Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2005)

MITTWOCH, 23. NOVEMBER 2005 VOLKS 
| 1LA W D Doris Beck: «Der Gegenvorschlag ist keinesfalls ein Ja zur Fristenlösung» Diskussion: Gerald Marxer (Initiativkomitee) und VU-Fraktionssprecherin Doris Beck (Gegenvorschlag) (Fortsetzung von Seite 6) beugende und unterstützende Mass­ nahmen zu ergreifen, die weit über die Bestrafung hinaus gehen. Ich möchte noch einmal nachhaken: Miisste man nicht auch die Männer in die Pflicht nehmen? Gerald Marxer: Das ist sicher ein Anliegen, das man berücksichtigen muss. Man darf die Verantwortung nicht nur auf die Frau schieben. Das ist auch mit ein Grund, warum die Fris­ tenlösung abzulehnen ist, denn hier wird die Verantwortung sehr stark auf die Frau alleine geschoben, so dass man sie wieder im Regen stehen lässt. Noch einmal zum Gegenvorschlag: Der Erzbischof sagt, er habe «in der Praxis bereits versagt» und sei le­ diglich «unverbindliches Gerede»: Ist der Gegenvorschlag also eine Nullnummer? Doris Beck: Das Wort «Nullnum­ mer» möchte ich nicht kommentieren. Ich möchtc aber noch einmal aus­ drücklich darauf hinweisen, dass der Gegenvorschlag explizit eine Veranke­ rung des Lebensschutzes und der Menschenwürde in der Verfassung un­ ter den Grundrechten vorsieht. Wir möchten es ganz bewusst nicht unter den Staatsaufgaben ansiedeln, denn dies würde bedeuten, dass die Regie­ rung tätig werden muss und dass ent­ sprechende Organisationen aufgebaut werden müssen. Ich aber kann mir nicht vorstellen, dass man dann 
bei- Ressort für Moral, Ethik und Menschenwürde»? spielsweise mit einem «Ressort für Moral, Ethik und Menschenwürde» die Betroffenen am Schluss auch wirklich erreicht. Wir würden meines Erachtens viel weiter kommen, wenn wir für die einzelnen Themen mit den Betroffenen gemeinsame Lösungen suchen und diese in den Gesetzen - wo nötig - verankern. Was für mich auch noch ein Punkt ist: die Demokratie. Mir ist es sehr wichtig, dass die demokratischen Rechte erhalten bleiben. Wenn also Themen nicht angegangen werden, die man, wie es heisst, schon lange hätte angehen können, dann soll es weiter­ hin möglich sein, diese Themen durch Initiativen auf den Tisch zu bringen und einer Lösung zuzuführen. Genau­ so wie es in den letzten Monaten auch passiert ist, man hat die Politik in die Verantwortung genommen , und dies ist meiner Meinung nach ein guter und solider Weg. Die Landtagsfraktio­ nen haben sich von sich aus zu diesem Gegenvorschlag zusammengeschlos­ sen und damit auch zum Ausdruck ge­ bracht, dass ihnen das Anliegen des 
«Ich bin mir sicher, dass wir nicht «inlach die Schweizer Lösung der Fristenregelung abschreiben werden»: VU-Frak­ tionssprecherin Doris Beck, Befiirworterin des Gegenvorschlages. Lebensschutzes wichtig ist und dass der Landtag von sich aus Hand bieten möchte, diese Themen auch wirklich anzugehen und einer adäquaten Lö­ sung zuzuführen. Aber für Sie, Herr Marxer, ist der Gegenvorschlag, um bei diesem Zi­ tat zu bleiben, nur «unverbindliches Gerede»? Gerald Marxer: Aus meiner Sicht ist er wirklich zu unverbindlich. Die Initiative hat eine ganz andere Stoss- richtung. Ich finde es auch unglück­ lich, dass man die Initiative des Landtages als Gegenvorschlag 
be- Nur «unverbindliches Gerede»? zeichnet. Der Wähler hat jetzt die schwere Aufgabe, sich zwischen einer der beiden Vorlagen zu entscheiden. Deshalb bin ich auch unglücklich mit dem «Doppelten Ja» und den ganzen Varianten, die sich daraus ergeben, weil das letztlich sehr verwirrend ist. Ein Arzt sagte kürzlich in einem Le­ serbrief, eine Verwerfung der 
Initia- Initiative und Gegenvorschlag Hute lack, «Der Gegenvorschlag ist keines­ falls ein Ja zur,Fristenlösung und ein Ja zur Tötung von Leben, wie «lies im «vobiscum» behauptet wird!» 
tive würde wie ein «Ttorbo» für die Verwirklichung der Fristenlösung wirken: Teilen Sie diese Ansicht? Gerald Marxer: Aus unserer Sicht ist es sicherlich eine Vorentscheidung in eine Richtung, dass man offen über das Thema Fristenlösung sprechen will. Wir dagegen sind der Meinung, dass das Ziel nur sein kann, das Leben zu er­ halten, und das kann man nicht, indem man sich hier undifferenziert verhält. Aber ein Ja zum Gegenvorschlag bedeutet doch in keinster Art, dass man damit gleich für die Fristenlö­ sung ist... Gerald Marxer: Doch, ich sehe das Präjudiz so, dass der Gegenvorschlag im Kern aus der Schweizer Verfassung stammt. Wir aber wollen in unserem Land ganz klar keine Schweizer 
Lö- Deshalb sprechen wir von Präjudiz sung haben. Deshalb sprechen wir von Präjudiz. Doris Beck, ist ein Ja zum Gegen­ vorschlag ein Präjudiz? Doris Beck: Nein, für uns ist es ganz klar kein Ja zu einer Fristenlö­ sung! Das Thema Schwangerschafts­ konflikt ist bereits schon einmal im Landtag erörtert worden. Es wurde sehr unterschiedlich diskutiert. Ich bin mir sicher, dass wir nicht einfach die Schweizer Lösung der Fristenrege­ lung abschreiben werden. Zu diesem Thema haben sich ja bereits Gruppie­ rungen und Betroffene zu Wort gemel­ det, die sehr sorgfältig mit diesem The­ ma umgehen und auch sehr differen­ ziert diskutieren. Ich bin deshalb si­ cher, dass eine liechtensteinische Lö­ sung für dieses Thema gefunden wer­ den kann. 
Es braucht wie gesagt zum einen eine vernünftige Lösung in den Gesetzen und zum anderen entspre­chende 
Rahmenbedingungen. Nach meiner Überzeugung gibt es bei jedem Thema eine gute 
Chance für eine ge­ zielte Lösung, wenn man jedes Thema explizit für sich diskutiert. Was mir in dieser Diskussion ein­ fach zu kurz kommt, ist der ganze Themenkreis rund um das 
Lebensen- Thema Fristenlösung wird arg überstrapaziert de, denn das Thema Fristenlösung wird hier arg überstrapaziert. Die Initiative mit ihrer Formulierung «von der Empfängnis an bis zum natür­ lichen Tod» geht mir zum Thema Fris­ tenlösung einfach zu weit. Ich denke, gleichviel Aufmerksamkeit hätte die Diskussion um den «natürlichen Tod» verdient. Ich kann es nicht verstehen, dass man jetzt Uber die ganze Spanne der Lebensbereiche einfach eine Pau­ schallösung platzieren will. Die Mit­ menschen, die in dieser Situation stecken, die haben genau so wie das ungeborene Kind das Recht, dass man über Unterstützung und Rahmenbe­ dingungen diskutiert. Ich möchte, dass man diese Themen wirklich einzeln abhandelt, einzeln Lösungen sucht und einzeln die Rahmenbedingungen diskutieren kann. Gerald Marxer: Die Verfassungs­ initiative hat den Sinn, dass man sich als Gemeinschaft Ziele 
setzt und die Leitplanken definiert. Aus unserer Sicht verhindert dies keineswegs eine Diskussion über die einzelnen The­ men. Diese Themen haben wir auch bewusst angepackt, damit man diese in der Bevölkerung breit diskutiert. Wir sehen hier keine Verhinderung der Diskussion. Wir sind aktiv gewor­ den und haben versucht, diese Dis­ kussion voranzutreiben. Das einzige, das wir verhindern möchten, ist das bewusste Töten des menschlichen Le­bens, 
sei dies zu Beginn oder am En­ de des Lebens. Ich sehe hier auch ei­ ne starke Korrelation zwischen dem Beginn und dem Ende des Lebens, denn zu Beginn ist man stark abhän­ gig und pflegedürftig und zum Schluss auch wieder. Doris Beck: Ich habe vielleicht mehr Vertrauen in die Menschen in Liechtenstein. Ich glaube nicht, dass jemand diese Frage wirklich so ein­ fach nimmt. Auch glaube ich nicht, dass wir den Staat brauchen, um als Staatsaufgabc unseren ganzen Le­ benszyklus mitzubegleiten und uns Schritt für Schritt zu sagen, was dann jeweils wie zu handhaben 
oder zu be­ strafen ist. Ich glaube nicht, dass man mit Verboten weiter kommt. Die Lö­ sung liegt in der Diskussion. Man muss offen kommunizieren dürfen und vor allem muss man offen darüber sprechen dürfen. Verbote sind ein schlechter Ratgeber. Das Fürstenhaus propagiert ein «Doppeltes Ja»: Was ist Ihre Mei­ nung zu einem «Doppelten Ja»? Doris Beck: Ich persönlich kann dem «Doppelten Ja» nicht viel abge­ winnen, denn schlussendlich muss sich der Wähler bei der Zusatzfrage für ei­ ne der beiden Vorlagen entscheiden. Gerald Marxer: Auch aus meiner Sicht ist das «Doppelte Ja» verwir­ rend. Man muss sich ja unter dem Strich doch für eine Vorlage 
entschei- «Doppeltes Ja» oder «Doppeltes Nein»? den. Darum empfehlen wir klar ein Ja zu unserer Initiative und ein Nein zum Gegenvorschlag. Soll man den Leuten, die immer noch nicht wissen, was sie tun sol­ len, ein «Doppeltes Nein» ans Herz legen, weil man so zum Ausdruck bringen kann, dass man angesichts der vielen Unklarheiten keine Ver­ änderung will? Gerald Marxer: Das «Doppelte Nein» bringt höchstens zum Aus­ druck, dass man sich nicht mit dem Thema auseinandersetzen und man dazu nicht Stellung nehmen will. Für mich gibt es grundsätzlich kein «Dop­ peltes Nein», denn man soll sich für oder gegen eine der beiden Vorlagen entscheiden. Doris Beck: Das «Doppelte Nein» Wäre meines Erachtens Ausdruck da­ für, dass der Wähler alles gerne so be­ lassen möchte, wie es heute ist. Das heisst, dass er keine einschneidenden Veränderungen möchte. Wer so denkt, dem möchte ich einfach empfehlen, Ja zum Gegenvorschlag und Nein zur Initiative zu sagen. Der Gegenvor­ schlag nämlich bestärkt den Willen, den Lebensschutz und die Menschen­ würde stärker als bisher in der Verfas­ sung zu verankern, die Rechtslage bleibt dadurch jedoch unverändert. Die einzelnen Themen können einzeln diskutiert werden und entsprechende Lösungen gefunden und gemeinsam entschieden werden. Das Schusswort gehört somit noch Gerald Marxer... Gerald Marxer: Ich möchte alle herzlich einladen, an der Abstimmung teilzunehmen. Es ist eine wichtige Entscheidung, der man sich wirklich stellen sollte. Ich würde mich freuen, wenn die liechtensteinische Bevölke­ rung Ja zu unserer Initiative und damit Ja zum Leben sagen würde.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.