Geschriebene Rechtsquellen
oder als “Staatsverfassung”?. Sie umfasst etwa die Grundsätze der
Staatsorganisation, namentlich das Verfahren der Verfassungsgebung
und der einfachen Gesetzgebung, die politischen Rechte, die Grund-
rechte und die Grundsätze über die Staatsaufgaben?! sowie die Rechts-
stellung des Monarchen.
Die Verfassung im formellen und im materiellen Sinne braucht nicht
vollständig deckungsgleich zu sein. Es gibt sehr wohl Bestimmungen,
die zur Verfassung im materiellen Sinne, nicht aber zur Verfassung im
formellen Sinne gehören. Beispielsweise kodifiziert das Gesetz vom
8. Mai 1991 über Massnahmen im Wirtschaftsverkehr mit fremden Staa-
ten?? die Polizeigeneralklausel zur Wahrung der äusseren Sicherheit von
Liechtenstein. Diese Normen sind inhaltlich derartig wichtig, dass sie
eigentlich in die formelle Verfassungsurkunde gehören.
2. Rangstufe der fürstlichen Hausgesetize
Die in Art. 3 LV erwähnten Hausgesetze des fürstlichen Hauses stellen
zweifellos Verfassungsrecht im materiellen Sinne dar, regeln sie doch
grundlegende Fragen der staatlichen Organisation®, Nach Gregor
Steger?, Edwin Loebenstein?, Walter Kieber® und Gerard Batliner?
gehören die hausgesetzlichen Materien, auf die Art. 3 LV Bezug nimmt,
zur Verfassung im formellen Sinn. Sie haben bei Erlass der Verfassung
von 1921 bereits vorbestanden und sind sozusagen eine unter der Ho-
heit der Verfassung stehende Exklave, welche als solche zum Bestand
der geschriebenen Verfassung zählt. Der Verfassungsgeber von 1921 hat
Art. 3 LV aus diesem Grund in den Text aufgenommen. Freilich müssen
sich die Hausgesetze auf die in Art. 3 erwähnten Materien, nämlich auf
die erbliche Thronfolge, die Volljährigkeit des Landesfürsten und des
20 So im Eid der zu vereidigenden Landtagsmitglieder gemäss Art. 54 LV.
2 Vgl. Antoniolli/Koja, S. 148.
22 Vgl. LR 946.201, LGBl. 1991/41.
3 Vgl. Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., Berlin 1914, S. 505; Friedrich Koja,
Allgemeine Staatslehre, Wien 1993, S. 108; Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundes-
republik Deutschland, 2. Aufl., München 1984, 5. 72 f.; Hangartner I, S. 25.
4 Vgl. Steger, Fürst, S. 52 ff.
3 Vgl. Loebenstein, Stellvertretung, S. 82; Loebenstein, Besonderheiten, S. 12.
2% Kieber, S. 322.
27 Vgl. Batliner, Verfassungsrecht, S. 22, Anm. 8.
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