MITTWOCH, 12. FEBRUAR 2003 VOLKS BLATT
IIVII AI\IH HILTI-RÜCKZUG VON BÖRSE I IV LM IM LS KONZERNERGEBNIS GESCHRUMPFT
3 Der Hilti-Rückzug SVUX:Voruntersuchung wegen dilti Die Schweizer Börse SWX hat eine Vorun- tersuchung wegen der ungewöhnlichen • Kursbewegungen des Hilti-Partizipations- scheins (PS) vom Montagmorgen eingelei tet. Grund seien die getätigten Transaktio- ; nen, bevor der Hilti-Konzern seinen Rück zug von der Börse angekündigt habe. An der Börse war der Handel mit dem Hilti-PS am Montagvormittag ausgesetzt worden. Der Kurs des PS lag zu diesem Zeitpunkt, bei 875 Franken, l ,9 Prozent höher als der : . Schlusskurs vom Freitag. Im frühen Handel war der Kurs bis auf 885 Franken geklettert. In Hündlerkreisen war von ungewöhnlich : hohen Handelsvolumen die Rede. Ob die Transaktionen auf Grund von Insidcrinfor- i mationen getätigt wurden, muss die Vorun- ;
tersuchung zeigen. Martin-Hilti-Familien-Trust: ein Porträt Martin Hilti sah sich angesichts des starken Wachstums des Hilti-Konzerns bereits früh veranlasst, sich mit der Erhaltung, Weiter entwicklung und Sicherung seines Lebens- • werks zu beschäftigen. Standen anfangs all gemeine und testamentarische Ausführun gen und Bestimmungen im Zentrum seiner Überlegungen, entschloss sich Martin Hilti Ende i960 dazu, eine Stiftung bzw. eine stiftungsähnliche Institution zu gründen, die im Falle seines Ablebens aktiv werden soll te. Schliesslich wurde ein Trust nach liech- tensteinischem Recht gegründet, der noch zu Lebzeiten von Martin Hilti, im Jahr 1980, aktiviert wurde. Voraussetzung für die Schaffung des Trusts war ein Erbverzicht aller Mitglieder der Familie Hilti und die anschliessende Einbringung aller von Mar- • tin Hilti gehaltenen Aktien in den Trust. Mit dem Erbverzicht erfolgte gleichzeitig eine Einsetzung des jeweiligen Familienmitglie des als Begüngstigter des Trusts. Grosse Kasse für Familie Hilti Die Familie Hilti macht durch den Börsen rückzug des Unternehmens grosse Kasse. 1. Nach Abschluss des Rückkaufs der im ; Publikum platzierten Partizipationsscheine (PS) sowie der Ausschüttung der Sonderdi- ; vidende bleiben der Treuhandgesellschaft der Familie Hilti rund 128 Millionen Fran ken Gewinn. Der Betrag ergibt sich durch : die Zahlung der Sönderdividende von 250 Franken je PS sowie einer Sonderdividende auf den Hilti-Namenaktien. Weil der
Nomi- v nalwert der Aktie mit 500 Franken zehnmal höher ist als derjenige des PS, beträgt hier die Sonderdividende 2500 Franken, wie Unternehmenssprecher Heinz Müller auf Anfrage sagte. Bei 176 000 Namenaktien ergibt dies allein 440 Millionen Franken. Zusammen mit der Sonderdividende für die PS macht der gesamte Transaktionswert 634 . Millionen Franken aus, abzüglich 506 Mil lionen Franken für das Rückkaufprogramm. «Going Private» - Hilti als Trendsetter? Nach dem Boom in den 90er-Jahren drängt i heute kaum mehr ein Unternehmen an die f. Börse. Im Gegenteil. In der Schweiz zieht b sich nach Zellweger Luwa nun Hilti zurück. ; Wegen der steigenden Kosten überdenken i weitere Betriebe ihre Börsenpräsenz. «Das h'
Börsen-Dasein kostet ein Unternehmen I jährlich über eine Million Franken», schätzt v Markus Eberle, Mitglied der Geschäftslci- j , tung der im Finanzbereich tätigen OZ-Grup- H pe. Nach Hilti und Zellweger Luwa wird derzeit unter anderem auch beim Hergiswi- ler Dämmstoff-Hersteller Alcopor über ein f Going Private nachgedacht. Die Genfer Pri- vatbank Pictet & Cie. nannte am Mittwoch t weitere Rückzugskandidaten, darunter Bon ;; Appdtit, Kühne & Nagel, Mövenpick und f. Schindler V £ •
Hilti zieht die Reissleine Aufgabe des Finanzanlagegeschäfts— «Going Private» nach hohen Buchverlusten SCHAAN/ZÜRICH - Es Ist ein Abschied, der bereits im Dezember Intern beschlossen, gestern aber erst der Öffent lichkeit präsentiert wurde: Nach 17 Jahren zieht sich die Hilti-Gruppe vollständig von den Aktienmärkten zurück. Nach Verlusten im Finanzgeschäft wird dieser Konzembereich aufgegeben sowie das Unter nehmen an der Börse dekotiert. «Wolfgang Zochna r Broker und Bohrmaschine, Finanz anlagegeschäft und industrielles Kerngeschäft - die duale Strategie, mit der die Hilti-Gruppe jahrelang, famose Ergebnisse erzielen konnte, hat sich offensichtlich überlebt. Während das Aktienanlagegeschäft für Hilti in den Boomjahren 1998 bis 2000 grossartig lief, verfinster ten sich die Gesichter in der Hilti- Chcfetage angesichts der Zahlen der letzten beiden Geschäftsjahre zunehmend, Nachdem bereits im Jahr 2001 das Finanzergebnis auf das Konzernergebnis drückte, Hess im abgelaufenen Jahr der Verlust von 160 Millionen Franken im Finanzgeschäft den Konzernge winn um 90 Prozent auf 27 Millio nen Franken einbrechen. Aus für Finanzanlagegeschäft Und Hilti reagierte: Aus strategi schen Überlegungen hätten Kon zernleitung und Verwaltungsrat deshalb beschlossen; sich von der. Dualstrategie zu verabschieden und sich nur noch auf das industri elle Konzerngcschäft zu konzent rieren, erklärte gestern Pius Baschera, der Vorsitzende der Kon zernleitung vor dutzenden Journa listen in Zürich. Als Konsequenz sei das Going Private des Hilti-Konzerns die beste Lösung für sämtliche Interes sengruppen, betonte Verwaltungs ratspräsident Michael Hilti, der
Auf einer schiefen Ebene weg von der «dualen Strategie». Von links: Verwaltungsratspräsldent Michael Hilti, Pius Baschera, der Vorsitzende der Konzernleitung und Egbert Appel, Mitglied der Konzemlettung. über seinen Familien-Trust 100 Prozent der Hilti-Namenaktien sowie rund 40 Prozent der Partizi- pationsscheine (PS) hält. Zuletzt sei zudem das Interesse an den 440 000 im Free-Float befindlichen PS sehr gering gewesen, betonte Hilti. Nachdem der Rückzug von der Börse wegen der Einstellung des Handels an der Schweizer SWX bereits am Montag bekannt wurde, präzisierte Michael Hilti am Diens tag seine Pläne. Demnach könnte eine Dekotierung der Partizipati onsscheine bereits Mitte April 2003 über die Bühne gehen. Doch um einen vollständigen Börsen rückzug-zu realisieren, müssen zuerst die in privaten Händen befindlichen Partizipationsscheine «in den Trust heimgeholt», sprich zurückgekauft werden. Konkret unterbreitet der Trust den PS-Haltern ein öffentliches Angebot über 1150 Fr. je PS. Das entspricht einer Prämie von 34 Pro zent gegenüber dem Schlusskurs vom 7. Februar. Die 1150 Franken
wurden übrigens von der unabhän gigen Beraterfirma Emst & Young als «fair und angemessen» bezeich net. Vom Kaufpreis wird eine Son derdividende von 250 Fr. je PS abgezogen. Der Konzern will die Sonderdividenden im Wert von 640 Mio. Fr. den PS-Inhabern und Aktionären auszahlen, wenn der Trust, der heute 40 Prozent des PS- Kapitals hält, nach Ablauf der First . 95 Prozent hält. Falls das Kaufan gebot nicht zu Stande kommt, soll eine Dividende von 14 Fr. je PS ausgeschüttet werden. Die Frist des Angebots dauert vom 21. Februar bis 13. März. «Roter Koffen> bleibt unangetastet Unbeeinträchtigt von diesem mittleren Erdbeben in der strategi schen Ausrichtungen des Konzerns werden aber das Kerngeschäft sowie die 14 590 Angestellten der Hilti-Gruppe bleiben. «Mit dem beabsichtigten Going Private ist keine Änderung in der Strategie im
industriellen Kerngeschäft verbun den», versicherte Baschera gestern noch einmal eindrücklich. Auch werden durch den Ausstieg aus dem Finanzanlagengeschäft keine Personalkürzungen vorgenommen: «Mit diesem Konzernbereich sind gerade mal eine Hand voll Mitar beiter beschäftigt. Für diese hoch qualifizierten Kollegen wird man innerhalb des Konzerns eine ande re Tätigkeit finden», so Pius Baschera zum Volksblatt. Und Baschera weiter: «Der Konzern verfügt über eine genügend starke Kapitalbasis und erzeugt die nötigen eigenen Mittel aus dem operativen GescMft, um das weitere Wachstum zu gewährleis- . ten.» Den Vorwurf, der Konzern wolle sich mit dem Börsenrückzug in Zukunft vor der «Informations- Pflicht» drücken, wies Michael Hilti gestern übrigens entschieden zurück: «Wir wollen bei der Berichterstattung die Transparenz beibehalten.» Konzerngewinn massiv verringert Von 261 auf 27 Millionen Franken gesunken - Vorsichtiger Optimismus für 2003 SCHAAN - Der Konzerngewinn der Hilti-Gruppe hat sich 2002 massiv auf 27 Mio. Franken verringert, im Vorjahr betrug er noch 261 Mio. Franken. Der Nettoumsatz im Geschäftsjahr 2002 belief sich auf 2993 (Vor jahr: 3123) Mio. Franken. • Wolfnnng Zechne r Die positive Nachricht zuerst: Die Hilti-Gruppe konnte im abgelaufe nen Jahr ihren Nettoumsatz trotz eines um drei Prozent rückläufigen weltweiten Bauvolumens zumin dest in Lokalwährungen um knapp einen Prozent steigern. Das Betriebsergebnis 2Q02 von 223 Millionen Franken wurde wie bereits schon im Vorjahr (280 Mil lionen Franken) negativ von der Stärke des Schweizer Frankens beeinflusst. Zudem manifestieren sich in diesem Ergebnis laut Hilti «erhöhte strategische Investitionen für die Optimierung globaler Geschäftsprozesse, der Ausbau zusätzlicher Vertriebskanäle und der Aufbau neuer Geschäftsfelder». Tiefe Spuren im Finanzergebnis
Michael Hilti sieht sich mit nicht allzu freundlichen Geschäftszahlen kon frontiert.
hinterliessen derweil die Kapriolen auf den weltweiten Finanzmärkten. Einerseits erzielte das Unterneh men geringere Erträge im Wert- schriftengeschäft, andererseits machte die Börsenschwäche Wert berichtigungen auf den Finanzan lagen im Gesamtumfang von 148 Millionen Franken notwendig (siehe auch Bericht weiter oben Anm.).
Damit bleibt unterm Strich ein Finanzergebnis von minus 160 Millionen Franken nach plus 15 Mio. Franken im Vorjahr. Dadurch wurde auch der Konzerngewinn, der 2001 noch bei 261 Millionen Franken lag, auf nur mehr 27 Mil lionen Franken dezimiert. Der Cashflow beläuft sich,puf 313 Mil lionen Franken (Voijahr: 400 Mio. Fr.) Die Aussichten für das laufen de Geschäftsjahr beurteilt man bei Hilti vorsichtig optimistisch: «Falls die wirtschaftlichen Rahmenbedin gungen und die Währungsrelatio nen zum Vorjahr unverändert blei ben, rechnen wir für das laufende Jahr mit einem leichten Anstieg des Betriebsergebnisses», läutet die offizielle Hilti-Diktion.