Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1863)

Außer einem Beitrag zum Vorschuß- oder Reservefonds 
und zu den Verwaltungsspesen übernehmen sie noch die 
' Verbindlichkeit, zur Deckung der alljährig vorgekommenen 
Schäden nach Verhältniß ihrer Versicherungssumme bei 
zutragen. Dieser Grundsatz scheint in theoretischer Be 
ziehung den Versicherten manche Vortheile darzubieten, 
und wird besonders deshalb populär, weil er jede Idee 
von Gewinn für die Gesellschaft zurückweist, und dem 
Versicherten die größte Garantie für die Entschädigung 
leistet, indem denn doch eine gleichzeitige Beschädigung 
aller Mitglieder nicht denkbar ist und die Nichtbeschädig- 
ten ohne Rücksicht auf die Höhe des Umlagsbetrages ge 
halten sind, den erlittenen Schaden ihrer verunglückten 
Mitglieder zu decken. Allein in der praktischen Ausfüh 
rung kommen eine Anzahl Mängel zum Vorschein. Das 
Mangelhasteste solcher Institute liegt in der Unbestimmt 
heit der jährlich von den Mitgliedern zu entrichtenden 
Quote, da es unmöglich ist, die sich ergeben könnenden 
Schäden zum Voraus zu bestimmen, und würde hiefür, 
wie dies einige Gesellschaften versuchten, ein gewisser 
nicht zu überschreitender Betrag bestimmt, so würden bei 
großen, dies Marimum übersteigenden Schäden die Be 
troffenen nur einen theilweisen Ersatz bekommen. Gerade 
solche Anstalten werden aber häufig von großen Unglücks 
fällen heimgesucht, was als eine weitere Folge der ihrem 
Prinzip innewohnenden Mannhaftigkeit zu betrachten 
ist, denn da sie weder Versicherungsanträge zurückweisen, 
noch die allzusehr angehäuften Risikos durch Rückversiche 
rungen vermindern, so sind sie oft an einem und dem 
selben Punkte mit großen Summen bloßgestellt, und ein 
Brand an solchen Orten kann alsdann für sie die schreck 
lichsten Folgen haben, wobei sie nicht einmal durch die 
Eventualität minderer Schäden anderwärts Ersatz finden 
können, da die wechselseitigen Anstalten in der Regel ihre 
Wirkungssphäre nur auf einzelne Provinzen oder Kreise 
ausdehnen. Das bei wechselseitigen Anstalten mit Recht 
getadelte Unterlassen einer gewissen Berücksichtigung solid 
gebauter und gedeckter Gebäude im Vergleiche zu schlech 
ten ganz von Holz erbauten und mit Schindeln oder 
Stroh bedeckten Wohnungen, stellt ferner die Thatsache 
heraus, daß der Besitzer solider Gebäude gegen Recht u. 
Billigkeit bei Herausstellung der jährlichen Quote mit 
dem Besitzer schlechter Lokalitäten entweder auf dem glei 
chen Fuße steht, oder wenigstens sehr unverhältnißmäßig 
begünstiget wird; und die letzte Rüge endlich, welche die 
sen Anstalten gemacht werden muß, betrifft die Beschrän 
kung ihrer Garantie auf Gebäude allein, indem sie Mo- 
bilien und Waaren hievon ausschließt, wodurch aber das 
Privat-Eigenthum und der Handel beeinträchtiget und 
ihr heilsames Wirken einseitig wird. 
Stellen wir nun nach Vorgehendem einen Vergleich 
mit den Aktien-Gesellschaften an, so sind die Vortheile, 
welche diese letzteren in weit größerem Maßstabe dem 
Publikum darbiethen, in die Augen fallend, sie bestimmen 
zum voraus und im Verhältniß der versicherten Summe 
eine Gebühr oder Prämie, welche selbst für den Aernisten - 
leicht erschwinglich ist; sie erhöhen die dem Publikum dar 
gebotenen Bürgschaften, durch eine sorgfältige Auswahl 
Druck von Z. Grast' 
ihrer Risikos und durch zweckmäßige Verminderung der 
selben durch anderweitige Deckungen; dadurch wird ihre 
Lage so befestiget, daß sie selbst bei großen Bränden nie> 
mals aus dem Gleichgewicht kommen, und sie können den 
Unglücklichen durch augenblickliche Entschädigungsleistung 
die Mittel an die Hand geben, ihre Wohnungen ohne 
Aufschub wieder aufzubauen, und ihren Handel und Ver 
kehr ohne Unterbrechung fortzuführen; sie beschränken 
ferner ihr heilsames Wirken nicht auf Gebäude allein, 
sondern dehnen dasselbe auf Mobilien, Waaren, Ernten 
zc. aus, und biethen endlich dem Besitzer solider Lokalitä 
ten insbesondere, materielle Vortheile dar, die volle Be 
rücksichtigung verdienen; durch ein weises Klassifikations- 
System und Berücksichtigung der vorhandenen Löschan 
stalten, so wie der Lage, Bauart und des Gebrauches, 
beträgt nämlich die hierauf entfallende Prämie, weit weni 
ger, als selbst in den glücklichsten Jahren die Quote bei 
den auf Wechselseitigkeit gründenden Anstalten. 
Schaan, am 16. Juni 1863. 
Ch. Wanger. 
(Fortsetzung folgt.) 
Gewerbe. Die Gewerbsektion des volkswirtschaft 
lichen Vereins hat ein Gesuch um baldige Erlassung ei 
nes Gewerbegesetzes auf Grundlage des Prinzips der Ge- 
werbfreiheit bei der fürstl. Regierung eingereicht, mit der 
Bitte, daß der Gesetzentwurf, ehe er dem Landtage vor 
gelegt wird, der Gewerbesektion zur Begutachtung mitge 
theilt werden möchte. Ein weiteres Gesuch um Errichtung 
einer Winterbau gewerkschule ist vorbereitet. Nach 
dem entworfenen Plane würde sich die Gewerkschule an 
die Realschule anschließen. Wir behalten uns vor diesen 
Gegenstand nächstens eingehender zu besprechen. .1. 
Verschiedenes. 
Ein gräßliches Unglück hat sich in einer Steinkoh- 
lengrube zu Grand Eroir in Frankreich zugetragen. 
Durch Entzündung des „schlagenden Wetters" kamen 
sämmtliche Arbeiter, welche in zwei, etwa 950 Fuß tie 
fen Schachten beschäftigt waren, um. Bis jetzt hat man 
gegen 50 Leichen zu Tage gefördert. Da die Unglück 
lichen der hohen Wärme wegen beinahe völlig nackt ar 
beiteten, so wurden sie durch die Erplosion am ganzen 
Körper mit einem feinen Kohlenstaube überschüttet, der 
tief in die Haut eindrang und sämmtliche Leichen voll 
kommen schwarz färbte. Unbeschreiblich ist das herzzer 
reißende Schauspiel, das der Eingang des Schachtes dar 
bot, als die Leichen nach und nach herausgebracht und von 
ihren Angehörigen kaum noch erkannt wurden. (Schw. M.) 
Silberkurs. 
Freitag, den 19. Zum Il0.50 
Mittwoch, den 24. Zum 110.50- 
Herausgegeben von G. Fischer. 
Verantwortlicher Redaktor: vr. Schädler. 
Die nächste 9tr. erscheint Samstag den II. Juli. 
Nächste Woche Gesetzblatt Ätr. 2. 
Wittwe in Feldkirch.
	        

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