I Beilage zur Liechtensteiner Landeszeitung Mr. 8.
Landtagsvcrhlludlnugen.
Sitzung vom 29. Febr. 1864.
Gegenstand: Fortsetzung der Berathung über die Ge
meindeordnung, d. i. II. Lesung derselben. Gegenwärtig
13 Abgeordnete, Regierungs>Kommissär v. Hausen; ab
wesend die Abgeordneten Keßler und Emi. (Fortsetzung
zu Beil. Nr. 7.)
H 2 einstimmig angenommen. -- Zusatz aus I. Lesung:
„Die Tragung der Lasten für Rheinschutzbauten
wird durch ein Gesetz geregelt."
Kirchthaler: In Bezug auf diesen Zusatz habe ich
Bedenken, denn überall bei den Rheingemeinden bestehen
alte Ordnungen, Verträge, die eine rechtliche Gültigkeit
erlangt haben. Ich fürchte nun, daß Gemeinden und
Behörden später in Verlegenheit kommen können, wenn
man diesen Satz stehen läßt, oder gar, wenn man diese
Verhältnisse durch allgemeine Gesetze regeln will. Ich
wüßte nicht, was man an Rechten, hergebrachten Uebun
gen mäkeln solle. Ich möchte also jedenfalls noch die
Bestimmung, daß diese alten Rechte geschützt und unbe-
einträchtigt bleiben.
Präs.: Ich muß mich auch gegen diesen Zusatz aus
sprechen. Man mag sich abgefunden haben wie man will,
und mag was immer für gesetzliche Bestimmungen ma
chen, so bleibt das in Z 2 ausgesprochene Prinzip unan
getastet : jede Gemeinde kann nur in ihrer Markung Um
lagen einHeben. Wird es später nothwendig, daß zur
Ausführung von Schutzbauten am Rhein auch noch an
dere Gemeinden als di^ zunächst angrenzenden beitragen,
so werden sich die betr. Gemeinden schon an die Regie
rung wenden, welche alsdann das Weitere veranlassen
wird. Vorläufig sehe ich keinen Grund zum Erlaß eines
Gesetzes für diesen Zweck.
Kind: Ich habe den Antrag gestellt, den fraglichen
Zusatz aufzunehmen. Es gibt wirklich allgemeine Bauten,
zu denen nicht blos die nächsten Gemeinden, sondern das
ganze rückwärts liegende und dadurch geschützte Gebiet ver
pflichtet wären. Halten wir aber das im Gesetz aufge
stellte Prinzip fest, so kann man solche Gemeinden nicht
herbeiziehen.
Kieber: Ich bin auch dafür, daß man diesen Zusatz
fallen lasse. Hr. Kind will wahrscheinlich alle Markun
gen bis zur österreichischen Grenze bei Testers in Mit
leidenschaft ziehen. Die rückwärts liegenden Gemeinden
haben durchaus keinen Nutzen von den Dammbauten.
Wenn man einen starken Damm bei Bendern hat, so
muß der Rhein, wenn er oberhalb einbricht, sich gegen
Mauren wenden.
Krnd: Ich verlange nicht, daß für innere Gemeinde
angelegenheiten fremde Gemeinden Beiträge leisten, son
dern nur für allgemeine Zwecke soll man weiter greifen.
Präs.: Das beschlägt die Bestimmung durchaus nicht;
was Sie verlangen ist in jedem Fall vom Uebereinkom
men der Gemeinde abhängig.
Wolfinger: Ich schließe mich dem Antrage des Hrn.
Kirchthaler an, da die Wuhrlasten zwischen den Gemein
den durch Verträge festgestellt sind.
Präs.: Hr. Kirchlhaler hat keinen Antrag gestellt. Er
hat nur erklärt, daß die Lasten in Bezug auf Rheinbau
ten bereits vertheilt sind; w-r können eine neue Verkei
lung nickt hervorrufen. Das wird sich von selbst machen,
sobald eine oder die andere Gemeinde sich benachtheiligt
gtauvt. Stellen Sie also einen Antrag, mit bloßen Mei
nungen kommen wir zu nichts.
Wolfinger: Ich will nur den Antrag des Hrn.
Kirchthaler unterstützen.
Klrchthaler: Ich habe ja keinen Antrag gestellt, ich
wollte nur dahin wirken, daß man die Sache noch ein
mal bespreche; denn der Antrag des Hrn. Kind scheint
mir darauf hinauszugehen, die zu Recht bestehenden Ver
träge umzustoßen.
Kind: Meine Absicht war nicht, bestehende Verträge
zu stürzen, sondern für jene Fälle eine Bestimmung zu
schaffen, wo man keine Verträge hat.
Reg.-Komm.: Ich stimme Hrn. Kind bei. Setzen
Sie sich in die Lage der Regierung, wenn sie diesen Z
ohne Zusatz anwenden soll. Sie wird in streitigen Fällen
in große Verlegenheiten kommen. Soll sie sich an den
alten Vertrag oder an die Bestimmung des § halten?
Da gibt es jedenfalls Widersprüche. Der Zusatz ist zweck
mäßig. — Ich bin übrigens durchaus dafür, daß man
die Vertrüge aufrecht hält.
Präs.: Ich glaube nicht, daß es Kollisionen gibt. Jede
Gemeinde hat nach Brauch und Herkommen zn wuhren
und zu dämmen; dadurch erwachsen ihr bestimmte Aus
lagen und diese vertheilt sie auf den Grund und Boden
in ihrer Markung.
Fischer: Man vermischt eben zwei Fragen: welche
Lasten treffen auf die einzelnen Gemeinden und welche
treffen auf die Grundstücke einer Gemarkung.
Reg.-Komm.: Ich verwahre mich im Namen der Re
gierung. Die Schwierigkeiten sind einmal da und erfor
dern eine gesetzliche Bestimmung, und dafür ist der Zu
satz vorgeschlagen.
Präs.: Ich bringe den Zusatz zur Abstimmung.
Präs.: 6 Stimmen Reg.-Komm.: Die Her
ren haben es nicht verstanden!
Präs.: 6 Stimmen haben sich erhoben!
Reg.-Komm.: Ich habe das Recht, eine nochmalige
Abstimmung zu verlangen. (Der R.-K. macht den Mit
gliedern die Frage noch etwas deutlicher.)
Präs.: Ich bringe den Satz nochmals zur Abstimmung
7 Stimmen gegen 6.
ZK 3, 4, 5, 6, 7 einstimmig angenommen. (Keßler
tritt in den Saal.)
K 8. Wolfinger: Hier heißt es: „Jene bisherigen
Hintersassen, welche in ihxer dermaligen Ausenthaltsge-
meinde heimatberechtigt sind, erlangen ohne besondere Auf
nahme kraft dieses Gesetzes das Bürgerrecht in ihrem
Wohnorte unter den in K16 enthaltenen Beschränkungen."
Gegen diese Bestimmung lege ich Verwahrung ein, gegen
das, daß man uns Mitbürger, die kein Bürger- und
Heimatrecht haben, aufbürdet, daß man uns zumuthet, sie
anzunehmen. Ich Protestire gegen den H 8, daß die bis
herigen Hintersassen von nun an Bürger seien. Ich
möchte die Autonomie in diesem Punkte gewahrt wissen.