Das Rote Haus und der Weinbau in Vaduz
Rudolf Rheinberger
Vorbemerkung
Die Quellenlage zur Erforschung der Besitzer-
verhältnisse des Roten Hauses im Lauf der Jahr-
hunderte ist ausserordentlich günstig. Dies ist vor
allem dem Umstand zu verdanken, dass es in frühe-
ren Zeiten üblich war, bei einem Verkauf von Häu-
sern und Gütern alle älteren Kaufurkunden, die das
Objekt betrafen, an den Käufer weiterzugeben. Als
das Kloster St. Johann im Thurtal im Jahr 1525 das
Rote Haus samt dazugehörigen Gütern von Josef
Litscher käuflich erwarb, gab dieser auch die vorhan-
denen früheren Kaufurkunden an das Kloster weiter.
Diese reichen bis ins frühe 14. Jahrhundert zurück.
Sie wurden zuerst im Klosterarchiv St. Johann und
später im Stiftsarchiv St. Gallen aufbewahrt, wo sie
heute noch unversehrt erhalten sind.
Wir sind dadurch in der glücklichen Lage, die Bau-
und Besitzergeschichte des Roten Hauses lückenlos
bis an den Anfang des 14. Jahrhunderts zurückverfol-
gen zu können. Keramikdatierungen und Dendro-
chronologie bestätigen und ergänzen das aus den
Urkunden gewonnene Bild aufs eindrücklichste
Lage und Baugeschichte
Das Gelände unterhalb des Roten Hauses zwischen
Kasperigass und dem Stein! gehört zu den besten Wein-
berglagen in Vaduz. Es ist gegen Süden gerichtet und
bildet einen sanft ansteigenden Hang. Dies ermög-
licht eine besonders gute Sonneneinstrahlung. Man
darf annehmen, dass hier Reben gepflanzt wurden,
seit in Vaduz überhaupt Rebbau betrieben wird. Zum
Schutz gegen die häufigen Rüfegänge wurde der
Weinberg schon früh nördlich und westlich durch
feste Mauern gesichert. Dies erklärt auch, warum
heute die Strasse um etwa zwei Meter höher liegt als
der Weinberg. Durch Jahrhunderte wurde der Rüfe-
schutt ausserhalb der Weinbergmauer abgelagert und
bewirkte so den stetig grösser werdenden Niveau-
unterschied zwischen Strasse und Weinberg.
Auch am Roten Haus selbst kann diese Verän-
derung festgestellt werden. Zur heute ebenerdig
erreichbaren Haustüre an der Westfront des Hauses
musste man früher eine Treppe von sieben Stufen
emporsteigen.? Das Rote Haus wird urkundlich erst-
mals im Jahr 1338 erwähnt?, doch muss es schon
im 13. Jahrhundert erbaut worden sein, was durch
den Fund von 33 Becherkacheln und von Gebrauchs-
keramik des 13. Jahrhunderts eindeutig belegt ist.“
Die Erbauung des Turmes als des ältesten Teiles von
Schloss Vaduz wird heute allgemein in das späte
13. oder das frühe 14. Jahrhundert gelegt. Daraus
ergibt sich, dass die Anfänge des Roten Hauses so weit
zurückreichen wie jene für das Schloss Vaduz.
Erste Besitzer
Erbauer und Bewohner des Roten Hauses im 13. Jahr-
nundert waren die Vaistli, ein Geschlecht, das dem
niederen Adel angehörte.® Das Haus wurde daher
auch Vaistlihof genannt.” Schon im Jahr 1273 ist die
© “Stein”: kleiner Felsvorsprung am Abtswingertweg.
* Dies zeigte sich, als 1956 das Bett für einen ÖOltank ausgehoben
wurde.
Büchel, Johann Baptist: Die St. Johanner Urkunden. In: LUB
1/2 und JBL 18 (1918), S. 29.
Kacheln und Gebrauchskeramik wurden 1974 beim Aushub für
den Abwasserkanal in über drei Meter Tiefe geborgen und
durch Werner Stöckli vom Atelier “d’archaeolgie medievale” in
Moudon bestimmt.
Tastellani Zahir, Elisabeth: Die Wiederherstellung von Schloss
Vaduz 1904 bis 1914. Vaduz und Stuttgart, 1993. S. 27/28.
Büchel, Johann Baptist: Die St. Johanner Urkunden. In: JBL 18
(1918), S. 29.
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