Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1864)

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Land- und Hanswirthschaftliches. 
Das Ausputzen und Reinigen der Obstbäume. 
11, 
* Nachdem im Allgemeinen Nothwendigkeit und Nutzen 
)es Ausputzens und Reinigens der Obstbäume dargethan 
worden, soll nun eingehender gezeigt werden, was bei 
genannten Verrichtungen entfernt werden soll. 
1. Es sind wegzunehmen alle dürren oder nur 
vürftig treibenden und kränkelnden Aeste und 
Zweige, sowie das abgestorbene Fruchtholz. 
Fruchtholz nennt man die an den Aesten seitlich stehenden 
kurzen Zweige, an welchen sich Fruchtknospen befinden, 
aus denen Blüthen und Früchte sich entwickeln. Wenn 
dieses Frucktholz mehrmals, getragen hat, wird es nach 
und nach dürr und nützt den Baum nichts mehr. Krän 
kelnde Aeste verschone man nicht, in der Meinung, daß 
sie sich wieder erholen werden, was selten der Fall ist; 
ihre Wegnahme nützt aber den gesunden Aesten, indem 
es bei diesen besseres Wachsthum bewirkt. 
2. Nehme man weg alle zu dicht stehenden, 
überflüssigen Zweige und Aeste; dadurch gewin 
nen die stehen bleibenden an Kraft und Fruchtbarkeit und 
die Baumkrone wird licht und durchlassend. 
3. Entferne man alle Aeste und Zweige, die 
sich kreuzen uud sich deswegen reiben und berüh 
ren. Durch dieses Reiben, besonders der Aeste, entste 
hen an den Berührungsstellen Verwundungen, woraus 
Krankheiten, namentlich der Brand, sich entwickeln, wo- 
durch öfters die Aeste absterben oder selbst der ganze 
Baum zu Grunde geht. 
Schneide man weg alle in die Krone hin 
einwachsenden Zweige und Aeste; dies gibt er 
sterer Regelmäßigkeit. Eine regelmäßige Baumkrone muß 
nämlich so beschaffen fein, daß man darin herum klettern 
kann, ohne hiebei von den Zweigen und Aesten viel ge 
hindert zu werden. 
5. Sind zu entfernen alle Zweige und Aeste, 
welche in die Krone anderer Bäume hinein 
wachsen; der Grund ist der gleiche wie bei Ziffer 3. 
Freilich sollte man diesem Uebelstande schon beim Setzen 
der Baume vorbeugen durch weitere gegenseitige Ent 
fernung derselben. 
6. Nehme man weg alle zu weit nach unten 
hängenden Zweige und Aeste, damit man unter 
den Bäumen ungehindert weggehen und arbeiten kann, 
und damit zugleich dem mühelosen Obstdiebstahl vorge 
beugt werde; denn wenn Einem die Früchte gar in den 
Mund hängen, ist die Versuchung, davon zu nehmen, 
fast zu groß. An Straßen und auf Aeckern ist es ohne 
hin nothwendig, den Baumstamm etwas höher als sonst 
zu pflanzen. 
7. Sind wegzunehmen in der Regel wilden Triebe, 
Wasser lodenodersogenanntenWasserschosse. 
Ich sage: in der Regel, d. h., wenn der Baum sonst 
noch ein gehöriges Wachsthum zeigt. Macht er aber an 
den Spitzen der Aeste keine neuen Holztriebe mehr und 
kommen in Folge dessen an den untern Theilen der Aeste 
oder am Stamme Wasserloden häufig vor, so ist dies ein 
Zeichen, daß der Baum seinen Saft in die äußersten 
Spitzen nicht mehr zu treiben vermag und deshalb ver 
jüngt werden muß, wozu eben die Wasserloden sich sehr 
gut eignen. Dient ein solches Wasserschoß bei einem 
sonst gesunden Baume zur Ausfüllung einer Lücke in 
der Baumkrone, so schneide man dasselbe etwas zurück 
und lasse es sich zu einem Aste entwickeln. Daß die 
aus Wasserschossen entstandenen Aeste unfruchtbar blei 
ben sollen, ist eine irrige thatsächlich längst widerlegte 
Meinung. 
8. Zu entfernen sind die Wurzel- und Stamm 
ausläufer (die sogenannten Räuber), d. h. jene 
Schosse, welche aus dem Wurzelhals und aus dem 
Stamme hervorwachsen. Manche Bäume, namentlich 
die aus dem Walde geholten schon größeren Wildstämme 
machen häufig derartige wilde Triebe. Läßt man diese 
ungestört verwuchern, so beeinträchtigen sie das Wachs 
thum der über ihnen befindlichen Baumtheile sehr. Sie 
sind daher fleißig wegzuschneiden aber nicht wegzureißen; 
denn durch letzteres wird der Baum meistens verwundet, 
indem gewöhnlich ein Stück Rinde mit weggerissen wird. 
9. Entferne man alle Schmarotzerpflanzen, 
als: Misteln, Epheu und andere Schlingplan - 
zen, Moose, Flechten und Schwämme; denn sie 
entziehen dem Baum Säfte und sind zum Theil Schlupf 
winkel der Insektenlarven Die Baummistel muß aus 
den Stammtheilen und Aesten, wo sie sich festgesetzt hat, 
förmlich mit ihrer Wurzel herausgeschnitten werden, wenn 
man sie vertilgen will. Die entstandene Wunde ist 
zu verstreichen. Moose und Flechten auf der Baum 
rinde sind am leichtesten nach Regenwetter zu ent 
fernen; Swchämme sind wegzuschneiden. Moose und 
Schwämme zeigen sich häufig bei Bäumen auf schattigem 
oder feuchten Standorte; in diesem Falle müssen erst die 
Grundursachen des Uebels — Schatten und Feuchtigkeit 
-— wenn es möglich ist, entfernt werden. Ein gehöriges 
Auslichten der Krone kann der Beschattung des Baumes 
durch sich selbst abhelfen. 
10. Kratze man die alte abgestorbene Rinde 
ab an Stamm und Aesten, besonders wenn sie feucht 
und faulig ist. Dies Geschäft soll in der Regel im 
Frühjahr ausgeführt werden und läßt sich am leichtesten 
nach einem Regen abmachen. Hiebei ist aber sorgsam 
zu verfahren, damit man nicht die gesunde Rinde oder 
gar den Splint verletze; wo solches dennoch geschehen, 
ist die Wunde sogleich zu verstreichen. Ein zeitweiliges 
Ueberbürsten der Baumrinde mit einem Gemisch von 
Gülle und Wasser ist sehr zu empfehlen, weil hiedurch 
die Rinde gereinigt und ihre Thätigkeit zu Gunsten des 
Baumes neu belebt wird. 
Die beim Abkratzen der Rinde und des Mooses sich 
ergebenden Abfälle lasse man aber nicht unter den Bäu 
men liegen, sondern sammle sie sorgsam auf und ver 
brenne sie, damit die darin enthaltenen Insektenlarven 
mit vertilgt werden. 
11. Entferne man zeitig im Frühling die Raupen 
nester von den Bäumen und sorge durch Verbrennen 
oder sonstwie dafür, daß die Raupen nicht zum Aus 
kriechen kommen. Freilich sollte das Sammeln der Rau 
pennester eine allgemeine Verpflichtung sein; denn wenn 
dies nur einige Baumbesitzer thun, die meisten es aber
	        

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