Liechtensteiner Kandeszeitung.
Diittvr ^atirKanK.
Vaduz, Sonntag
Rro. SS
1. Oktober 1865.
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Landtags Verhandlungen.
Vierter Landtag.
7. Sitzung, Vaduz, am 11. Sept. 1865.
(Schluß.)
Präsident will zur Abstimmung schreiten.
Wanger: Mich wundert, daß man meinen Antrag
nicht respektiren will. Ich stelle den Antrag, daß der
§. 4 aufrecht erhalten bleiben soll.
Präs. .- Dagegen nmß ich mich aussprechen, weil der
§. 4 schon Gesetz. Wer dem Antrage des Ausschusses
nicht beistimmen will, kann ihn ja durch Sitzenbleiben
verwerfen.
Kirchthaler: Es handelt eigentlich um weitere Kon
zessionen für die Geistlichkeit. Man macht uns den
Vorwurf der Unbilligfeit; das widerstreite ich. Wir
find in §. 4 billig gewesen. Ich möchte sagen, meine
Herren, es liegt im Interesse der Geistlichen, sich mit
dem §. 4 zu begnügen. Unser Land hat sich durch die
ungeheure Last der Nheinbauten fast erschöpft. Man
sagt es sei unbedeutend, was man verlange. Aber es
scheint, man hat nicht im Sinne uns ein Loth unserer
Last abzunehmen.
Präs.: Es handelt sich. . . Kirchthaler: Ich bin
noch nicht fertig... Präsident: Ich muß hier die
Bemerkung wiederholen; Die Pfründen sollen so gestellt
werden, daß sie einen Mann anständig ernähren, sonst
bleibt unserem Land keine Wahl, als solche Leute anzu
stellen, welche anderwärts nicht ankommen. Ich glaube
die Debatte ist erschöpft und bringe deshalb den Kom
missionsantrag zur Abstimmung.
Kirchthaler: Wir können nicht anders, als den
§. 4 aufrecht halten, und ich glaube es ist im Interesse
der Geistlichen uns zu unterstützen, wenn Ihnen an ih
rem Ansehen im Volke mehr liegt, als an ein paar
Gulden.
Präs.: Es handelt sich hier nicht um das Ansehen,
sondern darum, daß etwas bestimmt werde, ein Gehalt
der Geistlichen bestimmt werde, wovon er leben und et
was auf die Seite legen kann.
Kirchthaler: Aber wem in aller Welt garantirt
man denn ein solches Einkommen. Hat der Mediziner,
der Juris Doktor eine Pension? Dem läßt man eine
Frau und einen reichen Kindersegen und überläßt ihn
deni Schicksal. Und zudem, meine Herren, ich glaube,
daß wir hier sind um die Bevölkerung unseres Landes
zu vertreten, und wie die Bevölkerung gestimmt ist, das
ist, glaube ich, aus der Stimmung der Herren Abgeord
neten zu ersehen.
Präs.: Das ist eine Sache. Der Landtag hat auch
schon in Sachen beschlossen, wo er die in zahlreichen
Bittschriften ausgesprochene Meinung des Landes gegen
sich hatte.
Kirchthaler: Es kann Fälle geben^ wo ein gan
zes Volk sein Interesse verkennt. Aber in diesem Falle,
glaube ich nicht, daß unser Volk sein Interesse verkennt.
Keßler: Ohne mich ins Materielle der Diskussion
einzulassen, muß ich bemerken, daß es Geschäftsordnung
ist, den Antrag des Hrn. Wanger und zwar zuerst zur
Abstimmung zu bringen.
Präs.: Der Antrag ist noch nicht sormulirt.
Wanger formulirt denselben: Befreit von Wuhrla-
sten sind: „jene Pfrundgüter, deren geistlicher Nutznießer
ein Gesammteinkommen von weniger als fl. 600 bezieht.
Die Feststellung des Einkommens gescliielu in der im §.
4 der Gemeindeordnung bestimmten Art."
a. Für diesen Antrag erheben sich 5 St. von 11.
b. Für den Kommissionsantrag: „jeder Geistliche hat
600 fl. frei" erheben sich 4 St.
e. für den Regierungsentwurf: „Einkommen über fl.
600 sind nur mit dem halben Betrage anzulegen" —
3 Stimmen.
Kirchthaler: Beim ersten Antrage stimmten 6!
Es wird noch ein Mal gezählt und es stimmten:
Wanger, Bargetze, Kind, Quaderer, Kirchthaler, Schaff-
hauser. Somit ist der Antrag s. angenommen.
Es werden die übrigen §. 8. 9 einstimmig angenom
men.
Präs.: Es fragt sich, ob wir diesen Gesetzentwurf
einer II. Lesung unterziehen wollen, oder ob die Endab-
stimmung erfolgen soll. Ich stimme für eine II. Lesung,
weil mehrere Mitglieder abwesend sind, und die Interes
sen des Landes durch dieses Gesetz sehr nahe berührt
werden.
Keßler: Ich möchte fragen, ob die abwesenden Mit
glieder entschuldigt sind?
Präs.: Sie sind nicht entschuldigt. Und gerade des
halb wünsche ich eine zweite Lesung, damit diesen Her
ren auch Gelegenheit geboten wird, ihre Meinung offen
zu bekennen.
Es werden Stimmen laut, daß die abwesenden Herren
Mitglieder der heutigen kritischen Berathung vielleicht
gerne ausgewichen seien.
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