Liechtensteiner Sandeszeitung
Zweiter ^alirSanS.
Vaduz, Samstag
Rro. ÄG
10. Dezember 18K4.
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Ein anderes Kapitel vom Gemeinderath.
Wir haben unseren Lesern bereits auseinandergesetzt,
wozu ein Gemeinderath gut ist. Sie wissen, daß damit
dem Regiment des Ortsn'chters ein Dämpfer aufgesetzt
worden ist. Dasselbe gilt aber in gewissem Sinne auch
vom vielköpfigen Regiments der Gemeindeversammlungen.
Wir haben in der vorigen Nummer auf die Nachtheile
der vielen Gemeindeversammlungen hingezeigt. Auch
in diesem Punkte stand es vor dem neuen Gemeindege
setz schlimm. Das alte Gesetz gestattete nur dann Ge
meindeversammlungen, wenn es von dem Regierungsamte
erlaubt oder wenn es demselben wenigstens angezeigt
worden war. Allein das stand nur gedruckt; in hundert
Fällen kümmerte sich Niemand um das Gesetz. Furcht
same, schwachherzige Richter, die es mit Keinem verderben
wollten, ließen wegen jeder Bagatelle Sturm läuten und
die Gemeinde versammeln; dagegen gab es unter den
Richtern auch starke Seelen, die, wie gesagt, alles selbst
abmachten und die Gemeinde gar nicht fragten.
Dieser Wirrwarr ist für die Zukunft unmöglich, wenn
die Gemeindebürger ihre Augen und Ohren offenhalten;
wenn sie nicht gedankenlos hinter dem Gemeinderathe
marschiren, wie eine Schafheerde hinter dem Leithammel;
oder wenn sie sich nicht durch jeden Wühler und Welt
verbesserer ins Feuer treiben lassen.
Die neue Gemeindeordnung schreibt im §. 4t vor,
wann eine Gemeindeversammlung gehalten werden muß:
1) zur Wahl des Gemeinderaths,
2)
3)
4)
5)
Schul- und Kirchenraths,
verstärkten Gemeinderaths,
„ Rechnungsausschusses,
„ „ „ Pfarrers oder Lehrers, wenn die
betreffende Gemeinde dazu berechtigt ist,
6) zur Aufnahme eines neuen Gemeindebürgers; —
und, nun kommt die Hauptsache,
7) die Gemeindeversammlung muß einbe
rufen werden, so oft es A aller stimm
fähigen Bürger nnd Niedergelassenen verlangt.
Also im neuen Gesetze ist die Gemeinde etwas einge
schränkt ; es ist dem Wühlen und Scharmuziren ein Rie
gel vorgeschoben. Aber die Gemeinde ist durchaus nicht
mundtodt gemacht, sie hat ihr Recht nicht auf 3 Jahre
an einen Gemeinderath verkauft. Der vernünftige und
gutdenkende Bürger hat jederzeit das Heft in der Hand,
um das Beste seines Dorfes zu behüten, oder eine dro
hende Gefahr abzuwenden. Und es ist sehr gut, ja es
ist unumgänglich nothwendig, daß man den Bürgern
dieses Heft in der Hand läßt. Es gibt Länder, wo die
Gemeinderäthe schon seit alter Zeit bestehen. Da hat
sich's bewiesen, daß auch Gemeinderäthe nicht immer
auf dem Wege der Tugend wandeln. Sie haben hie
und da gar schlimme Händel zuweg gebracht. So z. B.
kann es sich treffen, daß die Gemeinderäthe weitläufige
Verwandte, oder Männer einer Partei sind. Sie bla
sen in ein gemeinsames Hörnlein und nun ist es um
kein Haar besser, ja noch schlimmer, als wenn der Rich
ter die Alleinherrschaft führt. Solches Regiment heißt
man hierzulande „MagnatenHerrschaft".
Auch der Magnatenherrschaft ist also vorgebeugt. Die
Gemeinde hat laut Ziffer 7 des §.41 unter allen Um
ständen das Recht die Gewaltthätigkeit oder Mißregierung
eines Gemeinderaths abzuwehren. Sieht ein Bürger
solch' unsauberes Treiben, so geht er hin und wirbt un
ter seinen 120 oder 300 Mitbürgern bis er 20 oder
50 Männer hat, die mit ihm gleichen Sinnes sind. Sie
schreiben den Antrag nieder, daß fke eine „Gemeinde"
wünschen. Diese Schrift wird von ihnen unterzeichnet
und zum Vorsteher gebracht — und binnen 3 Tagen
muß — die „Gemeinde" berufen werden. — Nächstens
ein Stück vom verstärkten Gemeinderath.
-s Franz Josef Oehri,
k. k. General-Auditor.
Wir haben unsern Lesern den Tod eines Landsman
nes zu berichten. Am 30. Oktober d. Js. starb zu Güns
in Ungarn der k. k. General-Auditor Hr. Fr. I. Oehri,
seiner Geburt ein Liechtensteiner. Er stammte von Mau
ren und war ein Zeitgenosse des sel. Rektors Kaiser.
Ueber den Lebenslauf des Verstorbenen bringt die „Vor
arlberger Landeszeitung" eine Mittheilung des vorarl
berger Geschichtsforschers Dr. Bergmann in Wien. Oehri
zählte nach dem Urtheile des Verfassers „zu den edelsten
Söhnen des Landes". Vom Gymnasium zu Feldkirch
ging er 1810 nach Wien, fand aber an den damaligen
philosophischen Studien in Wien kein Gefallen und
wandte sich deshalb nach Landshut und Heidelberg, um
die Rechtswissenschaft zu studieren. Liechtenstein konnte
ihm keine Anstellung geben, seine Rechtsstudien ließ man
in Oestreich nur für das Auditoriat gelten: und so blieb
ihm nur dieser Beruf. 1819 wurde er Auditor und