Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1863)



Vaduz, Samstag 
Rro. R S. 

den 29. August 1863 
Dieses Blatt erscheint monatlich regelmäßig 2mal, nur zur Zeit der Landtagsverhandlungen öfter, und kostet für das Fürsten" 
thum Liechtenstein ganzjährig 1 ff., auswärts 1 fl. 50. — Einrückungsgebühr für die gespaltene Zeile 4 Nkr., im Wiederholungsfalle 
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Der deutsche Fürftentag zu Frankfurt. 
Vaduz, 25. August. Die Zusammenkunft der deut 
schen Fürsten wurde auf eine glänzende Weise gefeiert 
— würdig der geschichtlichen Erinnerungen an die Pracht 
der alten Kaiserkrönungen. Die meisten Fürsten des deut 
schen Vaterlandes sind auf dle Einladung des Kaisers 
Franz Josef nach Frankfurt gekommen; nur Preußens 
König, den der Kaiser wiederholt eingeladen hat, und 
dem die versammelten Fürsten noch einen besonderen Bo 
ten, den König von Sachsen, schickten, ist ausgeblieben. 
Er mag wohl recht ärgerlich geworden sein, wenn er in 
den Zeitungen liest, wie die verfassungstreuen und Volks- 
freundlichen Fürsten von Oestreich, Bayern, Baden und 
Koburg mit ungeheuerem Jubel empfangen wurden; er 
hätte keine Blumensträuße und stürmische Hochrufe zu er 
warten gehabt, sowenig als der gesinnungsgleiche Kur 
fürst von Hessen! Doch wozu immer und immev nur 
den König von Preußen? Es gibt wohl Angenehmeres 
zu schreiben. 
Schon die Hinfahrt des Kaisers nach Frankfurt glich 
einem Triumphzug; auf allen Bahnhöfen wurde er ju 
belnd begrüßt und beglückwünscht, daß er es gewagt hatte, 
den Bann zu durchbrechen, der um die deutschen Für 
sten gezogen war, daß durch ihn die heißesten Wünsche 
aller deutschen Patrioten nun einmal auch von den Für 
sten der Nation als berechtigt und dringend anerkannt 
werden. Früher war es ja bekanntlich anders; wer von 
einem deutschen Gesammtvaterland träumte, war in vielen 
Staaten ein Hochverräther, und wurde mit Ketten und 
Kerker bedroht! 
Ein Glanzpunkt der Empfangsfeierlichkeiten in Frank 
furt war der Abend des 17. August, an dem die Stadt 
den versammelten Fürsten ein Bankett im allen Kaiser 
saal gab. Wie Ströme ergoß sich das Volk von den 
Bahnhöfen in die zum Römerberg führenden Straßen 
und diesen Platz selbst so dicht, daß, wie das Sprichwort 
sagt, kein Apfel zur Erde fallen konnte. An den Fen 
stern hatte ein Kranz von Damen Play genommen, und 
auf den Dächern selbst saßen muntere Bürschchen und 
schrieen ihr Hoch in die Luft. Präzise 6 Uhr erfolgte 
die Anfahrt der Fürsten: zuerst die von Kurhessen, Nas 
sau, Darmstadt. _ Soweit hatte sich das Volk ruhig ver 
halten, als es aber des Herzogs von Koburg ansichtig 
wurde, brach ein Jubelsturm los, der nicht zu beschreiben 
ist. Die neue Kräme entlang fuhr er durch einen Blu 
menregen bis zum. Römer. Auf ihn folgte, die Reihe 
der kleinern Fürsten mit ihren Adjutanten, die ruhig ohne 
Zeichen der'Sympathie zu erhalten, vorfahren konnten. 
Als aber der Großherzog von Baden erschien, brach der 
Jubel wieder los. Zuletzt kam der Mann des Tages, 
der Kaiser, überall mit den feurigsten Huldigungen em 
pfangen. In dem Augenblick, als er am Portal des 
Römer ausstieg, flatterten, durch wessen Aufmerksamkeit 
ist noch nicht bekannt, drei weiße Tauben über ihm. Daß 
die am Römer als Ehrenwache aufgestellte Kompagnie 
Frankfurter Militär mit Fahne die HonneurS machte, 
und die Musik die östreichische Nationalhymne spielte, 
wollen wir nicht vergessen. Die Fürsteil in der Römer 
halle von einer Senatsdeputation, und oben im Rondel 
von dem ältern Bürgermeister empfangen, traten, nach 
dem sie alle beisammen waren, durch das frühere Wahl 
zimmer der deutschen Kaiser in den Kaisersaal, wo sie 
an der Tafel Platz nahmen, welche ein Viereck bildete, 
dessen Seite nach dem Wahlzimmer nicht ganz geschlossen 
war. Durch Kronleuchter und Kandelaber hatte der 
Saal einen Glanz erhalten, der an die Erzählungen aus 
„Tausend und einer Nacht" erinnert. Am Fenster in 
der Mitte des Saales, gerade unter dem Bilde des Kai 
sers Josef, saß Franz Josef, ihm zur Rechten der König 
von Bayern, zur Linken der König von Sachsen u. s. 
w. Gegenüber hatten die Senatoren Platz genommen. 
Der erste Trinkspruch galt den „Fürsten u. freien Städten 
Deutschlands" begleitet von dem Wunsche, „daß die Zu^ 
sammenkunft zum Heile des gemeinsamen Vaterlands ge 
reichen möge", und ausgebracht vom Frankfurter Bürger 
meister. Der Kaiser antwortete mit einem Hoch auf 
„Frankfurt". 
Allmählig wurde die Stimmung ruhiger und wich 
ernsteren Gedanken. Man betrachtet sich die Vorschläge 
deS Kaisers. An der Bundeöfpitze soll künftig ein Di- 
rectorium aus 5 Mitgliedern nebst einem Bundesrath 
stehen. Diese berufen eine Abgeordnetenversammlung, 
welche von den Landtagen der einzelnen Staaten erwählt 
wird. Die Beschlüsse dieser Versammlung sind durch die 
Fürstenversammlung zu genehmigen. Gemeinsame Ver 
tretung nach Außen, Leitung der Militärangelegenheiten 
und der Zoll- und Handelssachen sind dem Direktorium 
besonders zugewiesen, u. s. f. Nach diesen Vorschläge;? 
würde auch Liechtenstein einen Abgeordneten nach Frank- 
furt zu schicken haben; und die Zollfrage wäre unseren) 
subjektiven Ermessen ebenfalls entzogen. — Die Urtheil« 
über die Reformvorschläge sind noch ziemlich verwirrt : 
man wird sich erst nach Abschluß der Fürstenversammlung 
in der Sache zurecht finden können. 
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