Beilage zur Liechtensteiner Landeszeitnng Nr. S.
Kommiffionsbericht
über den Gemeindegesetzentwurf.
Berichterstatter Abgeordneter Keßler.
Meine Herren!
Der Entwurf eines neuen Gemeindegesetzes ist Ihnen
schon beim Beginne der gegenwärtigen Landtagssession
im Druck mitgetheilt worden. Eine geraume Zeit ist
seitdem verstrichen, und man könnte vielleicht glauben,
daß die zur Prüfung des Gesetzentwurfes bestellte Kom
mission sich nicht mit dem nöthigen Eifer ihrer Arbeit
unterzogen habe. Nichts wäre ungerechter als ein sol
cher Vorwurf. Abgesehen davon, daß die Thätigkeit der
Kommission während der Abwesenheit des landesfürstl.
Kommissärs eine Unterbrechung erlitt, und später durch
anderweitige dringende Landtagsarbeiten in Anspruch ge
nommen wurde, bedürfte es ziemlich viel Zeit um die
große Meinungsverschiedenheit, welche über den vorlie
genden wichtigen Gesetzgebungsgegenstand in der Kom-
Mission selbst herrschte, zu überwinden. Noch mehr! Der
Regierungsentwurf entsprach den Anschauungen der Kom
mission in mehreren wesentlichen Punkten nicht.
Nach längerer Unterhandlung gieng die fürstl. Regie
rung darauf ein, den eingebrachten Gesetzentwurf unter
Berücksichtigung der von der Kommission ausgesprochenen
Wünsche umzuarbeiten. Der neue Entwurf liegt nun
in Ihren Händen.
Der Hauptvorzug der neuen Gemeindeordnung vor
der alten besteht in der Organisation der Gemeindever
waltung. Die freie Wahl der Ortsvorsteher durch die
Gemeindeversammlung, die selbstständige Verwaltung des
Vermögens, die Behandlung und Ordnung des Armen
wesens und der Schule, das Recht der Gemeinde zur
Bürgeraufnahme, ist im Sinne des §. 22 der Landes
verfassung durch das neue Gesetz ausgeführt, die Ver
waltung der Gemeinde einem Gemeinderath zugewiesen.
In einzelnen Fallen tritt ein verstärkter Gemeinderath
ein. Gemeindeversammlungen finden nur in durch das
Gesetz bestimmten Fällen statt.
Nach dem Gemeindegesetz vom t. August 1842 steht
die Leitung des Gemeindewesens dem Ortsrichter und
Säckelmeister zu. Die dem Ortsvorstande beigegebenen
Geschwornen erscheinen bloß als seine Vollzugsorgane,
allerdings sollten sie auch seine nächsten Rathgeber sein,
allein da sie ihm untergeordnet waren und keine beschlie
ßende Stimme hatten, waren sie nur Handlanger des
Ortsrichters. Der Ortsrichter war so zu sagen Allein
herrscher in der Gemeinde, und doch hatte er keineswegs
eine beneidenswerte Stellung. Er mußte mit seiner Per
son alle Angriffe der Gemeinde auf die Gemeindeverwal
tung aushalten, und alle Mißgriffe in Gemeindesachen
vor der höhern Stelle allein vertreten, er war, um es
kurz zu sagen zwischen Thür und Angel gestellt. Selten
fanden sich solche Ortsrichter, welche die Einsicht und
den Muth zu selbstständigem Handeln hatten. Die Orts
richter gebrauchten daher gewöhnlich das Auskunftsmit
tel, daß sie zu ihrer Stellung einen amtlichen Auftrag
holten oder selbst die geringfügigsten Sachen der Gemein
deversammlung zur Beschlußfassung vorlegten. Das eine
wie das andere war von Uebel und es wird Niemand
wunder nehmen, daß unsere Gemeindeverwaltungen eines
guten Rufes sich nicht erfreuten. Weder Ein Mann
allein noch die ganze Gemeinde zusammen soll die Ge
meindeverwaltung führen; es soll auch hier ein vernünf
tiges Repräsentativstem eingeführt werden. Das ge
schieht durch das neue Gemeindegesetz. Die Verwaltung
in jeder Gemeinde ist einem Gemeinderath anvertraut.
Er besteht aus dem Ortsvorsteher, dem Säckelmeister und
3, 5 oder 7 je nach der Größe der Anzahl der Ortsbe
wohner, Gemeinderäthen. Der Ortsvorsteher erhält eine
befestigte Stellung, indem er sowohl der Gemeinde als
der höhern Verwaltungsstelle gegenüber durch die Be
schlüsse des Gemeinderaths gedeckt ist. Der aus mehre
ren Mitgliedern bestehende Gemeinderath gibt aber auch
der Gemeinde die Bürgschaft, daß ihre Interessen allsei
tig gewahrt werden. In wichtigen Fällen erhält der Ge
meinderath noch eine Verstärkung. Die Gemeinde wählt
nemlich in den im Gesetz bestimmten Fällen eine Anzahl
außerordentlicher Mitglieder des Gemeinderaths. Dadurch
wird einerseits eine erhöhte Bürgschaft für sachgemäße
Gemeinderathsbeschlüsse erreicht, andererseits aber die
Theilnahme der ganzen Gemeinde an ihren Angelegenhei
ten rege erhalten.
Die Gemeinde verwaltet ihre Angelegenheiten selbst
ständig und der Staat hat nur das Oberaufsichtsrecht.
Das neue Gesetz enthält ferner die Bestimmung, daß jede
Gemeinde eine abgesonderte Gemarkung haben müsse.
Wenn in dem Gemeindehaushalt und in der Juris
diktion der Gemeinde Ordnung herrschen soll, muß das
Gemeindeterritorium abgegrenzt sein. Feste Gemeinde
grenzen bestanden bisher nicht überall. Die Feststellung
der Gemeindemarkungen, wo solche noch fehlen, ist der
erste Schritt zur Regelung des Gemeindewesens. Es
soll hauptsächlich darnach gestrebt werden, daß die Ge
meindegebiete möglichst arrondirt werden. Zur Ordnung
im Gemeindesteuerwesen ist folgende Bestimmung unum-