Rechtsstaatliche Verfahrensgarantien
Das rechtliche Gehör ist ein grundlegendes Element eines fairen Ver-
fahrens®. Es ist ein selbständiger Anspruch formeller Natur. Dies bedeu-
tet, dass die Missachtung des Gehörsanspruchs selbst dann zur Aufhe-
bung des angefochtenen Entscheids führt, wenn der Beschwerdeführer
kein materielles Interesse an der Aufhebung nachweisen kann. Der
Gehörsanspruch hängt also nicht davon ab, ob seine Einräumung zu ei-
ner anderen Beurteilung und damit zu einer Änderung des Verwaltungs-
akts führt. Der Gehörsanspruch setzt indessen voraus, dass in einem
Verfahren die Gefahr einer persönlichen Beschwer besteht. Es beurteilt
sich nach dem Abschluss eines gesamten Verfahrens vor allen Instanzen,
ob der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden ist, “wobei auch
den aus den inneren Sachgerechtigkeiten des jeweiligen Verfahrens sich
ergebenden Grundsätzen Rechnung zu tragen ist. Bestimmte Aspekte
schwerwiegender Art können allerdings ‚zu einer isolierten Prüfung
schon vor Abschluss des in Frage stehenden Verfahrens Anlass geben”,
So hat der Staatsgerichtshof die Verfahrensregel des Art. 223n Abs. 6
der alten Strafprozessordnung® zu Recht als dem rechtlichen Gehör
und damit der Verfassung widersprechend beurteilt. Danach wurde dem
Gegner des Beschwerdeführers die Beschwerdeschrift nicht zugestellt.
Die Entscheidung wurde nur aufgrund des “einseitigen Rechtsmittels”
in nichtöffentlicher Sitzung u.U. gegen den Beschwerdegegner gefällt”.
Es handelt sich um eine nachgerade klassische Verweigerung des recht-
lichen Gehörs.
Das Recht auf Akteneinsicht beinhaltet die Einsichtnahme am Sitz der
betreffenden Behörde; es gewährleistet aber nicht einen Anspruch auf
Herausgabe der Akten“ oder auf Zustellung von Fotokopien®!. Das Ak-
teneinsichtsrecht bezieht sich auf “Aktenstücke”; dieser Begriff darf nun
5 Vgl. z.B. SEGH 1987/18, Urteil vom 2.5.1988, LES 1988, S. 131 (134); Höfling, S. 248.
5 Vgl. SGH 1991/12a und 1991/12b, Urteil vom 23.6.1994, LES 1994, S. 96 (98); SIGH
1992/8, Urteil vom 23.3.1993, LES 1993, S. 77 (79); VBI 1994/12, Entscheidung vom
27.4.1994, LES 1994, S. 126 (127).
StGH 1991/12a und 1991/12b, Urteil vom 23.6.1994, LES 1994, S. 96 (98); siehe auch
StGH 1992/8, Urteil vom 23.3.1993, LES 1993, S. 77. VBI 1995/82, Entscheidung vom
6.12.1995, LES 1996, S. 131 (133): “Inhalt und Umfang des Gehörsanspruchs variieren
je nach Art des Sachverhalts”.
5 Vgl. LGBl. 1922/17.
59 Vgl. SEGH 1987/18, Urteil vom 2.5.1988, LES 1988, S. 131 (133).
0 Vgl. SEGH 1986/4, Urteil vom 28.10.1986, LES 1987, S. 137 (139); vgl. dazu Andreas
Kley, Besprechung von BGE 120 IV 242, AJP 1994, S. 1476 f.
& Vgl. StGH 1986/4/V, Urteil vom 5.5.1987, LES 1986, S. 139 (141).
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