Volltext: Grundriss des liechtensteinischen Verwaltungsrechts

Gleichberechtigung von Mann und Frau 
gleichheitsgebot keine Anpassungsfrist für den Gesetzgeber*. Dies be- 
deutet aber keineswegs, dass Art. 31 Abs. 2 LV mit einem “verschleier- 
ten Vorbehalt”” versehen ist. Vielmehr enthält Art. 31 Abs. 2 LV einen 
dringlichen Gesetzgebungsauftrag. Mit dem Gebot der Geschlechter- 
gleichheit fällt dem Staatsgerichtshof die Aufgabe zu, “den Gesetzgeber 
überall dort direkt oder indirekt zu entsprechenden legislatorischen 
Schritten zu zwingen, wo die Rechtslage nicht rechtzeitig oder nur man- 
gelhaft dem Gleichheitsgrundsatz angepasst wurde”, Die Rechtspre- 
chung des schweizerischen Bundesgerichts zur Rechtsgleichheit der Ge- 
schlechter wird stark beachtet; die Regierung hatte die vermehrte 
Berücksichtigung der höchstrichterlichen Praxis der Schweiz empfoh- 
len”. Der Staatsgerichtshof hat festgehalten, dass Art. 31 Abs. 2 LV dem 
Schutzgehalt von Art. 4 Abs. 2 BV in nichts zurückstehe®, Es ist aller- 
dings bemerkenswert, dass der Staatsgerichtshof die vom Bundesgericht 
noch als zulässig erachteten “funktionellen Unterschiede” zwischen den 
Geschlechtern®! nicht erwähnt. Der Begriff ist unklar und das Bundes- 
gericht hat bislang keine Beispiele für zulässige funktionelle Unter- 
schiede gegeben. Bei diesem Kriterium bestünde die Gefahr, dass über- 
kommene (gesellschaftlich-“funktionelle”) Vorstellungen weiterhin die 
Auslegung der Geschlechtergleichheit bestimmen®, In diesem Sinne 
lässt gerade auch die Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungs- 
gerichts solche “funktionellen” Unterscheidungen nicht zu. An das Ge- 
schlecht anknüpfende differenzierende Regelungen sind mit der Rechts- 
gleichheit “nur vereinbar, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ih- 
rer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten 
können, zwingend erforderlich sind”®. 
5 Vgl. StGH 1991/14, Urteil vom 23.3.1993, LES 1993, S. 75 f. 
” Arthur Haefliger, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 92 f. 
5 StGH 1991/14, Urteil vom 23.3.1993, LES 1993, 5. 76. 
5» Vgl. StGH 1991/14, Urteil vom 23.3.1993, LES 1993, 5. 76. 
% Vgl. SEGH 1994/6, Urteil vom 4.10.1994, LES 1995, S. 16 (19). Siehe zur früheren 
Rechtsprechung vor der Verfassungsänderung von 1992: StGH 1990/16, Urteil vom 
2.5.1991, LES 1991, S. 81 (82 f.) m.w.H.; VBI 1991/65, Entscheidung vom 11.12.1991, 
LES 1992, S. 20. 
Vgl. z.B. BGE 116 Ia 370; 108 Ia 29. 
Wie das StGH 1995/20, Urteil vom 24.5.1996, LES 1997, S. 30 (36) deutlich macht: Die 
“traditionelle Rollenverteilung lässt sich nun aber nicht konsequent mit biologischen 
Unterschieden zwischen den Geschlechtern begründen”. 
6 BVerfGE 92, S. 91 (109); vgl. auch BVerfGE 85, S. 191 (207). 
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