Licchtcnstcincr Kandcszcitung.
Vierter ^adrKsnK.
Vaduz, Samstag
Nro. SN.
1V. November 18KK.
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Ueber die Stimmung und die Verhältnisse in der
Hauptstadt Preußens
gibt die „Rheinische Ztg." folgenden bemerkenswerthen
Bericht: „Bekanntlich fühlt der im Getümmel der
Schlacht von einer Kugel getroffene Krieger wenig von
den Schmerzen der Wunde; erst dann, wenn die Auf
regung vorüber, Entzündung und Wundfieber eingetre
ten, empfindet er die brennenden Schmerzen. Mit den
Wunden, welche der Krieg dem materiellen Wohlstand
Berlins geschlagen, stellt man in unsern kommerziellen
und industriellen Kreisen ein ähnliches Bild auf. Die
Spannung und Aufregung vor und während dem Krieg
und der Enthusiasmus, mit welchem der Sieg gefeiert
wurde, ließen die Klagen der Einzelnen im allgemeinen
Rausche verhallen. Die schmerzlichen Verluste an Le
ben und Existenzen, der Ruin ganzer Familien, das
Versiegen der Arbeit und der Mangel an Credit wur
den in den vergangenen Wochen mit pomphasten Phra
sen erstickt. Im erhabensten Styl wurde der Sieg über
den schmählichen Partikularismus und die elende Bun
desverfassung Deutschlands gefeiert, wurden die Einig
keit und Freiheit Deutschlands, die weltgeschichtliche
Mission Preußens und der europäische Friede als voll
brachte Thatsachen gepriesen. Wer es wagte, über den
blutigen Strich durch das Herz Deutschlands, über die
Mainlinie, über die Integrität Oestreichs und die zer
rissenen Verfassungen zu sprechen, wer das aufrichtige
Wort von der Hausmacht Preußens zitirte und mit der
Hand auf die Geschichte des deutschen Volks der uner
füllten Versprechungen seiner Fürsten gedachte, der
wurde als Vaterlandsverräther verschrieen. Das ist
nun heut um vieles anders geworden. Nach dem
Rausche hat sich jenes Gefühl eingestellt, dessen nähere
Bezeichnungen wir uns ersparen wollen. Wie viel hier
die Erkenntniß dessen mitwirkt, was wir an individuellen
politischen Freiheiten für uns, für die Einverleibten und
für das übrige Deutschland gewonnen haben, darüber
wollen wir heute nicht sprechen. Die materiellen Fra
gen sind es zunächst, welche die Betheiligten zum Nach
denken über die heutige Lage auffordern. Einen Mo
ment lang — es war während des Friedensfestes —
schien es, als ob Handel und Wandel wieder in ihre
alten Geleise zurückkehren würden; aber diese Voraus
setzung erwies sich als falsch. Viele Gewerbszweige
liegen vollständig darnieder; der ErPort nach Oestreich
sowie nach dem Westen und Süden Deutschlands hat
selbst mit den gangbarsten Berliner Artikeln beinahe
vollständig aufgehört; das Mißtrauen in die Haltbarkeit
per gegenwärtigen Zustände lähmt den lokalen Kredit
und zieht seine Kreise weit über die provinziellen Gren
zen hinaus. — Inmitten dieser allgemeinen Ealamität
sind es die durch den Krieg zunächst Betroffenen, welche
die Aufmerksamkeit und das Mitleiden ihrer Mitbürger
herausfordern müssen. Wir meinen nicht die Verwun
deten, denn ihr Unglück spricht sichtlich genug für sie;
sondern es handelt sich hier um jene zahlreichen Fälle
von verarmten und ruinirten Familien, deren Ernährer
durch das unerbittliche Schicksal, welches die allgemeine
Wehrpflicht über sie verhängte, ihre Existenz einbüßten,
und diese sind es, welche im Vordergrund der laut Kla
genden stehen. Zu stolz, um zu betteln, verlangen die
Kämpfer von Königgrätz, daß ihnen geholfen werde.
Sie erzählen, wie durch'ihre Einziehung ibr Geschäft
zu Grunde gegangen, wie sie eine dadurch verlorene
Anstellung nicht wieder erhalten können, wie ihre Ange
hörigen während ihrer Abwesenheit Stück um Stück der
nächsten Leibesbedürfnisse verkauft oder verpfändet, wie
sich schließlich unbezahlbare Schulden gehäuft haben
und nichts als der Bettelstab übrig geblieben. Trostlos
blicken dann diese Männer auf die 15 Silbergroschen,
welche ihnen das dankbare Vaterland durch das Mit
glied eines konservativen Vereins in die Hand drücken
läßt. Sie fragen mit düsterer Miene, was dann ge
schehen solle, wenn Weib und Kind mit der besagten
Summe fertig geworden? -- Die Antwort findet sich
auf allen Straßen schon 24 Stunden später; Männer
in straffer Haltung, mit tiefem Ernst und sonnver
branntem Antlitz treten an die Vorübergehenden heran,
und was sie sagen, erlassen Sie uns hier mitzutheilen.
— Ein konservativer Gelehrter sagte irgendwo: der
Krieg lebt vom Krieg. Gewiß ist, daß eine große An
zahl von Landwehrmännern nicht vom Krieg leben wird.
Möge also der Segen des wiedergekehrten Friedens
auch ihnen recht bald zu gute kommen!"
Allerhand Neuigkeiten.
Vaduz, November. Infolge einer Kundmachung
der f. Regierung ist mit dem heutigen Tage die Vieh-
sperre gegen Graubünden und Vorarlberg aufgehoben,
weil die Rinderpest daselbst erloschen ist. Nur gegen
St. Gallen besteht noch Sperre. Gleichzeitig ist auch
der Eingang von Vieh nach Graubünden und Vorarl-