Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

FREITAG, 31. JANUAR 2003 
VOLKS I 
| IVI1 A IVin IM GESPRÄCH MIT DR. GEORG GITTLER BLATT I 
I IM Ln lM 
\J RECHTSAUSKÜNFTE FÜR FRAUEN 
6 ZUM STICHWORT... Georg Gittler zum Stichwort ©...Mann sein heute... «An den Mann von heute werden - Gott sei Dank - erhöhte Anforderungen in Bezug auf die Kindererziehung und die Mit­ hilfe im Haushalt gestellt. Der Mann von heute ist also gefordert sich diesen neuen Herausforderungen zu stellen. Er soll seine neuen Aufgaben wahrnehmen um gemein­ sam mit der Partnerin daran zu wachsen. » ® ... Emanzipation des Mannes ... «In Verbindung mit meiner ersten Antwort bedeutet dies für mich, dass sowohl der Mann als auch die Frau weg von kulturellen Stereotypen kommen sollten. Beide Geschlechter sollten in Gemeinsamkeit ihr Leben - ihren Interessen und Fähigkeiten entsprechend - gestalten. Erstaunlicherwei­ se gelten seil dem 19. Jahrhundert ähnliche Rollenbilder. Einen wirklichen Wandel hat ein Grossteil der Menschen noch nicht voll­ zogen.» ® ... Frauenbewegungen wozu ... «Wenn wir die Geschichte der Frauen anschauen, so ist es ganz klar, dass das weibliche Geschlecht zu lange unterdrückt worden ist. Nehmen wir beispielsweise nur den Zugang zur Bildung. Daher war die •Frauenbewegung als Geg'enbewegung zur «männlichen Unterdrückung> eine wichtige Bewegung, die sehr viel bewirkt hat. Mögli­ cherweise wurden jedoch gewisse Fragen falsch interpretiert. Wenn wir das Thema Gleichberechtigung nehmen, so entspricht sie nicht immer den wirklichen Intercssens- lagen 
des einzelnen Menschen. Es wäre meines Erachtens falsch die totale Gleichbe­ rechtigung zwanghafi herbeizureden, wenn die Interessen und Fähigkeiten des einzel­ nen Menschen nicht in ausreichendem Masse vorhanden-sind.» © .. .Geschlechterrollen im Wandel... «Die Geschlcchtcrrollcn-waren - geprägt vom bürgerlichen Rollenbild des 19. Jahr­ hunderts - tief verankert, und sie sind es zum Grossteil auch heute noch. In letzter Zeit hat sich diesbezüglich zwar sehr viel getan. Ich denke, dass es grundsätzlich rich­ tig ist, zum Wohle aller diese Rollen aufzu­ brechen. Wir müssen jedoch aufpassen, dass wir nicht zu neuen stereotypen Rollen kom­ men. Mir erscheint wichtig, dass jede Per­ son lernt, ihre Interessen und Fähigkeiten zu kennen und sie zu kommunizieren. Nur so können wir zu einem partnerschaftlichen Miteinander kommen, das für beide Geschlechter ein Gewinn bedeutet.» © 
.. .Wandel - Chance oder als Last... «Ich persönlich erlebe den Wandel als grosse Chance für beide Geschlechter. Es gibt selbstverständlich biologische Unter­ schiede über die wir gar nicht sprechen müssen um nur die Schwangerschaft als Beispiel anzuführen. Aber beispielsweise für die Kinder ist es doch wichtig, dass sie die Prinzipien von Mann und Frau gleich­ zeitig mit auf den Weg bekommen. Ausser­ dem wäre es sehr wichtig, dass Frauen in neue Bcrufsfelder vordringen, um ihre typisch weiblichen Kompetenzen einzubrin­ gen. Und jeder Stereotyp hat auch etwas Wahres. Ich denke da beispielsweise daran, dass Frauen Fähigkeiten hätten, Kriege zu verhindern.» POLIZEIMELDUNG Ermittlungserfolg VADUZ - Erstmals in der Geschichte der Kriminalitätsbekämpfung in Liechtenstein ist es dem Kriminaltechnischen Dienst der Landespolizei gelungen, einen Straftäter anhand seines genetischen Fingerabdrucks zu überführen. Bei einem Einbruchdiebstahl im Oktober 2002 im Gcmeindewerkhof Schaan, konnten biologische Spuren gesi­ chert und DNA-spezifisch ausgewertet wer­ den. Der Vergleich mit anderen DNA-Profi­ len führte schliesslich zur Identifizierung und Überführung des Täters. (lpfi) 
Wenn Frau und Mann reden Geschlechtsunterschiede - Gespräch mit Universitätsprofessor Dr. Georg Gittler TRIESEN - «Ich wünsche mir eine rücksichtsvollere Kommu­ nikation von beiden Geschlech­ tern, ohne Übertreibungen. Denn wir sollten lernen in Gelassenheit Unterschiede zuzulassen», so Georg Gittler, Ein Professor, der in aller Bescheidenheit sehr viel weiss - und der die Frau und den Mann Mensch sein lässt. • Karin Hassle r  • Volksblatt: Wie sind Sie duzu gekommen, an der Universität für Hunianwissenschaften in Triesen, einen Vortrag über Gcschlechtsunterschiedc zu hal­ ten? Georg Gittler: In meiner For­ schlingsarbeit befasse ich mich the­ matisch mit den Unterschieden von verschiedenen Personengruppen. Ich arbeite hauptsächlich in der Persönlichkeitsforschung. Die Frage der Gcschlcchtsunterschiede • stellt 
sich in der täglichen Arbeit immer wieder. Aufgrund dieser Kenntnisse bin ich eingeladen wor­ den hier in Triesen diesen Vortrag zu halten. Ein zentraler Punkt mei­ ner Forschungsarbeit ist das räum­ liche Vorstellungsvermögen. In dieser Forschungsarbeit sind die Unterschiede zwischen Frau und Mann bcstabgesichcrt dokumen­ tiert. Gibt es sie wirklich - die typi­ schen geschlechtsspezifischen Unterschiede oder sind sie ein Mythos? Beides ist richtig! Die Wirklich­ keit der Unterschiede beginnt schon im Mutterleib. Es ist bei­ spielsweise belegt, dass sich ein Knabe im Mutterleib mehr bewegt als ein Mädchen. Das heisst, Kna­ ben haben schon vor ihrer Geburt einen höheren Bewegungstrieb. Die rein biologischen Unterschiede müssen wir ja nicht erläutern .. . (lacht). Andererseits betreiben wir einen Mythos um diese Unterschie­ de, weil wir verschiedene kulturel­ le Stereotype in uns tragen und dazu neigen, diese zu übertreiben. Denn die wirklichen Unterschiede sind herzlich klein. Wir sind 
sozu-Prof. 
Georg Gittler: «Die wirklichen Unterschiede sind herzlich klein. Wir sind sozusagen Opfer unserer kulturell vorgegebenen Rollen.» sagen Opfer unserer kulturell vor­ gegebenen Rollen. Wo liegen die Grundlagen für die geschlechtsspezifischen Rollen? Grundsätzlich haben sich die Stereotypen seit dem 19. Jahrhun­ dert nur geringfügig verändert. Wir müssen aber mehrere Ebenen betrachten, um zu einer eigentli­ chen Grundlage zu kommen. Einerseits die biologisch-geneti­ sche Basis, andererseits die unter­ schiedliche hormonelle Situation als auch die hirnstrukturcÜen Unterschiede, die jedoch noch wenig erforscht sind. Dazu kom­ men noch die psychologischen Unterschiede, geprägt durch Kul­ tur, Interesse und Erziehung. All diese Faktoren zusammen ergeben dann die bestehende Grundlage. Wünschenswert wäre, dass sich die Frauen typisch männliche Attribute zu Eigen machen würden. Genau so sollen sich die Männer typisch . weibliche Eigenschaften zu Nutze machen. Im Fachjargon sprechen wir diesbezüglich, gemäss dem Psychoanalytiker Jung, von Anima und AnimuS. 
Das heisst, die Frau soll sich den männlichen Animus zum inneren Freunde machen und der Mann die innere Anima. Wir 
haben grundsätzlich diese Fähig­ keiten - wir müssen nur lernen sie zu unseren Gunsten zu nutzen. Sollen oder können die bestehen­ den Rollen durchbrochen ,wer- den? Es wird nie so sein, dass die bestehenden Rollen völlig aufge­ brochen werden. Denn die Kultur definiert die Rollen und dann dieje­ nigen Menschen, welche die Rol­ len am besten ausfüllen können. Das soll aber nicht heissen, dass jede und jeder die jeweilige Rolle übernehmen und sie ausfüllen muss - aber, wenn das Interesse besteht, muss die Möglichkeit bestehen. Wir müssen eigentlich nur lernen, unseren wirklichen Interessen und Fähigkeiten ent­ sprechend zu leben. Inwiefern bedeutet die Typisie­ rung der Geschlechter für Sie Schubladisierung? Keinesfalls! Im Gegenteil - das Erkennen und Wahrnehmen von Unterschieden hat für mich gar nichts mit Schubladisierung zu tun. Vielmehr erachte ich das Erkennen dieser Unterschiede als grosse Chance. Wir müssen uns die Frage erlauben, wie wir das aufgedeckte Zusammenwirken nutzen können, und inwieweit wir uns Eigenschaf­ ten aneignen können, um entspre­ chende Fördermassnahmen einzu­ leiten. Frauen und Männer heute leben in verschiedenen Realitäten - was halten Sie davon? Jeder Mensch lebt in seiner eige­ nen subjektiven — um nicht zu sagen unsachlichen Realität. Jedes Menschenleben ist unter­ schiedlich und birgt verschiedene Wahrheiten. Ein einfaches Beispiel von subjektiver Realität ist die Jun­ gend und das Aller. Ich persönlich glaube nicht, dass es wirklich gros­ se Unterschiede sind. Vielfach wird die Thematik hochstilisiert. Natür­ lich gibt es Verhaltensweisen oder Eigenschaften und Fähigkeiten die typisch weiblich bzw. typisch männlich sind. Wir sollten uns aber vorsehen, daraus ein Problem zu 
machen. Vielmehr sollten wir es als Herausforderung sehen, die beson­ deren Eigenheiten und Fähigkeiten gezielt zu fördern und sie zu nut­ zen, um so zu einem gemeinsamen Ganzen zu finden. Was wünschen Sie sich für die Frau von heute - den Mann von heute - den Mensch von heute? Eigentlich wünsche ich mir eine rücksichtsvollere Kommunikation miteinander ohne Übertreibungen. Ehrlich und offen miteinander zu sprechen - ohne Wenn und Aber und ohne den Hintergedanken des Rollcnbildcs im Kopf. Wir müssen die Frage zulassen: <Wic lösen wir das Probleni?> Wenn wir uns dazu hoch eine Gelassenheit aneignen die Unterschiede zulässt und vor­ handene Defizite aufgrund entspre­ chender Massnahmen fördert, dann könnten wir zu einem befriedigen­ den. partnerschaftlichen 
Miteinan­ der finden. Und noch etwas: Zerre­ den wir das Leben nicht und lassen der Spontanität ihren Platz! ZUR PERSON Georg Gittler ist Universitäts­ professor in Wien sowie Fakul­ tätsmitglied der Human- und Sozialwissenschaftlichen Fakul­ tät der Universität Wien als auch Vorstandsmitglied der Öster­ reichischen Gesellschaft für Psychologie. An der Universität in Wien ist er Leiter im Arbeits­ bereich Persönlichkeitsfor­ schung. Georg Gittler ist verhei­ ratet und hat einen Sohn im Alter von 16 Jahren und eine Tochter im Alter von 14 Jahren. Er lebt mit seiner Ehefrau eine partnerschaftliche Rollenteilung die zwar herausfordernd ist, ihm aber sehr viel Freude bereitet. Kürzlich hat Professor Gittler an der Universität für Human­ wissenschaften in Triesen einen viel beachteten Vortrag, mit dem Titel «Geschlechtsunterschie­ de» gehalten. Interessantes Detail am Rande: im Publikum waren fast nur Frauen. DIAVORTRAG «Waldkindergarten?» GRABS - Am Donnerstag, 13. Februar, um 20 Uhr, findet in der Aula Kirchbünt in Grabs ein Vortrag (mit Dias) statt zum Thema Waldkin­ dergarten. Die Nalurpädagogik hat 
Wind in den Segeln, die Anzahl der «Waldkinder» in St. Gallen wächst rasant. Der erfahrene Waldkinder­ gärtner Marius Tschirky erzählt von seiner vielfältigen Arbeit. Wieso wer­ den diese Kinder schulreif, ganz ohne Arbeitsblätter und Lernspielzeug? 
Was macht der Waldkindergarten bei schlechtem Wetter? Auf diese und viele weiteren Fragen wird im Vor­ trag eingegangen. Die Waldpädago­ gik bietet auch im Hinblick auf die Basisstufe interessante Ausblicke (in St.Gallen schliesst sich organisch die 
«Waldschule», 1 ,/2.Klasse, dem Kin­ dergarten an). Der Vortrag ist nicht nur für Eltern, sondern auch für Kin- dergärtner/-innen, LehrerAinnen und Behördenmitglieder gedankenanre­ gend. Organisiert wird der Anlass von der Elternwerkstatt in Grabs. Wie steht es um meine Rechte? SCHAAN - Die infra (Informati- ons- und Kontaktstelle für Frau­ en) führt Mitte Februar wieder unentpeitiiehe Rechtsberatun­ gen für Frauen durch. Wenn Sie in einer schwierigen Lebenssi­ tuation stecken, können Bera­ tung und Information bei der Lösung Ihrer Probleme ein erster Schritt sein. Auch Frau­ en, die für ihre Zukunft Vorsor­ gen und einfach mehr über ihre Rechte wissen möchten, kön­ nen die Rechtsberatung in Anspruch nehmen. 
Rechtsauskünfte für Frauen in der infra Erfahrene Juristinnen beraten in Einzelgesprächen und klären Sie über Ihre rechtliche Situation auf: - Steht Ihnen eine Trennung oder Scheidung bevor und möchten Sie sich darauf vorbereiten? - Bereitet Ihnen das Ausbleiben des Unterhaltes Sorgen? - Haben Sie Fragen zu den Kinds- rechtcn? - Möchten Sie über Ihre Rechte und Pflichten als Ehefrau genau informiert werden? - Planen Sie mit Ihrem Partner den 
Kauf von Wohnungseigentum und möchten Sie die Besitzverhältnisse fair regeln? - Leben Sic ohne Trauschein mit Ihrem Partner zusammen und möchten Sie Ihre Partnerschaft fair regeln und für Ernstfälle Vorsor­ gen? - Möchten Sie sich über das Erb­ recht informieren? - Wollen Sie sich darüber infor­ mieren, welchen Schutz das Gleichstellungsgesetz vor Diskri­ minierung am Arbeitsplatz bietet? 
Voranmeldung erforderlich Für die Beratungen sind Voran­ meldungen erforderlich, es emp­ fiehlt sich eine umgehende Anmel­ dung, da die Termine erfahrungs- gemäss rasch ausgebucht sind. Die infra nimmt Ihre Anmeldungen gerne unter der Telefonnummer 232 08 80 während der Öffnungs­ zeiten (Montag bis Donnerstag jeweils von 8.30 bis 11.30 Uhr und Donnerstag von 14 bis 16 Uhr) ent- - gegen.
	        

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