Bestandteile des Verhältnismässigkeitsprinzips
3, Erforderlichkeit
Die Verwaltungsmassnahme muss im Hinblick auf das im öffentlichen
Interesse angestrebte Ziel erforderlich sein; sie hat zu unterbleiben,
wenn eine gleich geeignete, aber mildere Massnahme den angestrebten
Erfolg ebenfalls erreicht!*.
Die Erforderlichkeit hat eine sachliche, räumliche, zeitliche und per-
sonelle Komponente!*. Dies bedeutet beispielsweise, dass in personeller
Hinsicht das gelindeste aller Mittel anzuwenden ist, indem etwa eine Ju-
gendgefährdende Kinovorführung nicht verboten wird, sondern mit ei-
ner Altersbegrenzung erlaubt wird!®. Oder in zeitlicher Hinsicht darf
eine Massnahme nicht länger dauern, als der Zweck sie erfordert. In
räumlicher Hinsicht ist beispielsweise ein Bauverbot wegen Lawinen-
gefahr auf jenes Gebiet einzugrenzen, in dem die Lawinengefährdung
tatsächlich besteht. Schliesslich darf etwa in sachlicher Hinsicht nicht
eine Bewilligung ganz verweigert werden, wenn mit einer Neben-
bestimmung!? der Zweck der Massnahme ebenfalls erreicht wird. Im
Prüfungswesen bedeutet das Gebot sachlicher Erforderlichkeit, dass
das in der Prüfung geforderte Wissen gegenüber dem späteren Verwen-
dungszweck nicht ausser jedem Verhältnis stehen darf'®. Ein weiteres
Paradebeispiel für die sachliche Erforderlichkeit ist das Gebot des
nachträglichen Baubewilligungsverfahrens für widerrechtlich errichtete
Bauten. Diese müssen nur dann abgerissen werden, wenn eine nach-
trägliche Baubewilligung nach den gesetzlichen Bestimmungen gar
nicht möglich ist. Ansonsten kann sie nachträglich bewilligt werden
und bestehen bleiben!®.
ı* Vgl. VBI 1995/43, Entscheidung vom 4.10.1995, LES 1996, S. 32 (34); Höfling, S. 99;
Fehr, S. 269 f.; nach dem österreichischen VfGH v. 13.10.1993, B 200/92 B 1897/92, OJZ
1995, S. 274 (275) führt der Grundsatz der Verhältnismässigkeit im Enteignungsrecht
dazu, dass den Enteignungswerber eine Verhandlungspflicht trifft. Erst wenn sich das
Grundstück nicht freihändig erwerben lässt, darf zur Enteignung geschritten werden.
5 Vgl. Hangartner II, S. 86; Häfelin/Müller Nr. 496 ff.; vgl. auch Antoniolli/Koja, S. 615.
6% Vgl. Häfelin/Müller Nr. 512.
7 Vgl. S. 119 ff.
18 Vgl. VBI 1990/39, Entscheidung vom 20.5.1992, LES 1993, S. 31 (33).
19 Vgl. VBI 1979/25, Entscheidung vom 29.4.1981, LES 1983, S. 5 (7).
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