Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1865)

wahrhaft erstaunlich, was für Ansprüche man an verschie 
denen Orten an die Schule macht; während Niemand 
an die Hauptsache denkt. Würden nur die bereits vor 
geschriebenen Gegenstände in allen Schulen ordentlich 
gelehrt! 
— Das Sparkassenwesen in der Schweiz ist 
in hoher Blüthe und liefert einen neuen Beweis von 
den gesunden wirthschaftlichen Zuständen dieses Landes. 
Kein einziger Kanton ist mehr ohne Sparkasse, und es 
ist unverkennbar wie sehr die Arbeitsamkeit, Sparsamkeit 
und Nüchternheit dadurch gefördert werden. Von 100 
Schweizern haben immer 14 eine Einlage in der Spar 
kasse gemacht. Die Zahl der verschiedenen Kassen ist 
236, worin über 131^ Million Fr. eingelegt sind — 
auf jeden Schweizer 52 Fr. 60 Rp. In den letzten 10 
Jahren hat sich die Gesammtsumme der Einlagen mehr 
als ums Hundertfache gesteigert. Wenn im Jahr 1852 
4 Fr. eingelegt waren, so sind jetzt 117 Fr. eingelegt. 
Nun wage es noch Einer über die verschwenderische Zeit 
zu klagen. 
— Der Veltliner Wein kommt im heurigen Jahre 
zu neuen Ehren. Durch die Mißernte in Graubündten 
ist man genöthigt, seine Zuflucht zu diesem heißblütigen 
Italiener zu nehmen. Es heißt, in den besten Jahren 
sei das Geschäft nicht so gut gegangen wie am letzten 
Churer Andreasmarkt. 
— Wegen der Sept-ember-Unruhen in Genf 
wurde eine ganze Reihe von Personen als Unruhestifter 
angeklagt. Das Schwurgericht hat sie alle freigesprochen. 
— Der Untersuchungsrichter in dieser Sache, Hr. Dup- 
ian berechnete Taggelder von 40 Fr. per Tag und noch 
10,000 Fr. ertra. Das ist selbst dem Bundesrath bei 
nahe zu stark. 1863 wurden in der Schweiz 21^ 
Millionen Zeitungsnummern versandt; ebenso flei 
ßig sind die Schweizer im Briefschreiben gewesen: 25 
Millionen Stück. 
— Ein adeliges Fräulein in Bayern zog Manns 
kleider an und ging auf die Jagd in den StaatSforst. 
Es wird vom Jagdaufseher erwischt und kommt nun als 
Wilddieb auf die Anklagebank. 
— In Oestreich hat sich eine Viehversicherungs 
gesellschaft gebildet. Dieselbe hat unter dem Namen 
„Taurus" ihren Sitz in Salzburg und ist auf Gegen 
seitigkeit gegründet. Die Versicherten dürfen also nicht 
mehr zahlen, als der wirkliche Schaden im Durchschnitt 
beträgt. Es werden Rindvieh, Pferde, Ziegen, Schweine 
zc. versichert gegen Verluste durch alle Krankheiten und 
Seuchen, mit Ausnahme der Rotzkrankheit bei Pferden. 
Wenn keine Fahrlässigkeit oder absichtliche Tödtung nach 
gewiesen werden kann, so erfolgt innerhalb 30 Tagen 
die volle Auszahlung des Betrages für das gefallene 
Thier. 
— In Egypten herrscht auch zur Winterszeit der 
Frühling. Reiche Leute, gesunde und auszehrende, ziehen 
massenhaft dahin, um der trüben und kalten Winterszeit 
ihrer Heimat aus dem Wege zu gehen. In einer ein 
zigen Stadt, Alerandrien, wohnten Anfangs Dezember 
4000 Gäste. Für 20 Fr. täglich wird man in jedem 
Gasthof höchst freundlich und zuvorkommend aufgenom 
men. — Egypten war schon zu Josefs Zeiten berühmt 
durch seinen Reichthum. Durch die alljährlichen Über 
schwemmungen des Nilflusses, welcher seinen fetten 
Schlamm auf den Feldern zurücklaßt, wird das Land 
so befruchtet, daß die Bauern ohne Dünger ernten kön 
nen. Bis vor Kurzem waren aber die Bewohner immer 
mehr verarmt und heruntergekommen. Da kommt der 
amerikanische Krieg, es entsteht eine Baumwollennoth. 
— Die Egypter pflanzet: nun Baumwolle und das Land 
erhebt sich wieder zum Wohlstand. 1864 wurde für 
mehr als 500 Mill. Fr. Baumwolle daselbst gepflanzt 
und noch dazu eine sehr gute Sorte. So hat jedes 
Uebel seine guten Folgen: durch den Krieg wurden die 
Amerikaner fast zu Grunde gerichtet — der Egypter, 
Jndier und andere wurden durch denselben Krieg reiche 
Leute. 
— In Kassel ist wieder ein Stücklein aufgeführt 
worden — nicht auf dem Theater, sondern in der Wirk 
lichkeit — wie so was nur in Deutschland und da nur 
in dem Musterstaate Kurhessen vorkommen kann, hat ein 
Lieutenant, Freiherr v. Loßberg, Urlaub genommen und 
sich an dem Sturm auf Alsen betheiligt. Das Regiment, 
dem er sich eingereiht hatte und der kommandirende Ge 
neral spenden dem jungen Offizier alle Anerkennung für 
seine bewiesene Tapferkeit, und er wäre, wenn er in of 
fizieller Stellung am Kampfe Theil genommen hätte 
und nicht blos privatim, dem preußischen Könige zur 
Dekoration vorgeschlagen worden. Sollte Kurhessen auf 
einen solchen Tapfern nicht stolz sein? — Was geschieht? 
Er wird vor Gericht gestellt, weil er ohne Erlaubniß 
seines höchsten Kriegsherrn gegen die Dänen gefochten. 
Der Strafantrag lautete auf 4 Monate Festungsstrafe, 
das Urtheil aber auf 4 Wochen Offiziersarrest. Darüber 
läßt sich nichts mehr sagen. 
— Zwei Pariser Aerzte berichten von höchst seltenen 
und interessanten Fällen von Schlafsucht. Ein großes, 
starkes und vollkommenes Frauenzimmer wurde in ihrem 
18. Jahre zum ersten Male von dieser wunderlichen 
Krankheit überfallen und schlief 30 Tage an einem fort. 
1858 verheirathete sie sich und schlief "erst 18 und dann 
50 Tage und verträumte somit die sogenannten Honig 
monde vollständig. Sie wurde Mutter und zeigte sich 
nun während 4 Jahren keine Spur der Krankheit; im 
Gegentheil war die Dame sehr lebhaft, fröhlich und rüh-. 
rig in Allem, so daß ihr Mann schon glaubte, jene 
Krankheit hätte vollständig aufgehört. Ostern 1862 je 
doch konnte sie eines Morgens nicht geweckt werden und 
schlief 8 Tage; am 9. stand sie auf, kam ins Wohn 
zimmer und machte ihre Geschäfte wie sonst Beim Mit» 
tagessen indessen brach sie ihre Rede plötzlich ab, senkte 
den Kopf und schlief, diesmal bis zum März 1863, 
also beinahe ein volles Jahr. Seither hat sich die Krank 
heit nicht mehr gezeigt. Erst versuchten die Aerzte die 
Schlafende zu wecken und wandten dazu alle möglichen 
Mittel an, doch umsonst; ebenso vergeblich waren die 
Versuche, der Schlafenden Nahrung einzuflößen. Bei 
näherer Untersuchung zeigte sich der Umstand, daß der 
Schlaf allemal eintrat, wenn eine Krankheit im Anzüge 
war, welche dann durch den Schlaf vollständig --- obyy
	        

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