Verankerung
Rechtsaufsicht auf europäischer Ebene Hand in Hand geht, die so-
wohl das Recht als auch die das Recht anwendenden Entscheidungen
umfasst (...).
Bei der Ausübung seiner Kontrollfunktion besteht die Aufgabe des
Gerichtshofs nicht darin, den Platz der zuständigen innerstaatlichen
Behörden einzunehmen, sondern darin, die von ihnen im Rahmen ih-
res Ermessensspielraumes getroffenen Entscheidungen nach Art. 10
zu überprüfen. Das heisst nicht, dass sich die Kontrolle darauf be-
schränkt, festzustellen, ob der beklagte Staat sein Ermessen in ange-
messener Weise, sorgfältig und in gutem Glauben ausübte; der Ge-
richtshof muss den Anlass zur Beschwerde gebenden Eingriff im
Lichte des gesamten Falles prüfen und feststellen, ob er ‘in einem an-
gemessenen Verhältnis zu dem damit verfolgten legitimen Zweck’
stand und ob die von den innerstaatlichen Behörden zur Recht-
fertigung angeführten Gründe ‘relevant und ausreichend sind’”
Die Eigentumsgarantie gemäss Art. 1 Abs. 1 des ersten Zusatzproto-
kolles zur Menschenrechtskonvention, von Liechtenstein zwar nicht
ratifiziert, statuiert ebenfalls das Verhältnismässigkeitsprinzip‘:
“Ein Eingriff in die Achtung des Eigentums muss ein faires Gleichge-
wicht zwischen den Erfordernissen des Allgemeininteresses der Ge-
meinschaft und den Erfordernissen des Schutzes der Grundrechte des
einzelnen beachten. (...) Insbesondere muss eine vernünftige Verhält-
nismässigkeitsbeziehung zwischen den eingesetzten Mitteln und dem
Ziel bestehen, das durch jegliche Massnahmen, mit der einer Person
ihr Eigentum entzogen wird, verwirklicht werden soll.”
Das Verhältnismässigkeitsprinzip ist demnach für den Sachbereich der
Grundrechtseingriffe bereits im Rahmen der Europäischen Menschen-
rechtskonvention gewährleistet und insofern für alle EMRK-Vertrags-
staaten verbindlich. Allerdings sind die Anforderungen dieses europä-
° Urteil Pressos Compania Naviere S.A. u.a. gegen Belgien vom 20.11.1995, Publications
de Ia Cour Europeenne des Droits de ’Homme, Serie A, vol 332, $ 38 m.H. = OJZ 1996,
5. 276; vgl. ferner: Urteil Spadea und Scalabrino gegen Italien vom 28.9.1994, Publica-
tions de la Cour Europeenne des Droits de l’Homme, Serie A, vol 315-B, $ 33 m.H. =
OIZ 1996, 5. 191.
729