Gesetzmässigkeit der Verwaltung
3. Beispiele für die Wirkungsweise
des Gesetzmässigkeitsprinzips
1. Bei erfüllten Voraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch auf Ertei-
lung einer Bewilligung: Zählt ein Gesetz den Inhalt einer Bewilligung
enumerativ auf, so kann diese Bewilligung nicht noch weitere Inhalte
umfassen!*. Werden umgekehrt die Voraussetzungen für eine Berufsaus-
übungsbewilligung alternativ aufgezählt, so darf von Ausländern die Er-
füllung dieser Voraussetzungen nicht kumulativ verlangt werden, ohne
dass dies gesetzlich vorgeschrieben wäre'®.
2. Ausnahmebewilligungen dürfen ebenfalls nur erteilt werden, wenn
sie gesetzlich vorgesehen sind. Ein Härtefall allein reicht noch nicht
dafür aus, dass die gesetzlichen Bestimmungen in einem Einzelfall nicht
oder anders angewendet werden!®,
3. Vereinbarungen zwischen Behörden oder öffentlichrechtlichen
Körperschaften können das geltende materielle öffentliche Recht nicht
abändern. Löst ein Grundstückkaufvertrag zwischen Land und einer
Gemeinde die Grundstückgewinnsteuer aus, so kann die gesetzlich gere-
gelte Steuer nicht im Vertrag wegbedungen werden!’,
4. Es gibt keine verwaltungsrechtliche “lex mitior”. Die “lex mitior” ist
ein spezifisch strafrechtliches Rückwirkungsgebot des milderen Strafgeset-
zes. Im Verwaltungsstrafrecht mag es wohl gelten; dagegen scheidet seine
Anwendung im gewöhnlichen, materiellen Verwaltungsrecht aus!®. Denn
der Grundsatz gehört allgemein weder zum geschriebenen noch zum
ungeschriebenen Verwaltungsrecht. Werden etwa in einem neuen Gesetz
die Bewilligungsvorschriften erleichtert, so kann in einem bereits hängigen
und nach bisherigem Recht zu beurteilenden Bewilligungsverfahren!?
nicht die Anwendung des milderen, neuen Gesetzes verlangt werden?
Selbstverständlich bleiben allfällige Übergangsbestimmungen vorbehalten.
+ Vgl. VBI 1986/5, Entscheidung vom 4.6.1986, LES 1988, S. 7 (8).
5 Vgl. VBI 1980/44, Entscheidung vom 17.12.1980, LES 1982, S. 172.
6 Vgl. VBI 1994/40, Entscheidung vom 9.11.1994, LES 1995, 5. 41 (42); LGVK G 8/82,
Entscheidung vom 28.5.1982, LES 1983, S. 67 (68).
7 Vgl. LSteK 76-2, Entscheidung vom 30.6.1976, ELG 1973-78, S. 159 (160).
5 Vgl. Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, Bern 1982,
5.73 ff.
5 Vgl. 5.77 ff.
9 Vgl. wohl zu knapp VBI 1993/8, Entscheidung vom 15.3.1995, LES 1995, S. 134 f., wo
der Grundsatz als nicht verletzt betrachtet wurde.
{70