alte Hr. Schmerling wieder jung und beginnt seine Mi
nisterlaufbahn von vorn. Man fürchtet übrigens, der
Ministerwechsel werde einen Rückschritt für Oestreich
bringen. Diese Furcht hat aber wenig Bedeutung. Der
Fortschritt hat sich in Oestreich bisher so langsam und
schwerfällig fortgeschleppt, daß schon ein feinsinniger und
aufmerksamer Blick dazu gehört, um zu unterscheiden, ob
der Staatswagen noch in Bewegung ist, ob er steht,
oder gar rückwärts geht. Und mit dem Rückschritt ist
es auch ein schwieriges Ding. Die Rückschrittspartei
wird wohl schon soviel gelernt haben, daß der Rückschritt
ihr verderblicher werden kann, als ein wohlbemessenes,
sorgfältig regulirtes und gedämpftes Vorwärts.
Baiern', Baden und Württemberg hatten mit der
Eidgenossenschaft einen Zoll- und Handels
vertrag verabredet. Das gestrenge Großpreußen weist
diesen Vertrag ganz kurz ab, ohne selbst die Gründe
dieses Verfahrens anzugeben. — Am hohen Bundestag
zu Frankfurt beschlossen sie die Einsetzung eines Aus
schusses für die Einführung gemeinsamen Maßes und
Gewichts in allen deutschen Bundesstaaten. Baiern,
Kurhessen und Oldenburg sind dagegen: Wahrscheinlich
aus dynastischen Interessen. Durch den Wegfall einer
kgl. bayrischen „Halbe", oder des kurfürstlich hessischen
Fußes, Zolles Zc. könnte dem speziell bairischen oder hes
sischen Nationalgefühl eine ersprießliche Anregung entzo
gen werden. — Preußische und bairische Soldaten unter
Mitwirkung der Frankfurter Polizei haben sich in Sach
senhausen ein nicht» unblutiges Treffen geliefert, wahr
scheinlich als Vorarbeit zu einer baldigen Bundesreform.
— Das sind erhebende Bilder deutscher Einigkeit!
Der König von Preußen hat seine Hausadvokaten
(Kronjuristen) gefragt, ob er die Herzogthümer Schles
wig-Holstein seinen durch Gottes Gnade besessenen
Erblanden hinzufügen könne. Eilf Juristen von 18
waren der Meinung es sei dies zulässig. — Die preußi
schen Abgeordneten, welche im Landtage der Regierung
durch scharfe Worte unbequem wurden) sollen nun für
ihre Landtagsreden zur Rechenschaft und Strafe gezogen
werden.
H Triesnerberg. Der Tag nach Peter nnd
Paul hätte für unsere Alpgenossen ein großer Unglücks
tag werden können. Jenseits des Grath hatte es wäh
rend der Nacht einen Schnee von 4—5 Zoll Höhe ge
legt. Dadurch wurde das Vieh sehr unruhig, so daß
es der Hirt nur mit äußerster Anstrengung zusammen
halten konnte. Vom frühen Morgen bis Nachmittag
3 Uhr mußte er den fliehenden Thieren über Höhen
und Tiefen nachfolgen, um sie vor Verwirrung und ge
fährlichen Schroffen zu bewahren. Endlich erlag er.
Ein Verwandter des Hirten, der bei diesem Wetter zu
fällig in der Nähe war, begab sich nach der fraglichen
Alp, weil er glaubte, daß der Hirt schwere Arbeit ha
ben werde. Als er zur Alp kam, traf er den Hirten
nicht mehr beim Vieh. Er vermuthete ein Unglück und
suchte nach dem Manne, den er halb erfroren, starr
und unbeweglich, ganz erschöpft in einem Steingeröll
liegen fand. Derselbe hatte vergeblich auf Beistand von
Seite der Alpvogte gewartet und war endlich der un
geheuren Anstrengung erlegen. — Durch einen Zufall
wurde ein großes Unglück abgewendet. Es sollte das
unseren Leuten ein Fingerzeig sein, daß sie bei schlim
mer Witterung Hilfsmannschaft in die Alpen senden.
Vor 30 Jahren wcst es noch gebräuchlich sogenannte
Schneeflüter zu senden, in der neuen Zeit ist man da
von abgekommen. Es ist zunächst an Alpvogt und
Alpmeister auf derlei Sachen ein Auge zu haben. Aus
der Geschichte lernen wir aber auch, daß es mit unserer
Alpwirthschaft noch nicht auf dem letzten Gipfel steht;
es ist noch viel zu thun. Das sollte man bedenken
und den Maßregeln einer wohlmeinenden Regierung
nicht einen maßlosen Widerstand leisten.
* Liechtenstein darf sich Heuer in Bezug auf den
Stand der Früchte wohl zu den gesegnetsten Land
strichen zählen. Jedenfalls stehen sämmtliche Fluren in
der innern Schweiz ungleich schlimmer. Von Luzern bis
Bern, Freiburg, von da bis Neuenburg, Solothurn,
Aarau und Zürich sind die Wiesen gänzlich ausgebrannt,
und ist wenig oder kein Emd zu erwarten. Vielfach
füttert man schon jetzt das spärlich eingebrachte Heu.
Auch Kartoffeln, Kabis und andere Feldfrüchte stehen
ungemein schwach. Nur das Wintergetreide und der
Wein verspricht eine gute Ernte. Bei Murten begann
schon am 27. Juni der Kornschnitt.
* Das Eanisiusfest in Freiburg den 25.—27.
Juni versammelte wenigstens 30,000 Menschen. Zehn
Bischöfe und Prälaten, an 200 Priester erschienen. Die
Stadt war geschmückt und Abends illuminirt. Die be
deutendsten Redner der Schweiz predigten, z. B. die Bi
schöfe von Solothurn, Genf, St. Gallen, der Provin-
zial ?. Anizet und der Jesuit ?. Allet. Das schönste
Wetter begünstigte die Feier.
— Auf der Industrie-Ausstellung in Merseburg (preu
ßisch Sachsen war eine Kalkziegelmaschine von
Dr. A. Bernhardisen aus Eilenburg aufgestellt. Sie
fertigt aus 4 Theilen Sand und 1 Theil Kalk, wenn
zwes Männer fleißig arbeiten, per Tag 2000—2500
Kalkziegelstein, die in zwei Tagen trocken werden und
sich durch Festigkeit auszeichnen; durch eine Holzeinlage
können die gewöhnlichen Kalkziegelsteine leicht in Ge
simsstein umgewandelt werden. Die Maschine kostet
230 fl. ö. W.
— Zucker war ehedem eine theure Sache, als man
denselben allein nur aus Zuckerrohr verfertigte. Jetzt ist
es anders; der Rohrzucker ist fast gänzlich aus dem
Felde geschlagen ^durch den Rübenzucker. Dieser wird
aus der Zuckerrübe (eine Art Runkelrübe) bereitet. Vor
15 Jahren gab es im deutschen Zollvereine nur 184
Rübenzuckerfabriken. Jetzt, sind es 253; damals wurden
jährlich 14 Mill. Zentner Rüben verarbeitet, jetzt gegen
40 Millionen. Das ist eine schöne Industrie, und die
Landwirthschaft, besonders die Viehzucht, haben durch den
Anbau der Rüben und durch den Verbrauch der Futter
abfälle Großes gewonnen.
Herausgeber: Gregor Fischer.
Verantwortlicher Redaktor: vr. Schädler.