Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

FREITAG, 24. OKTOBER 2003 BLATT 
I LANDTAG 
 E^ R ERWE, TERUN 6 KURZ GEMELDET LANDTAG IN KÜRZE Sonderfall Sonderschulung VADUZ - «Da sowohl die integrierte als auch die separierte Sonderschulung diesel­ ben Zielsetzungen verfolgt, macht eine Un­ gleichbehandlung in finanzieller Sicht wenig Sinn», betonte Helmut Konrad, Abgeordne­ ter der FBP. Die bisherige Lösung sei nicht konsequent gewesen. Deswegen begrilsste er den Vorschlag der Regierung bezüglich der Beteiligung der Gemeinden an den Kosten der Sonderschulüng, der gestern in erster Le­ sung behandelt wurde. Nach dem heutigen Modell muss der je­ weilige Schulrat der Gemeinde darüber be­ finden, ob ein sonderschulbedürftiges Kind in eine Regelklasse eingeschult werden kann oder aber die Sonderschule 
besuchen muss. Wenn ein Kind der Sonderschule zugewiesen wird, trügt der Staat die nach Abzug der In­ validenversicherung verbleibenden Kosten. Wenn sich der Schulrat aber dafür ausspricht, ein sonderschulbedürftiges Kind.in eine.Re­ gelklasse einzuschulen, dann muss sich die Gemeinde zu 50 Prozent (Primarlehrer) oder 70 Prozent (Kindergärtnerin) am .Personal­ aufwand beteiligen. Ausserdem erfordert die Integration oft zusätzliches Personal, an wel­ chem sich die Gemeinde auch beteiligen muss. Für die Gemeinden ist es demnach die wesentlich billigere Variante ein sonder­ schulbedürftiges Kind in eine Sonderschule einzuweisen. Mit dem Vorschlag der Regie­ rung soll es künftig zwischen integrierter und separierter Sonderschulung keine ungleiche Kostenbeteiligung mehr jgeben. Dies bedeu­ tet, dass sich die Gemeinden, egal ob integ­ riert oder separiert, zu 50 Prozent an den Kosten der Sonderschulung beteiligen. Dies führt natürlich zu einer Mehrbelastung der Gemeindebudgets. Diese soll allerdings wie­ der kompensiert werden.^So soll die Vorlage zeitlich gleich mit dem Lehrerdienstgesetz in Kraft treten. Im Lehrerdienstgesetz ist fest-, gehalten, dass die Kindergärtnerinnen künf­ tig analog zu deri Primarlehrern zu je 50 Pro­ zent von Land und Gemeinden bezahlt wer­ den sollen und nicht mehr zu 30 Prozent vom Land und 70 Prozent von den Gemeinden. Für die Gemeinden würde dies wiederum ei­ ne massive Kosteneinsparung bedeuten. Bei­ de Vorlagen würden sich also aus finanzieller Sicht so ungefähr die Waage halten. Obwohl sich die Mehrheit der Vorsteher aus diesem Grund für die Vorlage ausgespro­ chen hatte, wollte der VU-Abgeordnete und Gampriner Gemeindevorsteher Donath Oeh- ri nicht auf die Vorlage eintreten. Er erklärte, dass derzeit eine Arbeitsgruppe dabei sei, die Kosten von Gemeinde und Staat zu entflech­ ten: «Es soll in Zukunft nicht mehr so sein, dass eine Seite das Sagen hat und der ande­ ren einfach die Kosten verrechnet werden.» Er schlug vor, dass das Land die gesamten Kosten für die Sonderschulung übernehmen sollte und dafür die Gemeinden an einem än­ deren Ort mehr bdlastet werden sollten. Er forderte deswegen Bildungsministerin' Rita Kiebcr-Beck auf, mit der besagten Arbeits­ gruppe Rücksprache zu halten. (dorn) Hausieren mit Bewilligung VADUZ - In erster Lesung behandelte der Landtag gestern ein Gesetz über den Handel mit Waren im Umherziehen. Das Gesetz zielt vor allem auf Hausierer, Markthändler, Wan­ derhandwerker und dergleichen ab. «Wenn es eine Bewilligung braucht, dann kann man Hausierer besser kontrollieren», stellte Peter Lampert (FBP) fest und sprach sich für Ein­ treten auf die Vorlage aus. Hintergrund der Gesetzesvorlage ist, dass am 1. Januar 2003 in der Schweiz das Reisendengewerbegesetz in Kraft getreten ist. Aufgrund des Zollver- trages muss sich nun auch der Gesetzgeber in Liechtenstein damit befassen. Der Gesetzes­ vorschlag, der im gestrigen Landtag vorge­ legt wurde, deckt sich im Wesentlichen mit dem der Schweiz. Das Gesetz regelt das Rei­ sendengewerbe abschliessend. Ihm sind sämtliche Formen des ambulanten Handels von Waren und Dienstleistungen unterstellt. Im Gesetz ist unter anderem festgehalten, dass, 
wer ungerufen privaten Haushalten Wa­ ren zum Kauf oder zur Bestellung anbiete^ eine Bewilligung der Regierung benötigt. Diese Bewilligung ist mitzuführen und auf Verlagen den aufgesuchten: Konsumenten • vorzuweisen. (dorn) 
«Norwegen hat keine Frist gesetzt» EWR-Erweiterung: Aussenminister Walch zur ausstehenden Unterzeichnung VADUZ - Olk Meldung (Im ges­ trigen «Vaterland»), Norwegen hätte Liechtenstein eine Frist bis Freitag gesetzt, um eine Lö­ sung für die blockierte EWR-Er- weiterung zu finden, sei nichts anderes als eine Zeitungserfin­ dung. Das sagte 
Aussenminister Ernst Walch gestern Abend im Landtag. • Martin Frömmelt Aussenminister Walch widersprach Aussagen gewisser Medien, wo­ nach Liechtenstein möglicherweise für eine Verzögerung der EWR-Er­ weiterung per 1. Mai 2004 verant­ wortlich sei. Dies entspreche nicht den Tatsachen. Dass das EWR-Er­ weiterungsabkommen überhaupt erst sö spät zur Unterzeichnung be­ reit gewesen sei, könne nicht Liechtenstein angelastet werden. PROBLEM TSCHE­ CHIEN/SLOWAKEI Auch was das Problem mit Tschechien und der Slowakei be­ treffe, sei das Vorgehen Liechten­ steins keineswegs überhastet und in letzter Minute erfolgt, so Walch: «Bereits mehrmals vor den .EWR- Erwcitcrungsverhandlungen An­ fang Januar 2003 wurde auf die Problematik hingewiesen.» Selbst auf politischer Ebene, im Rahmen des EWR-Rates vom 15. April. 2003, habe man die Problematik zwei Monate vor Verhandlungsbe- ginn in einer Erklärung von 
Regie- PROBLEMATIK FRÜH­ ZEITIG ZUR KENNT­ NIS GEBRACHT rungsrat Walch zur Kenntnis ge­ bracht. Nach entsprechenden Hin­ weisen in den Verhandlungen selbst habe er am 4. April 2003 allen sei­ nen Kollegen der 28 anderen Ver­ tragsparteien einen Brief mit «Aide Mdmoire» (Erklärung mit erhöhter Wichtigkeit) übermittelt, um den liechtensteinischen Standpunkt in dieser Frage klarzulegen. Danach wurde eine. liechtensteinische Er­ klärung für die Schlussakte des Ab­ kommens eingebracht, die von An­ fang an mit 
einer Fussnote dahinge­ hend versehen war, dass sich Liechtenstein vorbehalte, diese Er­ klärung im Lichte der bilateralen Gespräche "über das Problem zu­ rückzuziehen. BILATERALE KONTAKTE Wie Ernst Walch weiter ausführ­ te, seien bilaterale Kontakte vorerst positiv verlaufen, ehe es im Juli zu einer 
Verhärtung der Position in Prag gekommen sei. Sodann habe sich die Regierung am 23. Septem­ ber veranlasst gesehen, die Ver­ tragsparteien in einem «Aide Me­ moire» zu informieren, dass Liech­ tenstein insistiere, vor der Unter­ zeichnung vorbehaltlos als lange bestehender Staat' von Tschechien und der Slowakei anerkannt zu werden. Im gleichen Schreiben sei auch in diesem Falle die, volle Be­ reitschaft einer Anerkennung durch Liechtenstein bestätigt worden. Der Aussenminister: .«Von überra­ schendem Vorgehen kann somit 
«Es kann doch nicht sein, dass der Druck im Inland stärker ist als der vom Ausland»: Aussenminister Emst Walch gestern Abend betreffend der ausstehenden Unterzeichnung des EWR-Erweiterungsvejlrages. nicht gesprochen werden.» Walch wies auch darauf hin, dass es Ver­ tragsparteien gemäss völkerrecht­ licher Usanz bis zur Unterzeich­ nung selbst durchaus offen stehe, Erklärungen einzubringen. Liechtenstein hat laut Ernst Walch fünf Tage vor dem Unter­ zeichnungstermin seine Deklara­ tion ausgewechselt: «Diese Dekla­ ration machte nichts anderes als da­ von auszugehen, dass alle Vertrags­ parteien Liechtenstein gemäss den Fakten als anerkannten Staat 
re- «NICIIT AKZEPTABEL» spektieren. Alle Vertragsparteien -ausser der Slowakei und Tsche­ chien hatten damit kein Problem. Sobald die beiden Staaten ihre end­ gültigen Erklärungen mit einem Vorbehalt zur Anerkennung Liech­ tensteins eingebracht hatten, wur­ den allen Vertragsparteien 24 Stun­ den vor der Unterzeichnung mitge­ teilt, dass für Liechtenstein dieser Vorbehalt in den beiden Deklaratio­ nen Tschechiens und der Slowakei nicht akzeptabel sei. Nachdem auch weitere Gespräche nichts fruchteten, erklärte sich Liechten­ stein am Nachmittag vor der vorge­ sehenen Unterzeichnungszeremo­ nie vom 14. Oktober nicht in der Lage zu unterzeichnen.» Bekanntlich haben sich die bei­ den anderen EFTA/EWR-Stäaten Norwegen und Island mit der liech­ tensteinischen Position solidarisiert und erklärten, ebenfalls nicht zu unterzeichnen. KRITIK AN DER OPPOSITION Über das Verhalten der Opposi­ tion zeigte sich Aussenminister Walch enttäuscht: «Die Opposition und deren Zeitung versuchen mit .ajlen Mitteln, die Verhandlungs­ strategie der Regierung, die nur darauf aus ist, die liechtensteini­sche 
Souveränität und Identität un­ ter allen Partnern des erweiterten EWR zu sichern, zu torpedieren und damit die Position Liechten-;. steins zu schwächen oder sie ma­ chen Parteipolitik.» Die gestrige «Väterland»-Mel- dung, Norwegen habe Liechten­ stein eine Frist bis Freitag gesetzt, bezeichnete Walch als 
Falschmel- «NORVVEGEN HAT KEINE FRIST GESETZT» dung: «Die inländische Bevölke­ rung, und hier ist die Gefahr, wird verunsichert und unsere ausländi­ schen Gegner gestärkt. In unserer Aussenpolitik, zumindest in der öf­ fentlichen Diskussion, sollte nach aussen Gemeinsamkeit und Ein­ heit demonstriert werden. Das Wohl unseres Landes sollte vor die Schwächung der Regierungsarbeit gestellt werden. Ich stelle fest, dass die Opposition von der über60 Jah­ re geübten Praxis abgewichen ist. Das schwächt die Position 
Liech- APPELL DES AUSSENMINISTERS tensteins, ist ungeschickt und ver­ werflich. Ich appelliere an alle Kräfte, in diesen entscheidenden Fragen in der Aussenpolitik wieder zusammenzurücken und zum Woh­ le unseres Landes wenigstens nach aussen mit einer Stimme aufzutre­ ten. Es kann doch nicht sein, dass der Druck im Inland stärker ist als der vom Ausland.» SONDERLÖSUNG IM PERSONEN­ VERKEHR Wie Walch hinwies, sei es. für Liechtenstein wichtig gewesen, sei-. 
ne bestehende Sonderlösung im Personenverkehr zu verlängern und rechtlich besser zu verankern. Liechtenstein ist es somit weiter gestattet, den Zuzug von EWR- Bürgern nach Liechtenstein zu be­ grenzen. In Zahlen beideutet dies ei­ ne Quotenregelung mit mindestens 56 Erwerbstätigen und 16 Nicht- Erwerbstätigen pro Jahr, davon sind 50 Prozent im Wege eines neutralen Verlosungsverfahrens zu­ zulassen. 
Der ursprünglichen .For­ derung der Kommission nach einer Erhöhung der Quote um 20 Prozent konnte somit erfolgreich-entgegen­ gewirkt werden. Damit ändert sich inhaltlich an der bestehendem Quo­ tenregelung nichts: ~ DAUERHAFTE LÖSUNG Ausserdem konnte gemäss Ernst Walch die bisherige zeitliche Be­ grenzung der Sonderlösung, wel­ che Ende 2006 ausgelaufen wäre, durch eine verlängerte und dauer­ hafte Lösung ersetzt werden. Nach der neuen Lösung läuft die Quoten- regelung nicht mehr automatisch aus. Sie läuft grundsätzlich weiter und wird alle fünf Jahne, erstmals im Mai 2009, überprüft. Somit konnte eine bedeutend stärkere Ver­ ankerung der liechtensteinischen Sonderlösung im Personenverkehr erreicht werden, ohne die bestehen­ den Quoten erhöhen zu müsseh. VORTEILHAFT FÜR LIECHTENSTEIN Die Regierung sieht die EWR- Erweiterung - und die im Erweite- - ningsabkommen gefundenen Lö­ sungen laut Walch als für Liechten­ stein vorteilhaft an. Neben der Ver­ besserung der Personenverkehrslö­ sung erweitere sich • der Binnen­ markt des EWR und biete der Ex­ portindustrie und dem Finanz- dienstleistungssektör- neue Absatz­ chancen.
	        

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