Vom Göttersaft der Reben
Mathias Oshelt
Der Vaduzer Wein in Liedern, Sprüchen
und Gedichten
es got so menga krumm
tua di net irgera publikum
das kunnt vom göttersaft der räba,
wo 0 tuan krumm zom himmel schträba
(mündlich überliefert}
Sonderbar, dass ...
‘Ist es nicht sonderbar, dass der Name Vaduz ausge-
:echnet mit Wasser zusammenhängen soll?” So be-
ginnt Otto Seger in seinem “Heimatbuch” (Seger
1956, S. 56) den Abschnitt über den Vaduzer Wein.
Und in der Tat mag dieser Sachverhalt verwundern,
werden einmal die Hinweise auf alkoholische Ge-
tränke und Wasser in Volksmund, -weisheit und -lite-
ratur einander gegenüber gestellt. Wie schon in dem
Aufsatz über das Vaduzer Wasser (... so wär ich am
Neinstock verbronnen. Vaduzer Wasser, S. 163-172) hin-
gewiesen, erfährt der Regentrank im Gegensatz zum
Rebensaft eine eher stiefelterliche Behandlung.
Einerseits wird hier das Wasser als Hilfsmittel zur kör-
perlichen Wäsche (vor allem der täglichen!) ge-
schmäht, andererseits wird es auch als Durstlöscher
nicht sonderlich geschätzt.
Bei der Arbeit auf dem Feld, beim Gang in die und
der Fahrt aus den Alpen, bei jeder körperlichen, aber
auch geistigen Anstrengung, bei jeglichem geselligem
Beisammensein, kurz, wann immer die Vaduzer Durst
verspüren — und dies geschieht ja häufig genug, wird
ihnen doch nachgesagt, auf der “Höllplatta” zuhause
zu sein: ein Umstand, der zu gar argem Durst führen
muss —, so greifen sie, wollen wir der Literatur glau-
ben, vorzugsweise zu Wein, Most oder Schnaps. Was-
ser wird nicht einmal in Betracht gezogen. Zwei Bei-
spiele hierzu aus der Feder von “’s Feldweibels Jo-
hann”, dem Vaduzer Mundartdichter Johann Walch:
Johann geht aufs Ried hinunter,
dort die Sens er schwinget munter.
singt und pfeift mit frohem Mut,
wenn es ihm gut hauen tut.
Ist dies aber nicht der Fall,
dengelt er mit lautem Schall,
Wieder wuchtig dann aufs neue
rauschend fährt die Sens durch Streue.
Stellet drauf der Durst sich ein,
trinkt er Most und Branntewein . . .
(Ein Lied vom Leben und Treiben auf
dem Ried. Seger 1956, 5. 87)
Wohlgemut und ohne Sorgen
ging Johann an einem Morgen
mit des Mesmers brauner Kuh
in die Alpen, Malbun zu.
Fünf Stunden sind sie schon auf Weg
als müde sie erreichten den Steg,
und aus der Tasche tiefem Grunde
tauchet auf zur neunten Stunde
Speck und Brot und Branntenwein
und es wird geschmauset fein... .
Und nach einer Stunde dann
tritt Johann schon den Heimweg an.
Noch eine grosse Freud ihm beschieden ward:
Entgegen kam ihm Eduard.
Im Süccahaus, da kehrten sie ein
und tranken etliche Schoppen Wein,
und mit leichtbeschwingten Schritten
gings dann über des Kulmen Mitten
über Sılum nach der Alpe Gaflei,
zu versuchen, wie der Wein dort sei...
(Erinnerung an die Alpfahrt am
24.6.1901. Seger 1956, S. 89)