Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2004)

DONNERSTAG, 19. AUGUST 2004 
blattI SPORT OLYMPIA 2004 IN ATHEN MAIK SCHÄDLER IM INTERVIEW 
23 OLYMPIA-PROGRAMM Donnerstag, 19. August Die 15 Entscheidungen am Donnerstag. 19. August Badminton: Frauen, Einzel (13.00) Mixctl (15.50) Bogenschlessen: MUnner (16.39) Fechten: Männer, Sllbcl, Ein/el (/18.40) Gewichtheben: Frauen, bis 69 leg (15.30) Männer, bis 77 kg (19.00) Judo: Männer, bis 100 kg (ab 15.30) Frauen, bis 78 kg (ab 15.30) Schlcssen: MUnner, Laufende Schcihc (11.30) Frauen, Skeet (13.30) Schwimmen: Frauen, 200 m Brust (18.39) Männer, 200 m RUcken (18.46) Männer, 200 in Lagen (/19.14) Frauen, 100 m Crawl (19.20) Turnen: Frauen, Kunstturnen, Mehrkampf (ab 20.00) OLYMPIA IN KÜRZE Hitchcock ein Rumäne TURNEN - In einem atemberaubenden Duell mit den US-Girls sicherten sich Ru­ mäniens Turnerinnen wie vor vier Jahren Olympia-Gold im Teamwettkampf. Sieben Zehntel gaben den Ausschlag zu Gunsten der im Durchschnitt gut 17-jiihrigen Osteu­ ropäerinnen. Bronze ging an Russland, (si) Dritter Dopingfall GEWICHTHEBEN - Marokkos Gewicht­ heberin Wafa Ammouri ist für den dritten Dopingfall der Olympischen Spiele in Grie­ chenland verantwortlich. Wenige Stunden vor ihrem ersten Einsatz in der Gewichts­ klasse bis 63 kg wurde der positive Befund bekannt. (si) Belgisches Pferd eingeschläfert REITEN - Wenige Stunden nach dein Stur/, im Concours Complet hat der belgische Rei­ ter Joris Vanspringel sein Pferd einschläfern lassen müssen. Der 13-jährige Wallach «Over and Over» erlitt einen irreparablen Knochenbruch der linken Hüfte. (si) Griechen kläglich gescheitert FUSSBALL - Sieglos und geradezu kläg­ lich schied Griechenland aus dem Olympia- Turnier 
der Fussballer aus. Die Nachwuchs- Auswahl des Europameisters hinterliess vor eigenem Anhang nur schattenartige Spuren. Gegen Mexiko verloren die Hellenen zum Abschluss 2:3. (si) Sechs Penaltys, ein Treffer FUSSBALL - Im letzten Vorrundenspiel der Gruppe C zwischen Tunesien und Ser­ bien-Montenegro (Endstand 3:2) in Patras unterhielt der Schiedsrichter das Publikum auf seine kuriose Weise. Als der Afrikaner Mohamed Jedidi beim Stand von 1:1 einen Penalty zum 2:1 verwertete, annullierte der Spielleiter aus Tahiti das Tor und licss den Elfmeter sage und schreibe fünfmal wieder­ holen. Dreimal sollen die Tunesier «übertre­ ten» haben, zweimal, als der serbische Kee­ per den Ball pariert hatte, wollte Charles Ariiotima einen Serben zuviel im Strafraum gesehen haben. (s') 
Ganz, ganz tief unten Maik Schädler über Liebesbeziehungen, Beziehungskisten und 2,08 Körpergrösse Kusshall: Vorrunde Männer, Gruppe A. In Saloniki: Südkorea - Mali 3:3 (0:2). In Volos: Griechenland - Mexiko 2:3 (0:0). - Rangliste (je 3 Spiele): 1. Mali 5. 2. Südkorea 5. 3. Mexiko 4. 4. Gnechen- Gruppe C. In Athen: Argentinien - Australien 1:0 (1:0). In Pa­ tras: 
Serbien-Montenegro-Tunesien 
2:3 (0:1) - Rangliste (Je 3 Spiele): I. Argentinien 9. 2. Australien 4. 3. Tunesien 4. 4. Serbien-Montenegro 0. Viertcinnal-Puarunfcn (Samstag, 21. August): Man - Gruppe B (17.00). Irak - Australien (17.00). Argentinien - 2. Gruppe D (20.00). '1. Gruppe B - Südkorea (20.00). 
SCHAAN - Wenn heute Nachmit­ tag um 15.40 Uhr in Athen die olympischen Judobewerbe der Schwergewichtler losgehen wer den, winl Maik Schädler in Vaduz auf dem Landgericht arbeiten. Und trotzdem ist der heutige Tag kein Tag wie jeder andere für den Liechtensteiner Judoka. »Cornelia Hole r Volksblatt: Was macht Maik Schädler heute Nachmittag um 15.40 Uhr? Maik Schädler: Arbeiten! Der Olympische Judowettbewerb im Schwergcwicht werden Sie aber kaum auf die leichte Schul­ ter nehmen. Nein, ganz sicher nicht, denn bis vor anderthalb Monaten war ich ja überzeugt, selber daran teilnehmen zu 
können und heute Nachmittag ab 15.40 Uhr auf der Matte zu ste­ hen. Es wäre also gelogen, wenn ich jetzt sagen würde, heute sei ein Tag wie jeder andere für mich. Wahrscheinlich werde ich am Abend die Finalkämpfe vor dem Fernseher mitverfolgen, das hängt aber davon ab, wie es mir geht. Haben die Eröffnungsfeier vom letzten Freitag und der heutige Wettkampftag bei Maik Schädler eine Wunde noch einmal aufge­ rissen. (Überlegt). Das sind schwierige Momente für mich, obwohl ich am Freitag die Eröffnungsfeier mitver­ folgt und auf den Einmarsch der' Liechtensteiner Delegation gewartet habe. Danach war ich aber so müde, dass ich nur noch ins Bett wollte. Wie das heute sein wird, weiss ich noch nicht. Im Moment glaube ich, die schlimmste und schwierigste Zeit überwunden zu haben. Ob es aber wirklich so ist oder ob ich mir damit was vormache, werde ich erst heute Abend wissen. Ich war wirklich ganz, ganz tief unten, bitter enttäuscht, voller Zweifel Wann war für Sie die schlimmste und schwierigste Zeit? Einerseits, als ich zum ersten Mal erfuhr, nicht nach Athen gehen zu kön­ nen und dann natür­ lich, als es endgül­ tig feststand. Da­ zwischen gab es nochmals eine kurze Zeit der Hoffnung, doch dann folgten die zwei schwierigsten Wochen 
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meines Lebens. Ich war wirklich ganz, ganz tief unten, bitter ent­ täuscht, voller Zweifel und mit noch mehr Fragen, auf die ich kei­ ne Antworten wusste. Gab es Momente, in denen Sie Ihren Kimono am liebsten ver­ schenkt hätten? Absolut! Solche Momente hat es mehrmals gegeben und es blieb nicht nur beim Gedanken an den Rücktritt. Ich habe diese Variante auch mit meiner Familie und engen Freunden besprochen. Für mich war eine Welt zusammengebrochen und am liebsten hätte ich mich irgendwo verkrochen und wäre nie mehr hervorgekommen. (Lacht). Zwischenzeitlich haben Sie das Lachen aber wieder gefunden - wie sieht es mit den Riicktrittsgc- danken aus? Ja, ich bin froh, dass ich diese Zeit überwunden habe und vor al­ lem auch dankbar dafür, dass ich nun wieder optimistisch in die Zu­ kunft blicken kann. Ich bin nämlich eigentlich ein positiv denkender Mensch und deshalb war dieses tie­ fe, dunkle Loch, in dem ich mich plötzlich befand, eine ganz neue Erfahrung für mich. Auch die Rücktrittsgedankcn sind weg... ... und statt aufzuhören, wird es Maik Schädler in vier Jahren al­ len zeigen, wozu er eigentlich fä­ hig wäre! (Überlegt). So wejt denke ich ei­ gentlich noch gar nicht. Sicher, ich bin noch jung und Peking 2008 könnte durchaus ein Fernziel sein. Vorerst konzentriere ich mich aber lieber auf nähere Ziele, wie bei­ spielsweise die U23-EM oder die Schweizer Meisterschaften in den kommenden Monaten. Eine grosse Motivation ist für mich auch die Na- tionalliga-A-Saison, die ich erneut mit dem JC Regensdorf bestreiten werde und der Titelgewinn das Ziel ist. Ich freue mich auch jetzt schon auf die Kleinstaatenspie- le in Andorra '•\ im kommen- o\ den Jahr. Weiter hinaus blicke ich aber noch nicht, denn das sind erst­ mals genü­ gend Einsätze, die viel Einsatz ^ langen 
Stichwort Motivation: wer oder was hat Sic schliesslich zum Weitermachen motiviert? In erster Linie sicherlich mein engstes Umfeld mit meiner Fami­ lie, meine Freundin, gute Freunde. Sie alle gaben mir zu spüren, dass sie an mich glauben und eine Ent­ täuschung kein Grund ist, den Kopf in 
den Sand zu stecken. Daneben waren es aber auch Leute, die mit dem Judosport eigentlich über­ haupt nichts zu tun haben und mich auch gar nicht persönlich kennen, mir aber spontan auf der Strasse, im Büro, beim Einkaufen oder sonstwo sagten, es wäre schade, wenn ich jetzt einfach aufgeben .würde. Das waren für mich ganz spezielle Momente und Begegnun­ gen. Sie Hessen mich auch daran glauben, nicht ganz auf dem Holz­ weg zu sein und mein bisheriges Tun nicht total in Frage zu stellen. Dann wird aus etwas Wertvollem etwas Be­ lastendes, von dem du dich lieber trennen würdest Gehört der Judosport nicht auch schon zu lange zu Maik Schäd- lers Leben, als dass er von einem Tag zum anderen Vergangenheit wäre? Klar, das war auch ein Gedanke und ein Grund, weshalb ich mit diesem Entscheid zwei Wochen ge­ rungen und nicht in einer Schnell­ schussaktion gehandelt habe. An­ dererseits war es aber eben genau dieser jahrelange, konsequente Aufbau und die gewissenhafte Vor­ bereitung, die ich dann hinterfrag­ te. Wenn du etwas jahrelang machst und ständig einen Schritt weiter­ kommst, ist das eine Seite. Und zwar eine gute. Die Kehrseite da­ von lernst du eben dann kennen, wenn du diesen Schritt nicht vor­ wärts, sondern rückwärts machst. Dann wird aus etwas Wertvollem, das dich ein halbes Leben begleitet hat, etwas Belastendes, von dem 
du dich lieber trennen würdest. Fast wie in einer Liebesbezie­ hung... ... (lacht). Ja, fast wie in einer Liebesbeziehung! Der einzige Unterschied besteht darin, dass es sich um einen Sport handelt und so­ mit ganz sicher weni­ ger wichtig ist, als wenn es um zwei Menschen geht. Der Weg oder der Ablauf des Gan­ zen ist j 
aber ähnlich, denn auch ich habe mich gefragt, trenne ich mich nun von einem langjährigen Partner oder stehen wir diese Krise ge­ meinsam durch? (Lacht). Und schliesslich sind Sie bestärkt aus der Krise herausgekommen, wie nach einer überwundenen Beziehungskiste? Ich hoffe, dass ich das nach eini­ gen Monaten Abstand sagen kann. Noch ist es zu früh, denn mein Selbstwertgefühl und mein Selbst­ vertrauen haben gelitten. Noch läuft der Verarbeitungsprozess und dieser wird 
wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Das Bild des unantastbaren, über allem stehenden Kämpfer täuscht somit? (Lacht). Das täuscht tatsächlich, ja. Ich muss voraussetzen, dass ich auf der Judomatte eine ganz andere Person bin als neben dem Kampf­ platz. Ich bin ein sehr friedlieben­ der Mensch und es käme mir im Alltag nie in den Sinn, andere Men­ schen anzugreifen oder zu bedro­ hen. Werde ich wegen meiner Kör­ pergrösse von 2,08 Meter blöd an­ gesprochen oder sonstwie provo­ ziert, geht dies meist bei einem Ohr rein und beim andern wieder raus. Solche Dinge lassen mich kalt. Auf der Matte aber ist das anders. Dort will ich gewinnen und es ist für mich eine Herausforderung, eine Technik und einen Griff anzuwen­ den und einzusetzen, um den Geg­ ner bezwingen zu können. In die­ sem Rahmen versuche ich denn auch, der unantastbare, über allem stehende Kämpfer zu sein, denn hier ist es der richtige Ort dazu. Nicht aber im Alltag... Vielleicht kann ich da­ mit ein kleines Vorbild für unseren Nachwuchs sein - das wäre schön Dort gelten Sie für viele junge Ju­ doka als Vorbild. Glauben Sie? (Überlegt). Ich denke, die jungen Judoka suchen sich ihre Vorbilder derzeit viel eher in Athen aus. Am Dienstag habe ich zum ersten Mal das Jugendtraining in Schaan geleitet. Ich habe grossen Respekt vor dieser Aufgabe und war den ganzen Tag über nervös, bevor ich um 18.15 Uhr erstmals vor den Kindern stand. Und viel­ leicht haben Sie Recht und ich kann damit ein kleines Vorbild für unse­ ren Nachwuchs sein. Das wäre schön. Maik Schädler: «Auf der Judomatte bin Ich eine ganz andere Person als neben dem Kampfplatz. Daneben bin ich ein sehr friedliebender Mensch.»
	        

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