Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1864)

frankirt werden muß? — Nun ich bin erstlich versichert, 
daß die PostVerwaltung das tariren der Briefe nicht als 
Geheimniß betrachtet, und vielleicht auch so gefällig wäre, 
etwa einen Briefmarken-Tarif in die Welt hinaus zu 
geben; dann könnte man ja auch am Triesnerberg oder 
in Schaan für etwa einen einfachen Brief, innerhalb 
unseres gewöhnlichen Geschäftskreises diesen Tarif nach 
schlagen, oder durch einen andern sich unterrichten lassen. 
Ferners wird eS auch in fast jeder Ortschaft etwa einen 
Pfarrer, Richter, Lehrer und einen Geschäftsmann haben, 
dem eS nicht darauf ankommen wird, ein paar Brief 
marken mehr im Vorrath zu haben, als er gerade für 
seine Briefe braucht, um im Nothfalle auch einem andern 
einen Dienst erweisen zu können. — Am Ende behaupte 
ich, daß meistens auch derjenige der des Briefmarkenwe 
sens unkundig ist, auch höchst selten Briefe frankirt, «nd 
bin quasi überzeugt, daß wohl 2/z Briefe auf angedeu 
tete Weise spedirt würden, wodurch mancher unnöthige 
Gang nach Vaduz erspart werden könnte. 
— Mit Freuden vernehmen wir, daß auf der benach 
barten Bahnstation Buchs-Werdenberg ein Telegrafensta 
tion zum Gebrauch deS Publikums errichtet wurde. 
Rugell. Vor Kurzem ereignete sich bei einem Hoch 
zeitschießen der Fall, daß einem auf der Kegelbahn an 
wesenden Burschen 4 Löcher durch seinen an einem Baum 
aufgehängten Rock geschossen wurden, und zwar in dem 
selben Augenblicke, als er den Rock abnehmen und an 
ziehen wollte. Ihm und einem andern Burschen ging 
die Ladung wenige Zoll über dem Kopfe hinweg. 
Dornbirn, 26. Mai. Schon mehrmals war ich 
Willens, in ihrem Blatte auf die Gefahren hinzudeuten, 
welche aus dem so häufigen Brennen von WachSrödeln 
bei gottesdienstlichen Feierlichkeiten entstehen könnten. 
Heute bei der Fronleichnamsprozession ereignete es sich 
nun, daß bei den Mädchen, welche daS Muttergottes 
bild trugen und demselben vorausgingen, die Kleider 
zweimal Feuer fingen, welches nur durch die thätige 
und schnelle Hülfe der Mitglieder des Gesellenvereins er 
stickt wurde. F. Ztg. 
Heidelberg. 48. Mai. Ein gräßliches Unglück 
ereignete sich hier heute Morgen. Ein Brunnen war 
bis etwa 50 Fuß tief ausgegraben. Ein Arbeiter stieg 
hinunter, kam aber nicht mehr herauf; ein zweiter und 
sofort ein dritter ahnten Schlimmes, stiegen ebenfalls 
hinunter, um Hülfe zu bringen, kamen aber auch nicht 
mehr zum Vorschein. Ein vierter, den man mit Stri 
cken hinabließ, fand die Leichen der drei ersten und wur 
de fast bewußtlos wieder ans Tageslicht befördert. Die 
Rettungsversuche waren vergeblich. Man ist äußerst ge 
spannt aus die nähere Untersuchung des Brunnenschach 
tes, in welchem schädliche Gase sich entwickelt hatten., 
Nordamerika. Bei der Volkszählung im Staate 
Massachusetts figuriren unter der Rubrick: „Stand 
oder Gewerbe" folgende kuriose Bezeichnungen: Aller- 
weltsknechte 5; Geizhälse 2; Philantropen 2; praktische 
Christen t; Dichter 1; Wilde aus Borneo 2; Hand 
werker außer Dienst t; Bummler und Skandalmacher 
8. — Allem Anschein nach bereiten sich in Nordamerika 
die Entscheidungskämpfe vor. Zu Wasser und Land 
dringen die Heere und Generale der Union gegen die 
feindliche Hauptstadt Richmond vor, um dort den Lö» 
wen in seinem Lager zu bändigen ; der Feind kämpft 
aber auch wie der Löwe in seinem Lager, Große, ent 
scheidende Siege können die Unionsgenerale nirgends er 
ringen trotz ihrer Uebermacht, nur die Gegner langsam 
zurückdrängen. In den ersten Tagen des Mai, am 5., 
6. bis zum 13. wurden an 5 Tagen furchtbare Schlach 
ten geliefert, wobei die Nördlichen 40,000 Mann ver 
loren haben sollen. 
— In Rußland ist die Leibeigenschaft der Bauern im 
ganzen Reiche aufgehoben und die seither Unfreien sind 
zu freien Eigenthümern erhoben worden; in Mecklen 
burg-Schwerin dagegen ist die furchtbarste Entwür 
digung der ländlichen Arbeiter durch ein neues Gesetz 
sanktionirt worden. Eine großherzogliche, von allen Mi 
nistern cyntrasignirte Verordnung führt die Zulässigkeit 
der Prügelstrafe für Dienstvergehen der Gutsleute auf 
den ritterschaftlichen Gütern gesetzlich ein; Dienstboten, 
Hofieute, Tagelöhner, Lohn- und Accordarbeiter (also 
auch Handwerker) sammt ihren Frauen und Kindern 
werden der Prügelstrafe unterworfen. Dem Gutsbesitzer 
wird die Befugniß eingeräumt, Dienstvergehen selbst zu 
untersuchen , zu konftatiren und mit Strafen bis zu 5 
Thalern, l Woche Gefängniß und 25 Stockstreichen zu 
belegen. Zu den Untersuchungen soll zwar eine beeidigte 
Person als Protokollführer hinzugezogen werden, aber 
diese Person kann der Wirthschafter, Gärtner , Kutscher 
u. s. w. des Gutsherrn sein. Gegen diese Entscheidung 
steht dem verurteilten Untergebenen nur der Recurs an 
den Minister des Innern zu. Der „kleine Herr" kann 
die Prügelstrafe mit eigener Hand vollziehen. Er ist 
also Ankläger, Jnquirent, Richter und Büttel in eigener 
Sache und Person. — Der betr. Gesetzentwurf ist vori 
ges Jahr dem Landtage vorgelegt und von der Land 
schaft einstimmig und mit Entrüstung abgelehnt, von der 
Ritterschaft dagegen angenommen und befürwortet wor 
den. Am 18. April d. I. hat ihn die Regierung durch 
Verordnung publizirt. Sie hat sich ein unvergängliches 
Denkmal gesetzt. — Kürzlich machte nun der Großher 
zog Hochzeit. Er vermählte sich mit einer darmstädtischen 
Prinzessiin. Bei seinem Einzug in Darmstadt ward er 
überaus kalt empfangen. Zu seiner Hochzeitsfeier woll 
ten die Bürger und Zünfte weder Auf- noch Fackelzug 
halten, die Sänger wollten nicht singen, die Turner nicht 
Spaliere bilden und Ordnung halten. Jlluminirt wurde 
zwar, aber spärlich. Dem Großherzog konnte der Grund 
der Abneigung, das Prügelgesetz, nicht verborgen bleiben; 
er ward zornig und ließ den Telegraphen heim an seine 
Minister spielen.- „ Wart', ich will Euch Streiche machen, 
wenn ich nicht dÄhekm W !" i Da ertönte zwar augen 
blicklich in der Mecklenburger Hofzeitung eiy großes Ge 
schrei über Verläumdung, die Verordnung- sei nicht so 
bös gemeint, sie sei sogar ein Fortschritt, indem der Bauer 
nun nicht mehri so viele Prügel bekomme als früher. 
Aber wegläugneN laßt sich die Geschichte doch nicht. 
Wie der Aberglaube seinen eignen Herrn schlägt, ist 
aus folgender wahren Geschichte zu ersehen. In der 
Pfarre Geistthal, in Steiermark, lebte ein alter Hage-
	        

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