Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

SAMSTAG, 18. OKTOBER 2003 BLATT 
I SPORT 
IM GESPRÄCH MIT STEPHAN KUNZ WIE KUNZ ZUM LANGLAUF KAM 
26 SPORT IN KÜRZE Lüthi Elfter - Weltmeister Pedrosa schwer gestürzt Thomas Lüthi (Bild) ist beim ersten Qualifi- -kationstraining zum GP Australien auf Phillip Island in der 125ccm-Klasse Elfter geworden. Für Aufsehen sorgte indes Weltmeister Daniel Pedrosa. Der Spanier stürzte im Training schwer und brachsich beide Fussknöchel. Lüthi verlor 1,193 Sekunden auf den Trai­ ningsschnellsten Jorge Lorenzo (Sp). Der Elit-Fahrer fuhr vor allem in der ersten Hälf­ te des Trainings stark und realisierte seine Bestzeit in der fünften Runde. Dann aber be­ gannen die Probleme. «Die Reifen waren zu weich», erklärt Lüthi, «dadurch rutschte ich . viel zu stark. Wir haben die Reifen zwar ge­ wechselt, doch an meine Bestzeit kam ich nicht mehr heran.» Lüthi, der im letzten Jahr im ersten Trai­ ning einen Rückstand von fünf Sekunden auf den damals Schnellsten aufwies, hat die Strecke mit den schwierigen Kurven dieses Mal deutlich besser im Griff, Dennoch bleibt Lüthi bescheiden: «Der Circuit ist nach wie vor sehr anspruchsvoll.» Dies hat er letzte Saison am eigenen Leib erfahren müssen, als er bereits in der 8.'Runde stürzte. Bei sieben GP-Teilnahmen Lüthis 2002 war es das ein­ zige Rennen, welches er nicht beendete. Für 125-ccm-Weltmeister Daniel Pedrosa ist die Saison beendet. In der 8. Trainings­ runde knallte der Spanier in einen Reifensta­ pel und zog sich Brüche an beiden Fussknö­ cheln zu. Der 17-Jährige wurde am Freitag in Melbourne operiert; er wird rund einen Mo­ nat lang nicht gehen können. Für Pedrosa war damit der GP Malaysia vor einer Woche, wo er sich vorzeitig den Titel sicherte, das letzte Rennen in der Achtelliter-Klasse. 2004 fiihrt er für Honda in der 250-ccm-Klasse. Insgesamt gelangen dem zweitjüngsten Weltmeister der Geschichte seit seinem De­ büt 2001 acht GP-Siege und acht weitere Po­ destplätze. Grand Prix von Auslralim. 
Ei-sIm Quallflkallnntlnilnlng 125 ccm: 1. Jorge Lnrcnzo (Sp). Dctbi. 1:37.802 (163.726 km/h). 2. Hector Barbcra (Sp), Aprilia, 0.022 Sekunden zurück. 3. Marco Simoncclli (Ii). Aprilia, 0,286. 4. Cascy Sloncr (Au). 'Aprilia,.0,340. 5. Andrea Dovizioso (Ii). Honda, 0.480. 6. Ste­ fano Pemgini (Ii). Aprilia, 0,480. 7. Slevc Jenkner (De). Aprilia, 0.622. Fernen II. Thomas LUlhi (Sz), Honda, 1.193.— Nicht ijualifiziert u.a.: Daniel Pedrosa (Sp). Honda (Sturz). -36 Fahrer im Training., , 250 ccm: I. Sebastian Porto (Arg). Honda. 1:33.962 (170.4(7 • km/h). 2. Franco Batlaim (It), Aprilia, 0,074.3. Toni Elia» (Sp), Aprilia, 0,605. 4. Fonsi Nieto (Sp). Aprilia, 0,810. 5. Randy de Puniet (Fr), Aprilia, 0,906. 6. Manuel Poggiali (San Marino), Aprilia. 0,932. 7. Roberto Rolfo (It), Honda, 1377. -30 Fahrer im Training. MotoGP: I. Valentino Rossi (It), Honda. 1:30,631, (176,681 km/h). 2. Loris Capirossi (lt), Ducali. 0.090. 3. Troy Bayliss (Au), Ducati, 0.203. 4. Max Biaggi (It). Honda, 0.438. 5. Sete Gibcrnau (Sp), Honda, 0.460. 6. Nicky Hayden (USA), Honda, 0,884. 7. Carlos Chcca (Sp), Yamaha, 0,923. - 24 Fahrer im Training. Doping-Skandal weitet sich aus LEICHTATHLETIK - Einen Tag, nach­ dem Amerikas Dopingfahnder die Entde­ ckung eines neuen anabolen Steroids bei Top-Leichtathleten publik gemacht haben, rechnen Experten mit einer weltweiten Skan­ dalwelle. «Wir haben den starken Verdacht, dass auch Athleten anderer Länder darin ver­ wickelt sind», erklärte, Terry Madden, Chef der US-Anti-Doping-Agentur (USADA) am Freitag. Seine 
Behörde hatte in ersten Urin­ proben von zahlreichen, Athleten das bislang im Sport unbekannte anabole Steroid Tetra- hydrogestrinone (THG) nachgewiesen. Na­ men und die Anzahl der Betroffenen wurden nicht genannt. Endgültige Klarheit wird nicht vor Anfang Dezember erwartet, wenn die B-Proben analysiert und die Untersu­ chungen abgeschlossen sind. Auslöser der Affäre soll ein bekanhter Leichtathletik-Trainer sein. Der Mann habe die USADA im Juni angerufen und spater ei-. . ne Spritze eingesandt, die THG enthielt. Dem vom Internationalen Olympischen Ko­ mitee (IOC) akkreditierte Labor in Los An­ geles unter Führung von Professor Don Cat- lin gelang mit einem neu entwickelten Ver­ fahren dpr Nachweis des Mittels. 
«Im falschen Film?» Ski nordisch: Stephan Kunz über Rücktritt, Schulbank und Freiheit TRIESENBERG - Stephan Kunz hat die Langlaufskier in den Keller gestellt und die Schulbü­ cher ausgepackt. » Cornelia Hota r  • Volksblatt: Sie haben vor einer Woche mit Ihrem Rücktritt über­ rascht. Weshalb zu diesem Zeit­ punkt? Stephan Kunz: Einen Rücktritt überlegt man sich gut. Es ist mit Si­ cherheit keine Schnellschusshand­ lung, denn als Profi investiert man zu viel in dieses Unternehmen, als dass man es dann aus einer Laune heraus abbrechen würde. Ich habe mir diesen Schritt gründlich Uber­ legt und ihn mir lange offen gehal- ten.Im Frühling habe ich mich an der Uni in St. Gallen eingeschrie­ ben, danach aber konsequent weiter trainiert. Ein Weitermachen hätte aber nur für die nächsten drei Jahre Sinn gemacht, denn in diesem Win­ ter steht kein Grossanlass auf dem Programm, 2005 aber finden wie­ der Weltmeisterschaften und 2006 Olympische Spiele statt. In den letzten Wochen hat es sich abge­ zeichnet, dass sich die Rahmenbe­ dingungen nicht ernsthaft verbes­ sern würden und damit die Zeit für eine Veränderung gekommen war. ZEIT FÜR EINE VERÄNDERUNG 
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; v\. Stephan Kunz wird nun öfters hinter dicken Büchern anstatt auf Langlaufskiern Im Wald verschwinden. Zwischen Rücktritt und Start an der Uni lag lediglich ein Wochen­ ende - wie haben Sie die erste Woche als Wirtschaftsstudent in St. Gallen erlebt? Vielleicht war es ganz gut, nicht viel Zeit zum Nachdenken zu ha­ ben Ich glaube nicht, dass ich schon ganz realisiert habe, was in den vergangenen acht Tagen alles geschehen ist. So, wie du als Profi- sportler. in die ganze Szene hinein­ wächst, ist es wohl auch als Student und später im Berufsleben. Man 'braucht Zeit, um das Ganze zu ver­ arbeiten. Am Montag hab ich denn auch nicht nur einmal gedacht, ich sei im falschen Film! Es war für mich sehr ungewohnt, auf einmal in einem Raum zu sein mit 900 ande­ ren Studenten, den ganzen Tag zu sitzen, zuzuhören, mich kaum zu bewegen und zu denken, dass dies meine Zukunft für die nächsten vier Jahre sein würde. Dazu kommt auch der Altersunterschied - die meisten Studenten sind viel jünger 
als ich, doch es gibt ja auch Sieb­ zigjährige, die sich noch an ein Stu­ dium heranwagen. Weshalb sollte ich es also nicht mit 31 Jahren tun? Sie hiitten es sich auch einfacher machen und als Lehrer ins Schul­ zimmer zurückkehren können. Das stimmt, aber das kann ich auch nach dem Studium noch. Na­ türlich habe ich mir auch überlegt, wieder als Lehrer einzusteigen. Ich wollte aber nicht zuerst zwei Jahre Schule. geben und erst dann das Studium machen. Das Lehrersein ist auch nach dem Studium eine Option und ich bin überzeugt, dass mir das Wirtschaftsstudium wieder andere Türen öffnen wird. SPORT HAT MIR FREIHEIT GEGEBEN Rund zehn Jahre lang hat Ihnen der Langlaufsport die Türen ge­ öffnet - was hat Ihnen der Sport gegeben? Die Freiheit! Es ist schwierig, dieses Gefühl zu beschreiben und auch wenn ich weiss, dass ich als 
Student ein gewisses Mass an Frei­ heit habe, ist es ein anderes Gefühl. Als Langläufer hatte ich die Frei­ heit, die ständige Auseinanderset­ zung mit der Natur und mir selber zu suchen. Das war für mich ein Privileg. Es war auch ein stetiger Prozess, der zugleich auch die Fas­ zination war. Ich habe als Kind mit dem Langlaufsport angefangen, dann kamen die Jugendrennen, Er­ folge im Juniorenalter und irgend­ wann setzte ich ganz auf die Karte Sport. Die Kehrseite der Freiheit war der ständige Druck, mit dem du als Profisportler lebst - einerseits, weil du an den Resultaten gemessen wirst und andererseits, weil die fi- . nanzielle Situation immer ein The­ ma ist. Als Spitzensportler befin­ dest du dich auch ständig auf einer Gratwanderung zwischen konse­ quentem Training und Raubbau am Körper. Und dieser Grat ist schmal! Diesen Druck haben Sie abgelegt und können künftig den Sport einfach nur noch gemessen. Ja, und darauf freu ich mich sehr! Ich kann es kaum erwarten, wieder vermehrt zu klettern, das Surfen 
auszuprobieren, auf die Alpinskis zu stehen, vielleicht einmal mit ei­ nem Gleitschirm durch die Lüfte zu schweben. Und eines ist ganz si­ cher, ich werde nicht an Masters­ und Volkslanglaufrennen am Start stehen! Ich muss niemandem mehr etwas beweisen und kann den Sport nun nach dem Lust-und-Laune- Prinzip geniessen. / STÄNDIGE GRATWANDERUNG Worauf freut sich Stephan Kunz sonst noch? Auf das Reisen! Endlich dorthin gehen zu können, wo ich wirklich will und nicht nur dorthin, wo man langlaufen kann. Die transsibiri­ sche Eisenbahn beispielsweise ist schon länge ein Wunsch von mir und dieses Abenteuer werde ich nun planen können. Ich freu mich natürlich vor allem darüber, mehr Zeit für meine Freundin, Familie und Freunde zu haben und kein schlechtes Gewissen haben zu müs­ sen, wenn es abends mal später wird! Gegen den Willen der Mutter B B B ... oder wie Stephan Kunz zum Langlaufsport gekommen ist TRIESENBERG - Zufällig ist Ste­ phan Kunz zum Langlaufsport gekommen. Und gegen den Willen seiner Mutter. : > Cornelia Hoter T 
Stephan Kunz hat zusammen mit Markus Hasler jahrelang die Liech­ tensteiner Langlaufszene geprägt. Dicke Freunde sind sie nie gewor­ den, Respekt haben sie einander aber immer gezollt und sich zu . Höchstleistungen angetrieben. Da­ bei ist der Triesenberger eher zufäl­ lig zum Langlaufsport gekommen, «und vor allem .gegen den Willen meiner Mutter». Stephan Kunz lacht, wenn er an seine Anfänge zu­ rückdenkt. «Als Kind haben wir im Schulhaus in Triesenberg gewohnt ...» 
und jeden Abend trainierte ein an­ derer Club in der Turnhalle. Ich bin dann ins Judotraining, habe im Fussballclub mitgemacht , und war beim Skiclub dabei. Im Judo wurde ich sogar Landesmeister bei den Knäben bis 25 kg. Dann ging es da­ rum, mich für einen Club zu ent­ scheiden. Da mein älterer Bruder auch im Skiclub war, verbot mir meine Mutter dieses Training, weil sie sich davor fürchtete, dass wir uns streiten würden. Ich bin aber trotzdem gegangen und mein Bru­ der ist bald darauf nicht mehr ins Training gekommen.» Der Langlaufsport hat die kom­ menden 20 Jahre des Stephan Kunz und seiner Familie geprägt. «Ich habe meine Eltern und meine Brü­ der oft in meine Projekte 
eingebün-Stephan 
Kunz hat'20 Jahre lang den Liechtensteiner Langlauf geprägt 
den und bin dankbar dafür, dass sie mich immer unterstützt haben.» Von der Loipe auf die Schulbank • Am vergangenen Freitag hat Ste­ phan Kunz die Langlaufskis in den Keller gestellt und seit Montag drückt er an der Universität in St. Gallen wieder die Schulbank. Über diese neue Herausforderung freut sich der Triesenberger, denn «zwanzig Jahre im Wald herumren­ nen sind genug». Das 
Wirtschafts- Studium hat Stephan Kunz nicht zufällig gewählt, «sondern weil es viele verschiedene und interessante Gebiete umfasst und für die Zu­ kunft alles offen lässt». Und dies­ mal verstösst er mit Sicherheit auch nicht gegen den Willen seiner Mutter... I l
	        

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