war auf 
freiem Feld anstrengend zu arbeiten, vom Fieber nieder 
geworfen, mit ihnen Weib und Kinder, ohne ärztliche 
Hülfe, und ohne andere als die beschriebene Nahrung. 
Wer aus dem Dienste trat — wenn man's nicht ver 
hindern konnte — erhielt keinen Cent Lobn. „Wie
	        

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