Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2004)

DONNERSTAG, 18. NOVEMBER 2004 
bu£?I INLAND 
R0BERTBÜCHE L EIN LIECHTENSTEINER BEI DER FUSSBALL-WM «Bis heute frage ich mich. Der Liechtensteiner Robert Büchel arbeitet im Organisationskomitee Zur Person Name: Robert Büchel Alter: 36 Jahre Wohnort: Köln Hobbys: «Alles, was mit Sport zu tun hat.» Familienstand: Ledig, aber vergeben. Stärken: «Ich kann zugeben und auch dazu stehen, wenn ich einen Fehler gemacht habe. Ich habe ein gesundes Vertrauen in mich selbst, kann gut organisieren.» Schwächen: «Fehlende Diplomatie. Es gibt Menschen, die taktvoller sind, als ich es bin. Ich glaube, ich stosse Leute oft vor den Kopf, spreche unangenehme Dinge an. Ich mache ungern Zugestündnisse, wenn ich weiss, dass die anderen falsch liegen und ich Recht habe. Ich begeistere 
mich sehr stark für meine Pro­ jekte, deshalb ärgert es mich extrem, wenn et­ was nicht gut läuft. Diesen Ärger kann ich lei­ der nicht verstecken, der muss dann raus.» Mannschaften, die er sich für die WM wünscht: «Brasilien, England, Italien, Frank­ reich - es gibt viele Nationen, die ich gerne dabei hätte. Die Stadien wären zwar auch voll, sollten einige dieser Mannschaften nicht dabei sein, aber es würde doch etwas fehlen.» (le) Die Fussball-rtM 2006 Eröffriungsspiel: Mit dem Spiel am 9. Juni 2006 wird in München das 18. Türnier in der Geschichte der Fussball-WeltmeistcrSchaften angepfiffen. Finale: Am 9. Juli 2006 in Berlin. Anzahl Mannschaften: 32 . -Anzahl Spiele: 64 Titelverteidiger: Brasilien Spielorte: 
Gespielt wird in 12 Stadien: Ber­ lin, Dortmund, Frankfurt, Gelsenkirchen, Hamburg, Hannover, Kaiserslautern, Köln, Leipzig, München, Nürnberg und Stuttgart. Zuschauer in den Stadien: Insgesamt 3 Millionen/ davon, 1 Million aus dem Ausland. Motto der WM: «Die Welt zu Gast bei Freunden.» v - Anzahl Journalisten: Es werden 12000 Me­ dienvertreter erwartet/ Anzahl freiwillige Helfer: 15 000 so ge­ nannte Volunteens werden in verschiedenen Bereichen tätig sein. (le) 
FRANKFURT/SCHAAN - Milliar­ den von Menschen sehen sich ab dem 9. Juni 2006 die Spiele der Fussball-Weltmeisterschaft an. Entweder daheim vor dem Fernseher, auf Grossleinwänden in Lokalen oder direkt in den Stadien/ Falls seine Abteilung gute Arbeit-geleistet hat, wird der Liechtensteiner Robert Bü­ chel regelmässig Zeit haben, die Spiele live zu erleben. Sollte die WM 2006 kein Erfolg wer den, wäre das für ihn eine per­ sönliche Katastrophe. Er 
organi­ siert die weltweit grösste Ein­ zelsportveranstaltung mit - und das nur per Zufall. »üicai Ebne r  .  . «Der Vertrag mit dem Deutschen Weininstitut liegt jetzt zum Gegen­ zeichnen' bei 
FIFA-Präsident Jo­ seph Blatter, aber das ist nur noch Formsache.» Robert Büchel telefo­ niert, ordnet Blätter auf seinem oh­ nehin akkurat aufgyäumten Schreibtisch und öffnet E-Mails. «Ja, ist gut. Ich melde mich dann wieder.» Er legt auf, lehnt sich ent- ' spannt zurück und schlägt die Bei­ ne übereinander. «Die Angelegen­ heit mit dem Wein ist eine politisch wichtige Sache», sagt Robert Bü­ chel. Der braun gebrannte 36-Jähri- ge kratzt sich am Hinterkopf. «Weil mit Firmen wie Anheuser-Bush, McDonalds, Coca-Cola oder auch Hyundai viele ausländische Unter­ nehmen die WM sponsern, wurden wir in der Öffentlichkeit oft kriti­ siert. Aber die deutschen Unterneh­ men waren schlicht zu langsam. Zum Glück werden nun die .offi­ ziellen WM-Weine aus Deutsch­ land kommen. Ich kümmere mich zwar eigentlich nicht um derartige Lizenzen, aber alles, was mit Ver­ pflegung zu tun hat, fallt auch in mfeinen Bereich.» Robert Büchel leitet die Abtei­ lung «Hospitality and Catering» des Organisationskomitees der FIFA-Fussball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Das Komitee arbeitet in der Finanzmetropole Frankfurt, die Büros sind in der Nä­ he des internationalen Flughafens und des altehrwürdigen Waldsta­ dions, daS momentan WM-gerecht umgebaut wird. Robert BÜchcl plant schon jetzt, was die Menschen in knapp zwei Jahren in den Stadien essen und trinken werden. Ob sie ihr Mineral­ wasser in Wegwerf- oder in Mehr- wegplastikbechern bekommen, welche Getränke überhaupt ausge­ schenkt werden. Insgesamt eine Million ausländische Gäste werden bei den 64 Spielen der WM ihre je­ weilige Lieblingsmannschaft in den Stadien frenetisch anfeuern. Seine Abteilung muss dafür sorgen, ..dass auch Menschen aus Asien oder Südamerika etwas bekommen, das ihrem Geschmack entspricht. Ro­ bert Büchels Abteilung setzt sich aus drei Leuten zusammen: er selbst, sein Mitarbeiter Thorsten Merklc und seine Assistentin The­ resa Oteng-Mensah. Mitte Novem­ ber stösst ein Vierter dazu, während der WM wird das Team von Robert Büchel auf 65 Leute anwachsen. Hospitality ist Neudeutsch und bedeutet übersetzt Bewirtung, Gastfreundschaft. In den WM-Kon­ text übersetzt bedeutet Hospitality, dass manche Zuschauer in, vor al­ lem aber ausserhalb der Stadien ge­ sondert betreut werden. Zum Bei­ spiel Ehrengäste wie Politiker oder Künstler - VIP-Hospitality. In eige­ nen Zeltstädten, welche rund um die Stadien errichtet werden, sind 
Passend eingerichtet: In Robert Büchels Büro In Frankfurt liegt ein riesiger Ftissball aus Styropor. auch Vertreter der Partner und Sponsoren der WM separiert unter sich. Und wer als Privater genü­ gend Geld hat, kann sich in den kommerziellen Hospitality-Bereich einkaufen. 
Robert Büchel beugt sich vor. «Natürlich sind all diese Bereiche strikt voneinander ge­ trennt: eigene Zugänge zum Sta­ dion, eigene Bars, eigene Büffets. Keiner aus dem kommerziellen Be­ reich wird einem VIP-Gast begeg­ nen. Wir müssen die einzelnen Gruppen voneinander trennen.» Er spricht ruhig, aber bestimmt, ak­ zentfrei Hochdeutsch. Während er etwas erklärt, stänipfelt er alle paar Sekunden mit seinem linken Fuss leicht auf den Boden. «Das Hospi- tality-Essen muss absolut perfekt sein. Es muss Sterne-Qualität ha­ ben. Oder wenn sich ein Hospitali- iy-Gast 5000 Hamburger wünscht, dann kriegt er sie auch. Der Gast ist König.» Das zweite Aufgabengebiet Bü­ chels, das Catering, betrifft den grossen Rest der Menschen, der sich ebenfalls ein oder mehrere Fussballspielc der WM vor Ort an­ sieht, 
dem aber keine Sonderwün­ sche erfüllt werden. «Normalos», Medienleute oder die freiwilligen Helfer. Seine Abteilung muss mehr als 600 Millionen Franken brutto einnehmen. Das Festnetztelcfon klingelt. Bü­ chel hebt ab. «Ach so, sollen wir das jetzt besprechen? Ich komme schnell rüber.» Er steht auf, zieht sein schwarzes Nadelstreifensakko an und geht aus seinem mittlerwei­ le zu klein gewordenen Büro. Im 16-Quadratmeter-Raum arbeitete er ursprünglich alleine, jetzt teilt er ihn mit seinem Mitarbeiter, im Zimmer nebenan arbeitet seine As­ sistentin. Kein Radio, eine Pflanze, Aussicht auf Bäume eines Parks und das mit Gras und Moos be­ wachsene Flachdach des Schieds­ gerichts des Deutschen Fussball- Bundes DFB. Über den Baumwip­ feln tauchen im HalbstundentaJ« Flugzeuge auf, die eben den Flug­hafen 
verlassen haben und sich jetzt im Steigflug befinden. An jden Wänden hängen Zeitpläne, auf Bü­ chels 
Notebook setzt der Bild­ schirmschoner ein: Urlaubsfotos von ihm und seiner brasilianischen Freundin Alice Souza Nuno tau­ chen auf, verschwinden wieder. Minimale Chance / Robert Büchel stammt aus Bal­ zers, ist in Schaan und Vaduz auf­ gewachsen. Im österreichischen Stams hat er ein Skigymnasium be­ sucht, für das Liechtensteiner Ski- Team ist er Rennen gefahren. In den Disziplinen Riesentorlauf und Super-G startete er 1989 bei der Ski-WM in Vail; An seine dortigen Platzierungen kann er sich nicht mehr erinnern, weiss aber noch, dass «ich mit meiner Leistung nicht sehr zufrieden war». Kurze Zeit später ist der damals 21-Jährige bei der Liechtensteiner Landesmeister­ schaft in Malbun gestürzt. «Es hat mein linkes Knie erwischt. Kreuz- bandriss und Meniskusverletzung. Eigentlich keine grosse Sache. Aber leider ging bei der Behand­ lung wohl einiges schief, weshalb das Knie insgesamt dreimal ope­ riert werden musste. Danach war es dann ziemlich geschädigt.» Robert Büchel spricht leise, vermischt Schriftsprache mit Liechtenstein- Dialekt, kein Stämpfeln mit dem linken Fuss. Seine gepflegten, kräf- ' tigen Hände mit den langen, breiten Fingern liegen regungslos auf dem Tisch, er schaut aus dem Fenster, runzelt die Stirn. «Ich habe bis zu diesem Sturz voll im Zeitplan gele­ gen. Wenn ich schon unter den Top 15 mitgefahren wäre, hätte ich mit Hilfe von Spritzen gegen die stän­ digen, Schmerzen weitergemacht.» Aber er lag in den Rankings an der 70. Stelle. Die Chance, dass er mit seinem Knie noch an Zurbrig- gen, Girardelli, Tomba und Co. hät­ te herankommen können, war mini­ mal; Ausserdem prognostizierte ihm sein Arzt, dass das lädierte Knie bis zum 30. Geburtstag kom­plett 
kaputt wäre, sollte er weiter­ hin Profispört betreiben. Heute, 15 Jahre.später, hat er keine Schmer­ zen mehr. «Ich habe damals lange überlegt. Das, was ich wollte, wa­ ren die wahrscheinlich unerreich­ baren Top 15. Der Rest hat mich nicht interessiert und ich habe den Schlussstrich gezogen. Bis heute frage ich mich,' ob es vielleicht nicht doch gereicht hätte.» Robert Büchel kommt von der Besprechung zurück, grinst, zieht sein Sakko aus und hängt es or­ dentlich über die Rückenlehne sei-, nes Bürostuhls. Es ist kurz vor 12 Uhr. Er nimmt sein Tonbandgerät und diktiert den Text für ein Memo. Er betrachtet seinen Tagestermin- plan, holt tief Luft, zieht seine Au­ genbrauen hoch und sagt wenig überrascht: «Heute verschiebt sich; wieder alles nach hinten. Die FIFA-' Leute haben kurzfristig Sitzungen mit uns Abteilungsleitern einberu­ fen. Sie wollen wissen, wie wir vorankommen, woran wir gerade arbeiten. Ich werde wohl erst am Abend an der Reihe sein, weil sie schon jetzt enorm in Verzug sind.» Aber das sei normal, passiere stän­ dig, man sei ja flexibel. Die FIFA habe schliesslich das Sagen, be­ stimme im Zweifelsfall, wo es langgeht. Geregelter Tagesablauf? Fehlanzeige. Auch die 12-Stunden- Arbeitstage 
seien nichts Besonde­ res, im Gegenteil. «Tja, in dem Fall fahren wir halt jetzt in die anderen 
1 Büros. Dort habe ich nachher eine Besprechung mit den Kollegen vom Ticketing.» Wenn Robert Büchel Auto fährt, fährt er nicht bloss Auto. Er telefo­ niert mit seiner Assistentin There­ sa, während er den schwarzen Hy- ündai-Jeep zügig und sicher durch' die Stadt steuert. Er beauftragt sie,' Folien für die Sitzung mit den FIFA-Leuten vorzubereiten. «Bitte speichere die Präsentation auf Laufwerk G. Dann kann ich späten direkt von meinem Notebook aus Fortsetzung auf Seite 7 '
	        

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