Volltext: Grundriss des liechtensteinischen Verwaltungsrechts

Auslegung des Verfassungs- und Verwaltungsrechts 
c) Auslegung der Staatsverträge 
Die unmittelbar anwendbaren Staatsverträge werden in Liechtenstein 
durch die zuständigen Instanzen — Verwaltungsbehörden und Gerichte — 
wie Landesrecht angewendet!*. Dieses System unterscheidet sich 
grundlegend vom früheren französischen Modell, wonach die Ausle- 
gung der Staatsverträge ausschliesslich dem Aussenministerium zustand. 
Die französischen Gerichte behandelten Auslegungsfragen zu Staatsver- 
trägen deshalb als Actes de Gouvernement!®. Seit der GISTI-Entschei- 
dung des Conseil d’Etat!® besteht dieses Auslegungsmonopol allerdings 
nicht mehr. In Liechtenstein legt der Gesetzgeber die Verträge insofern 
aus, als innerstaatlich Umsetzungsmassnahmen erforderlich sind; im 
übrigen hat der Gesetzgeber aber keine Vorrangstellung bei der Aus- 
legung der Verträge!'”, Vielmehr sind die jeweils zuständigen Verwal- 
tungsbehörden und Gerichte “zur Interpretation der direkt anwend- 
baren Vertragsnormen” verpflichtet, “die für den Ausgang eines anhän- 
gigen Streitfalls relevant sind”!°®, Ansonsten würden sie eine Rechtsver- 
weigerung begehen. Die liechtensteinischen Instanzen folgen dabei — 
wie bei den innerstaatlichen Rechtsquellen — dem Methodenpluralismus. 
d) Praktikabilität 
Gesetze müssen “möglichst so ausgelegt werden, dass sie von den zu- 
ständigen Behörden ohne unverhältnismässig grosse Schwierigkeiten 
angewendet werden können”!®, Die Praktikabilität einer durch Ausle- 
gung gefundenen Lösung spielt je nach Zusammenhang .eine unter- 
schiedliche Rolle. Bei einem leichteren Eingriff in Freiheitsrechte und 
bei einem Verfahren, das viele Personen betrifft, wird die rechtsanwen- 
dende Behörde auf möglichst praktikable Lösungen achten. Dies spielt 
10 Vgl. S. 52. 
105 Vgl. S. 286. 
106 Vgl. Conseil d’Etat vom 29.6.1990, Recueil Dalloz Sirey 1990, S. 560 f.; vgl. dazu Cle- 
mens Lerche, Die Kompetenz des französischen Conseil d’Etat zur Auslegung völker- 
rechtlicher Verträge, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 
1990, S. 869 ff.; Kley, Rechtsschutz, S. 270 m.H. 
107 Vgl. SCGH 1978/8, Entscheidung vom 11.10.1978, LES 1981, S. 5 (7). 
168 StGH 1978/8, Entscheidung vom 11.10.1978, LES 1981, S. 5 (7). 
109 Wolff I, S. 145. 
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