Liechtensteiner
Vierter ^aiirKaaK.
Vaduz, Samstag
Rro. S R.
8. Dezember 18K6.
Dieses Blatt erscheint in der Regel monatlich 3mal und kostet ganzjährig 1 fl. 50 kr. Cinrückungsgebühr für die gespal
tene Zeile 4 Nkr Man bestellt die Zeitung in Vaduz bei der Redaktion — in Feldkirch bei der lodl. Wagnerischen Buch
handlung oder bei der k. k. Post. Die Redaktion besorgt auch Bestellungen auf das liechtenst. Landesgesetzblatt.
Allerhand Neuigkeiten.
In Vorarlberg beschäftigt die Rheinkorrektion das
Interesse der Bewohner. Die Gefahren, welche dem
Lande drohen, wachsen mit jedem Jahre. Seit 30 Jah
ren hat sich das Rheinbett nachweislich um 9 bis 10
Fuß erhöht. Wenn der Rhein bei einem Hochwasser
jetzt einbräche, würde er die ganze Thalebene Vorarl
bergs um 10 bis 15 Fuß hoch zu übersluthen vermö
gen. Man wünscht daher mit Recht, daß endlich eine
Vereinigung mit der Schweiz erzielt werde, um durch
einen oder den andern Durchstich den Rheinkrümmungen
das Strombett zu verkürzen und ihm mehr Gefall zu
verschaffen.
Auffallend und bezeichnend ist die Stimmung der mei
sten deutsch-östreichischen Landtage, welche sich in den
Adressen an den Kaiser kundgibt. So z. B. äußert
sich der oberöstreichische Landtag: „Schwer haben die
Völker die Fehler der Diplomatie und der Kriegführung
empfunden. Die wirthschaftlichen und finanziellen Schä
den deS Reiches, das durch die Widersacher des Fort
schrittes verschuldete Zurückbleiben Oestreichs auf geistigem
Gebiete, insbesondere im Volksunterrichte,
wurden für Jedermann offen an den Tag gelegt. Die
Zerrüttung des Geldwesens, das verderbliche Anwachsen
der thatsächlich jeder wahren Kontrole sich entziehenden
Staatsschuld; die damit verbundene kaum erschwingliche
Zinsenlast lassen an der Ordnung der Staatsfinanzen
und am Gedeihen der volkswirtschaftlichen Verhältnisse
nahezu verzweifeln. Handel und Gewerbe liegen
darnieder; Steuerzahlung"! stocken; die Verarmung
greift in erschreckender Weise um sicv; Mutlo
sigkeit, der schlimmste Feind des Aufraffens eines Volkes
zu neuer Thätigkeit, stellt sich ein. Die Annalen der
Geschichte Oestreichs weisen keine Zeit nach, in welcher
die Herzen der Völker von so tiefer Trauer erschüttert,
durch den Verlust der theuersten Angehörigen und durch
zerstörtes Familienqlück heimgesucht wurden.
Die längste Landtagsrede, 17 Stunden lang wurde
kürzlich in Brittisch-Nordamerika gehalten. So lang
mußten die gequälten Abgeordneten aushalten.
In Wien hat man nach vorgenommenen Versuchen
das „Ramming-Gewehr" für die beste Waffe erklärt.
Man bat aus einem Gewehr, das man zuvor in Was
ser getaucht, dann mit nassem Sand bedeckt hatte, tau
send Schüsse gethan, ohne daß das Gewehr beschädigt
wurde. Es wiegt 5 Pfund weniger als das preußische
Zündnadelgewehr, ist sehr leicht zu handhaben und hat
ein elegantes Aussehen. Allein es verlangt eine Metall
patrone, welche man in Oestreich noch nicht im Stande
ist anzufertigen. Die Versuche werden fortgesetzt.
Die neueste Nr. 48 der Allg. Deutschen Lehrerzeitung
hat einen Brief aus Wien, welcher am Schlüsse ein
„paar dürftige Notizen Streiflichter" bringt: „Das
Dörfchen Serhaus, unmittelbar an Wien belegen und
mit nicht mehr als 20—30,000 Einwohner, hat bis
jetzt noch keine emztge vierklassige Hauptschule. Die
Kinder treten also mit 10 Jahren ins große Leben ein.
Folgen? — Strizzi, und Strabanzer, wie der Wiener
sagt. — Jy der Freudenau, einem entlegenen und ärm
lichen Vorstadtbezirke, wirkt ein Lehrer, den der Himmel
mit 7 Kindern und der Wiener Magistrat mit einem
kleinen Gehalte gesegnet hat. Wahrend der Freuden-
auer Rennen taglöhnert der Mann als Billeteur für
täglich 80 kr. Seine 7 Würmlein kehren den Mist
von der Gasse zusammen um — zu leben. Nun rückt
der Mann in eine höhere Gehaltsklasse ein, und da
hatte die Noth ein Ende? O nein; jetzt ward ihm
seine kleine Personalzulage entzogen, und damit ward
er vollkommen, was er gewesen war. — — Wiener
Gemeinderath, das stimmt schlecht mit dem Pädagogium.
Der Arme ist wohl, wie man sagt, kein Talent, auch
kein Fortschrittsmann — wie könnte er es in seiner
Lage auch sein! — Aber soll er darum hungern? —"
Sicher ist dieser Mann auch einer der vielen tausend
Urheber von Königsgrätz! Ob der sich mit der vom
Kriegsministerium (?) ausgegangenen Empfehlung
eines rationellen Unterrichts, der „das Denken" früh
zeitig zu üben trachtet, befreundet? — Warum, möchte
man der Kuriosität halber fragen, soll nur das Militär,
resp, der Nachwuchs an Offizieren denken lernen? Vor
rath an „denkenden" Leuten aller Berufsklassen gibts
nur dann, wenn man „alles Volk" ohne Ausnahme
durch methodischen Unterricht, d. i. gute Elementar
schulen, zum Denken anleitet.
Wieder auf emem anderen Gebiete führt ein Wiener
Korrespondent der A. A. Ztg. Klage: der Handel Oe
streichs mit den Donaufürstenthümern und der Türkei
geht zurück, aber dort können neue Verträge kaum etwas
bessern. Es ist die eigene Schuld der östreichischen In
dustriellen und Kaufleute, wenn sie von den Englan
dern, Franzosen und Schweizern allmälig vom Orient-