Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1865)

Liechtensteiner Kandeszeitung. 
Dritter ^alirKanK. 
Vaduz, Samstag 
Rro. A. 
7. Januar 1865. 
Dieses Blatt erscheint in der Regel monatlich 3mal und kostet ganzjährig 1 ff. 50 kr. Einrückungsgebühr für die gespal 
tene Zeile 4 Nkr Man bestellt die Zeitung in Vaduz bei der Redaktion — in Feldkirch bei der löbl. Wagnerischen Buch 
handlung oder bei der k. k. Post. Die Redaktion besorgt auch Bestellungen auf das liechtenst. Landesgesetzvlatt. 
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Der verstärkte Gemeinderath 
ist eine ganz neue Einrichtung in unserem Gemeindeleben. 
Er ist in dieser Weise, wie wir ihn haben, noch nirgends 
eingeführt worden. Was man anderwärts einen ver 
stärkten Gemeinderath (Bürgerausschuß, Stadtverordnete 
?c.) nennt, das ist nichts Anderes, als ein zweiter stän 
diger Gemeinderath neben dem ersten. Dieser zweite 
Gemeinderath in andern Ländern wird in der Regel auf 
3 Jahre gewählt und tritt aber nur in besondern Fällen 
zusammen. Unser verstärkter Gemeinderath dagegen wird 
nur für einen bestimmten Fall gewählt und er löst 
sich nach der Beschlußfassung über diesen einen Gegen 
stand wieder auf. So kann es sich treffen, daß alle 
Tage ein neuer verstärkter Gemeinderath gewählt wird. 
Wannmußnun der Gemeinderath verstärkt 
werden? Der §. 71 der neuen Gemeindeordnung 
schreibt vor, wenn es sich handelt 
1. um die Führung eines Prozesses, 
2. um Abänderung des Statuts über das Gemeinde- 
Vermögen, 
3. um Geldanleihen, 
4. um neue Gemeindesteuern, 
5. um Gutheißung der Gemeinderechnung. 
Ferner kann der Gemeinderath verstärkt werden so oft, 
als es die Gemeinde beschließt. Stellt Einer bei der 
Gemeindeversammlung den Antrag auf Wahl eines ver 
stärkten Gemeinderaths, und bekommt dieser Antrag das 
„Mehr", so muß die Wahl geschehen. Ueber Alles, 
was den ständigen Gemeinderath oder die Gemeindever 
sammlung angeht, darüber kann auch der verstärkte Ge 
meinderath reden und abstimmen. Mit einem Wort: 
Der verstärkte Gemeinderath ist jedes Mal im 
Recht, so oft ihn die Gemeinde wählt. Es ist 
fast gar kein Fall denkbar, welcher diesem vermehrten 
Ausschusse nicht zugewiesen werden könnte. 
Ist die Gemeinde mit dem Thun und Lassen des blei 
benden Gemeinderaths nicht zufrieden, werden seine Be 
schlüsse angefochten, so wählt sie eine Verstärkung, um 
neue Beschlüsse zu fassen. 
Werden auf der „Gemeind" Anträge gestellt, so stimmt 
der verstärkte Gemeinderath darüber ab. 
Was aber die Gemeindeversammlung oder der ver 
stärkte Gemeinderath beschlossen haben, dabei bleibts, da 
hilft kein Rekurs: es verstoße denn der Beschluß gegen 
die Landesgesetze, wo sich an das Landgericht oder die 
Regierung berufen werden kann. 
Die Maschinen und der Mensch. 
Der größte griechische Weltweise, Aristoteles, hat vor 
Mehr als zweitausend Jahren gesagt, daß die Sklaverei 
erst dann aufhören werde, wenn die Weberschifflein von 
selbst fliegen. Der Maschinenwebstuhl, welcher vor 80 
Jahren in England erfunden wurde, treibt sein Schiff 
lein ohne Zuthun der Menschenhand. Und wirklich hat 
in diesen 80 Jahren die Freiheit des Arbeiter- und Bür 
gerstandes ungeheure Fortschritte gemacht. Anstatt der 
Freiheit Einzelner ist jetzt in den meisten Staaten Frei 
heit und Gleichberechtigung Aller zum Gesetz und zur 
Wahrheit geworden. Warum hängt dieser Fortschritt 
mit den Maschinen zusammen? 
Die Maschine hat dem Menschen ein ungeheures, gär 
nicht berechenbares Stück der härtesten Arbeit abgenom 
men. Zu Moses Zeiten hatte man nur Handmühlen, 
die von Sklaven, Verbrechern und der geringsten Klasse 
Menschen getrieben werden mußten, seit Christi Geburt 
erst gibt es Wassermühlen und die Dampfmühle ist noch 
nicht sechzig Jahre alt. Um das Getreide mit Hand 
mühlen zu mahlen, bedürfte es schwere und lange Ar 
beit; eine Person war nöthig um für vielleicht nur 6 
bis 10 andere das Korn zu mahlen, jetzt mahlt eine 
von zehn Personen bediente Dampfmühle für Zehntausend. 
Eine Spinnmaschine leistet zwei bis dreihundert mal 
mehr als ein Spinnrad. — Aus einer Buchdruckmaschine 
bringen 5 Personen in einem Tag so viel fertig, als 
vor 500 Jahren ein Schreiberheer von 300,000 Mann. 
Ein Buch, das vor 500 Jahren 300 fl. kostete, kann 
man jetzt um 1 fl. kaufen. Bildung und Freiheit wur 
den aber gerade durch die Druckmaschinen am meisten 
gefördert. 
Auf einer Eisenbahn werden durch die Dampfkraft 
3000—M00 Menschen im Fluge fortgeschafft und es 
braucht zur Bedienung kaum A Dutzend. Wie viele 
Kutscher und Pferde wären dazu erforderlich, und wie 
viele Tagelöhne würden versäumt, wenn das nach der 
alten Weise zu Wagen geschehen sollte? 
Und weil die Maschine gerade die schwersten und ge 
meinsten Arbeiten leistet, so bleiben Tausende von Men 
schen für leichtere und künstlichere Arbeit übrig. Je edler 
und kunstvoller aber die Arbeit ist, um so edler und ge 
bildeter soll in der Regel auch der Mensch sein, der sie 
treibt. 
Ferner arbeitet die Maschine billiger und schneller. 
Dadurch wurden die Waaren wohlfeiler und es kamt
	        

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