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Land- und Hanswirthschaftliches.
Das Ausputzen und Reinigen der Obstbäume.
11,
* Nachdem im Allgemeinen Nothwendigkeit und Nutzen
)es Ausputzens und Reinigens der Obstbäume dargethan
worden, soll nun eingehender gezeigt werden, was bei
genannten Verrichtungen entfernt werden soll.
1. Es sind wegzunehmen alle dürren oder nur
vürftig treibenden und kränkelnden Aeste und
Zweige, sowie das abgestorbene Fruchtholz.
Fruchtholz nennt man die an den Aesten seitlich stehenden
kurzen Zweige, an welchen sich Fruchtknospen befinden,
aus denen Blüthen und Früchte sich entwickeln. Wenn
dieses Frucktholz mehrmals, getragen hat, wird es nach
und nach dürr und nützt den Baum nichts mehr. Krän
kelnde Aeste verschone man nicht, in der Meinung, daß
sie sich wieder erholen werden, was selten der Fall ist;
ihre Wegnahme nützt aber den gesunden Aesten, indem
es bei diesen besseres Wachsthum bewirkt.
2. Nehme man weg alle zu dicht stehenden,
überflüssigen Zweige und Aeste; dadurch gewin
nen die stehen bleibenden an Kraft und Fruchtbarkeit und
die Baumkrone wird licht und durchlassend.
3. Entferne man alle Aeste und Zweige, die
sich kreuzen uud sich deswegen reiben und berüh
ren. Durch dieses Reiben, besonders der Aeste, entste
hen an den Berührungsstellen Verwundungen, woraus
Krankheiten, namentlich der Brand, sich entwickeln, wo-
durch öfters die Aeste absterben oder selbst der ganze
Baum zu Grunde geht.
Schneide man weg alle in die Krone hin
einwachsenden Zweige und Aeste; dies gibt er
sterer Regelmäßigkeit. Eine regelmäßige Baumkrone muß
nämlich so beschaffen fein, daß man darin herum klettern
kann, ohne hiebei von den Zweigen und Aesten viel ge
hindert zu werden.
5. Sind zu entfernen alle Zweige und Aeste,
welche in die Krone anderer Bäume hinein
wachsen; der Grund ist der gleiche wie bei Ziffer 3.
Freilich sollte man diesem Uebelstande schon beim Setzen
der Baume vorbeugen durch weitere gegenseitige Ent
fernung derselben.
6. Nehme man weg alle zu weit nach unten
hängenden Zweige und Aeste, damit man unter
den Bäumen ungehindert weggehen und arbeiten kann,
und damit zugleich dem mühelosen Obstdiebstahl vorge
beugt werde; denn wenn Einem die Früchte gar in den
Mund hängen, ist die Versuchung, davon zu nehmen,
fast zu groß. An Straßen und auf Aeckern ist es ohne
hin nothwendig, den Baumstamm etwas höher als sonst
zu pflanzen.
7. Sind wegzunehmen in der Regel wilden Triebe,
Wasser lodenodersogenanntenWasserschosse.
Ich sage: in der Regel, d. h., wenn der Baum sonst
noch ein gehöriges Wachsthum zeigt. Macht er aber an
den Spitzen der Aeste keine neuen Holztriebe mehr und
kommen in Folge dessen an den untern Theilen der Aeste
oder am Stamme Wasserloden häufig vor, so ist dies ein
Zeichen, daß der Baum seinen Saft in die äußersten
Spitzen nicht mehr zu treiben vermag und deshalb ver
jüngt werden muß, wozu eben die Wasserloden sich sehr
gut eignen. Dient ein solches Wasserschoß bei einem
sonst gesunden Baume zur Ausfüllung einer Lücke in
der Baumkrone, so schneide man dasselbe etwas zurück
und lasse es sich zu einem Aste entwickeln. Daß die
aus Wasserschossen entstandenen Aeste unfruchtbar blei
ben sollen, ist eine irrige thatsächlich längst widerlegte
Meinung.
8. Zu entfernen sind die Wurzel- und Stamm
ausläufer (die sogenannten Räuber), d. h. jene
Schosse, welche aus dem Wurzelhals und aus dem
Stamme hervorwachsen. Manche Bäume, namentlich
die aus dem Walde geholten schon größeren Wildstämme
machen häufig derartige wilde Triebe. Läßt man diese
ungestört verwuchern, so beeinträchtigen sie das Wachs
thum der über ihnen befindlichen Baumtheile sehr. Sie
sind daher fleißig wegzuschneiden aber nicht wegzureißen;
denn durch letzteres wird der Baum meistens verwundet,
indem gewöhnlich ein Stück Rinde mit weggerissen wird.
9. Entferne man alle Schmarotzerpflanzen,
als: Misteln, Epheu und andere Schlingplan -
zen, Moose, Flechten und Schwämme; denn sie
entziehen dem Baum Säfte und sind zum Theil Schlupf
winkel der Insektenlarven Die Baummistel muß aus
den Stammtheilen und Aesten, wo sie sich festgesetzt hat,
förmlich mit ihrer Wurzel herausgeschnitten werden, wenn
man sie vertilgen will. Die entstandene Wunde ist
zu verstreichen. Moose und Flechten auf der Baum
rinde sind am leichtesten nach Regenwetter zu ent
fernen; Swchämme sind wegzuschneiden. Moose und
Schwämme zeigen sich häufig bei Bäumen auf schattigem
oder feuchten Standorte; in diesem Falle müssen erst die
Grundursachen des Uebels — Schatten und Feuchtigkeit
-— wenn es möglich ist, entfernt werden. Ein gehöriges
Auslichten der Krone kann der Beschattung des Baumes
durch sich selbst abhelfen.
10. Kratze man die alte abgestorbene Rinde
ab an Stamm und Aesten, besonders wenn sie feucht
und faulig ist. Dies Geschäft soll in der Regel im
Frühjahr ausgeführt werden und läßt sich am leichtesten
nach einem Regen abmachen. Hiebei ist aber sorgsam
zu verfahren, damit man nicht die gesunde Rinde oder
gar den Splint verletze; wo solches dennoch geschehen,
ist die Wunde sogleich zu verstreichen. Ein zeitweiliges
Ueberbürsten der Baumrinde mit einem Gemisch von
Gülle und Wasser ist sehr zu empfehlen, weil hiedurch
die Rinde gereinigt und ihre Thätigkeit zu Gunsten des
Baumes neu belebt wird.
Die beim Abkratzen der Rinde und des Mooses sich
ergebenden Abfälle lasse man aber nicht unter den Bäu
men liegen, sondern sammle sie sorgsam auf und ver
brenne sie, damit die darin enthaltenen Insektenlarven
mit vertilgt werden.
11. Entferne man zeitig im Frühling die Raupen
nester von den Bäumen und sorge durch Verbrennen
oder sonstwie dafür, daß die Raupen nicht zum Aus
kriechen kommen. Freilich sollte das Sammeln der Rau
pennester eine allgemeine Verpflichtung sein; denn wenn
dies nur einige Baumbesitzer thun, die meisten es aber