Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1864)

Beilage zur Liechtensteiner Landeszeitnng Nr. S. 
Kommiffionsbericht 
über den Gemeindegesetzentwurf. 
Berichterstatter Abgeordneter Keßler. 
Meine Herren! 
Der Entwurf eines neuen Gemeindegesetzes ist Ihnen 
schon beim Beginne der gegenwärtigen Landtagssession 
im Druck mitgetheilt worden. Eine geraume Zeit ist 
seitdem verstrichen, und man könnte vielleicht glauben, 
daß die zur Prüfung des Gesetzentwurfes bestellte Kom 
mission sich nicht mit dem nöthigen Eifer ihrer Arbeit 
unterzogen habe. Nichts wäre ungerechter als ein sol 
cher Vorwurf. Abgesehen davon, daß die Thätigkeit der 
Kommission während der Abwesenheit des landesfürstl. 
Kommissärs eine Unterbrechung erlitt, und später durch 
anderweitige dringende Landtagsarbeiten in Anspruch ge 
nommen wurde, bedürfte es ziemlich viel Zeit um die 
große Meinungsverschiedenheit, welche über den vorlie 
genden wichtigen Gesetzgebungsgegenstand in der Kom- 
Mission selbst herrschte, zu überwinden. Noch mehr! Der 
Regierungsentwurf entsprach den Anschauungen der Kom 
mission in mehreren wesentlichen Punkten nicht. 
Nach längerer Unterhandlung gieng die fürstl. Regie 
rung darauf ein, den eingebrachten Gesetzentwurf unter 
Berücksichtigung der von der Kommission ausgesprochenen 
Wünsche umzuarbeiten. Der neue Entwurf liegt nun 
in Ihren Händen. 
Der Hauptvorzug der neuen Gemeindeordnung vor 
der alten besteht in der Organisation der Gemeindever 
waltung. Die freie Wahl der Ortsvorsteher durch die 
Gemeindeversammlung, die selbstständige Verwaltung des 
Vermögens, die Behandlung und Ordnung des Armen 
wesens und der Schule, das Recht der Gemeinde zur 
Bürgeraufnahme, ist im Sinne des §. 22 der Landes 
verfassung durch das neue Gesetz ausgeführt, die Ver 
waltung der Gemeinde einem Gemeinderath zugewiesen. 
In einzelnen Fallen tritt ein verstärkter Gemeinderath 
ein. Gemeindeversammlungen finden nur in durch das 
Gesetz bestimmten Fällen statt. 
Nach dem Gemeindegesetz vom t. August 1842 steht 
die Leitung des Gemeindewesens dem Ortsrichter und 
Säckelmeister zu. Die dem Ortsvorstande beigegebenen 
Geschwornen erscheinen bloß als seine Vollzugsorgane, 
allerdings sollten sie auch seine nächsten Rathgeber sein, 
allein da sie ihm untergeordnet waren und keine beschlie 
ßende Stimme hatten, waren sie nur Handlanger des 
Ortsrichters. Der Ortsrichter war so zu sagen Allein 
herrscher in der Gemeinde, und doch hatte er keineswegs 
eine beneidenswerte Stellung. Er mußte mit seiner Per 
son alle Angriffe der Gemeinde auf die Gemeindeverwal 
tung aushalten, und alle Mißgriffe in Gemeindesachen 
vor der höhern Stelle allein vertreten, er war, um es 
kurz zu sagen zwischen Thür und Angel gestellt. Selten 
fanden sich solche Ortsrichter, welche die Einsicht und 
den Muth zu selbstständigem Handeln hatten. Die Orts 
richter gebrauchten daher gewöhnlich das Auskunftsmit 
tel, daß sie zu ihrer Stellung einen amtlichen Auftrag 
holten oder selbst die geringfügigsten Sachen der Gemein 
deversammlung zur Beschlußfassung vorlegten. Das eine 
wie das andere war von Uebel und es wird Niemand 
wunder nehmen, daß unsere Gemeindeverwaltungen eines 
guten Rufes sich nicht erfreuten. Weder Ein Mann 
allein noch die ganze Gemeinde zusammen soll die Ge 
meindeverwaltung führen; es soll auch hier ein vernünf 
tiges Repräsentativstem eingeführt werden. Das ge 
schieht durch das neue Gemeindegesetz. Die Verwaltung 
in jeder Gemeinde ist einem Gemeinderath anvertraut. 
Er besteht aus dem Ortsvorsteher, dem Säckelmeister und 
3, 5 oder 7 je nach der Größe der Anzahl der Ortsbe 
wohner, Gemeinderäthen. Der Ortsvorsteher erhält eine 
befestigte Stellung, indem er sowohl der Gemeinde als 
der höhern Verwaltungsstelle gegenüber durch die Be 
schlüsse des Gemeinderaths gedeckt ist. Der aus mehre 
ren Mitgliedern bestehende Gemeinderath gibt aber auch 
der Gemeinde die Bürgschaft, daß ihre Interessen allsei 
tig gewahrt werden. In wichtigen Fällen erhält der Ge 
meinderath noch eine Verstärkung. Die Gemeinde wählt 
nemlich in den im Gesetz bestimmten Fällen eine Anzahl 
außerordentlicher Mitglieder des Gemeinderaths. Dadurch 
wird einerseits eine erhöhte Bürgschaft für sachgemäße 
Gemeinderathsbeschlüsse erreicht, andererseits aber die 
Theilnahme der ganzen Gemeinde an ihren Angelegenhei 
ten rege erhalten. 
Die Gemeinde verwaltet ihre Angelegenheiten selbst 
ständig und der Staat hat nur das Oberaufsichtsrecht. 
Das neue Gesetz enthält ferner die Bestimmung, daß jede 
Gemeinde eine abgesonderte Gemarkung haben müsse. 
Wenn in dem Gemeindehaushalt und in der Juris 
diktion der Gemeinde Ordnung herrschen soll, muß das 
Gemeindeterritorium abgegrenzt sein. Feste Gemeinde 
grenzen bestanden bisher nicht überall. Die Feststellung 
der Gemeindemarkungen, wo solche noch fehlen, ist der 
erste Schritt zur Regelung des Gemeindewesens. Es 
soll hauptsächlich darnach gestrebt werden, daß die Ge 
meindegebiete möglichst arrondirt werden. Zur Ordnung 
im Gemeindesteuerwesen ist folgende Bestimmung unum-
	        

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