Vaduz, Samstag
Nro. S.
den 2V. Juni 1863.
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Die Lage in Nordamerika.
Die letzte große Schlacht am Rappahannok, wobei
die Bundesarmee mehr als 20,990 Mann verlor, brachte
den südlichen Rebellen wenig Vortheil, ihre Armee hatte
nicht minder starke Verluste erlitten, so daß sie die Ver
folgung der Bündischen aufgeben mußte. Die Opfer,
welche dieser Krieg an Geld und Menschenleben bisher
gefordert hat, sind wahrhaft ungeheuer. Man berechnet
die Verluste der Nordstaaten von Anfang des Krieges
bis Ende 1862: 44,000 Mann auf dem Schlachtfelde
getödtet, 250,000 Mann an Wunden und Krankheiten
gestorben, 97,000 Mann Verwundete, 69,000 Gefangene.
Das sind nahe eine halbe Million, und dennoch hat
der Bund noch eine Armee von vielleicht 300,099 Mann
im Felde. — Die Nordstaaten hatten beim Beginn des
Krieges keine Schulden und nun ist ihnen eine Last von
vielleicht 4900 Mill. fl. ausgeladen.
Und trotzdem sind das Vertrauen und die Hoffnung
im Norden noch lange nicht ersterben. Es ist noch keine
Rede davon, den Kampf aufzugeben. Wohl gibt es eine
gewisse Partei, welche es im Geheim mit dem Süden
hält und welche durch Verrath und Wühlereien der Union
schon unsäglichen Schaden zugefügt hat. Diese Partei
verliert aber täglich mehr an Gewicht und wird überwo
gen von dem Kerne des amerikanischen Volks, welcher
entschlossen ist, den Kampf fortzuführen, bis der Bestand
der einst so herrlichen Union gesichert und die Sklaverei,
dieser Fleck im Sternenbanner, getilgt ist.
Die Hoffnung der Nordstaaten wird nicht getäuscht
werden. Ein Blick auf den Schauplatz des Krieges zeigt,
daß der Süden keinen Zoll einmal verlorenen Boden zu
rückerobert hat. Was der Norden eimal gewonnen hat,
das behält er. Die Südländer sind von allen Seiten
umstellt, im Osten, im Westen und im merikanifchen
Busen, und das eigentliche Rebellennest, Vicksburg, ist
vom General Grant in den letzten Wochen völlig abge
schnitten und eingeschlossen worden, es läßt sich, trotz der
heldenmüthigen Vertheidigung, nicht lange halten, wenn
nicht bald Entsatz kommt. Endlich der schwerste Schlag,
der den Süden betroffen hat, das ist der Tod des Ge
nerals Jackson. Eine halbe Armee mag diesen Verlust
nicht aufwiegen, den Verlust dieses großen Kriegshelden,
dessen Tüchtigkeit und Charakterfestigkeit von Freund und
Feind neidlos anerkannt wurde.
Der Zehent.
Die Zehentablosungöfrage beschäftiget gegenwärtig Be
hörden, Gemeinden und Privaten in unserem Ländchen.
Es dürfte daher nicht ungeeignet fein, über diese Frage
einige Aufklärung vom Standpunkte des Rechtes und
alter Uebung vorzulegen, da noch manche irrige Ansicht
darüber obzuwalten scheint.
Eine kurze geschichtliche Darstellung des Zehentens
soll das begründete und allgemein anerkannte Recht des
selben festsetzen. Dies gilt hier vorzugsweise für den
kirchlichen Zehenten.
Der Zehent, den das kanonische oder Kirchenrecht
vorschreibt, ist derselbe Zehent, der seinem Wesen nach
schon in dem gottgläubigen Gemüthe des Menschen wur
zelt, insofern sich Jeder schon in seinem Gewissen ver
pflichtet fühlt, dem Herrn, der seinem menschlichen Fleiße
Gedeihen gibt, sich dankbar zu beweisen, und diesen Tri
but der Dankbarkeit an Gottes Statt der Kirche und
ihren Dienern zuzuwenden. Aus diesem Dankbar
keitsgefühle entstand der Zehent schon im alten Bunde,
anfangs in der Form von freiwilligen Abgaben,
bis er auf Gottes Geheiß durch Moses auch zum äu
ßeren Gesetze erhoben wurde. Wer sich dessen selber
überzeugen will, lese im I. Buche Mosis 14. Kap. 20.
V. 28. Kap. 22. V. III. Buch Mosis 27. Kap. 30. V.
und im 31. V. heißt: „Wenn aber Jemand seine Ze
henten lösen will (d. h. in Geld abtragen), soll er den
fünften Theil dazu thun," (um die Leviten-Priester zu
entschädigen, weil die Preise der Naturfrüchte immer stei
gen, während der Geldwerth abnimmt). Im IV. Buche
Mosis 18. Kap. 21. V. ist zu lesen: „Alle Zehenten
Israels hab' ich den Söhnen Levi's (Priestern) zum Be
sitze gegeben, für den Dienst, den sie mir (Gott) thun
am Zelte des Bundes;" u. f. w.
Von den Juden ging der Zehent auch in das Chri
stenthum über. Denn wie dort, so ist auch im neuen
Bunde der Unterhalt der Priester ausdrücklich
geboten, und diese sind deshalb an die Gläubigen an
gewiesen. Daher wurde der Zehent stets von den hl.
Vätern als Gewissenspflicht und göttliche Anordnung in
Anspruch genommen; so die hl. Cvprian, Ambros, Ehry-
sostomus, Augustin u. a. m. Späterhin wurde der Ze
hent durch ausdrückliche Kirchengesetze und Provinzialge-
setze bestätiget, bis endlich Carl der Gr. auf Grund der
altherkömmlichen Uebung der Kirche dem bestehenden
Zehentgebote allgemeine und staatsgesetzliche
Verbindlichkeit gab. Auch diesem Kaiser war der
geistliche Zehent eine durch Gewissen und GotteS Gebot
begründete Abgabe, ein Tribut des schuldigen Daykes,
dessen sich Jeder um Gottes willen durch Hingabe des
zehenten — nicht eilften — Theiles seines Einkommens