Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

SAMSTAG, 27. SEPTEMBER 2003 VOLKS I 
CDHDT JAHRESBERICHT DES BLATT I orun I LFV-PRÄSIDENTEN 
27 • • «Öffentlichkeit und Präsidenten getäuscht» Jahresbericht des LFV-Präsidenten Reinhard Walser VADUZ - Die am kommenden Mon­ tag in Balzers stattfindende Dele­ giertenversammlung des Liech­ tensteiner Fussballverbandes wirft ihre Schatten voraus: Ges­ tern wurden den Medien die diver­ sen Jahresberichte zugestellt und darin ist zu entnehmen, dass die seit Wochen anhaltenden Gerüch­ te über dubiose Finanzgebahren im LFV nicht unbegründet sind. Aus diesem Grund veröffentlicht das Volksblatt den Jahresbericht des LFV-Präsidenten Reinhard Walser in ungekürzter Form. «Gerade mal 100 Tage dauerte meine Präsidentschaft im abgelaufenen Ge­ schäftsjahr 2002/03. Viel zu wenig, um einen verantwortungsvollen, um­ fassenden Jahresbericht abzuliefern. Lang genug, um erste Eindrücke fest­ zuhalten. Ich werde meinen Bericht daher auf das meiner Meinung nach Wichtigste reduzieren und eher persönlich kom-, mentieren als berichten. Auch habe ich meine Kollegen im Vorstand gebe­ ten, ebenfalls einen Jahresbericht aus ihrer Sicht zu schreiben. Dies ist für die Leser nicht optimal, da gewisse , Anliisse und Ereignisse doppelt abge­ handelt werden und der rote Faden et­ was fehlt. Ich hoffe allerdings, den nächsten Geschäftsbericht kompakter und in sich geschlossener vorbereiten zu können. Den vorliegenden'Bericht werde ich in drei Bereiche unterteilen: Als Erstes möchte ich die ersten Eindrücke als Präsident des LFV festhalten. Dann möchte ich gewisse Grossereignisse kurz beleuchten, obwohl diese, zu­ mindest teilweise, das Geschäftsjahr zeitlich überlagern. Und zu guter Letzt möchte ich in die Zukunft schauen und die wichtigsten Aufgaben des Ver­ bandes antippen. Bei meinen kriti­ schen Bemerkungen ist es durchaus möglich, dass ich den einen oder an­ deren persönlich treffe. Dies ist nicht meine Absicht. Ich wollte lediglich auf gewisse Situationen hinweisen, damit diese sich nicht wiederholen und wir daraus gemeinsam die richti­ gen Schlüsse ziehen. Der LFV in einer schlechten Form Bereits vor meinem Antritt wusste ich, dass sich der LFV nicht in einer besonders guten Form befindet. Was ich dann allerdings antraf, war bedeu­ tend schlimmer, als ich erwartet habe. Vor allem zwei Gegebenheiten haben mich sehr überrascht: Das Kommuni- kationsklima'tind der Umgang mit den Finanzen. Zur Kommunikation: Zwi­ schen Technik und Vorstand war ent­ weder Funkstille oder es wurde nicht offen und konstruktiv miteinander kommuniziert. Die meiste Zeit wurde übereinander (nicht miteinander) ge­ sprochen. Gesucht wurde laufend der Schuldige. Das Vertrauen war total zerstört. Auch bekam ich den Ein­ druck, dass der Zwist zwischen den früheren und dem heutigen Vorstand alles andere als bereinigt war. Mitglie­ der von früheren Vorständen versuch­ ten, teils direkt und teils über ihre «Vertrauensleute» bei jeder sich bie­ tenden Gelegenheit eine «Krise» aus­ zumachen. Der Anfang bestand daher mehr oder weniger in kurzfristigen «Löschaktionen». Eine unmögliche Situation. Ralph ^oose wurde schluss­ endlich Opfer dieser miserablen Situ­ ation, wobei ich weit davon entfernt bin, ihn als Alleinschuldigen darzu­ stellen. In seiner Funktion war er allerdings Dreh- und Angelpunkt und massgeblich für die schlechte Kom­ munikation verantwortlich. Sein Ver­ halten und seine Uneinsicht waren für r^ich nichvjachvollziehbar. 
«An der Grenze von Treu und Glauben» Zum Umgang mit den Finanzen: Ich bekam den Eindruck, der LFV sei ein Selbstbedienungsladen/Jeder und je­ de stellte seine Dienste dem LFV zwar zur Verfügung, stellte entsprechend aber saftige Rechnungen. Es schien, als ob das Geld «unkontrolliert» aus­ gegeben wurde. Ich erkannte keine Kontrollmechanismen, ich vermisste eine Budgetkontrolle, auch waren bei gewissen Aufträgen keine Vereinba­ rungen vorhanden. Dies ging so weit, dass der LFV sich an der Grenze von Treu und Glauben bewegte. Vieles ist für mich noch heu­ te unerklärlich, ein professionelles Finanzmanagement und ein sich zu 100 % in die Dienste des LFV zu stel­ len war in den letzten Jahren nicht überall sichtbar. Drei Beispiele Als Beispiel seien drei Gegebenhei­ ten aufgeführt, die das Finanzgebaren der letzten Jahre aufzeigen soll: • Der neueste Vertrag betr. die Fem- sehrechte wurde von der Infront recht­ lich erpresst und hinterlässt viele offe­ ne Fragen. Der Vertragspartner drohte dem LFV, wenn er den Vertrag nicht endlich unterschreibe, er den Verband anklagen würde. Die Uefa empfahl dem LFV, sich nicht länger als vier Jahre binden zu lassen. Stand heute können wir festhalten, dass zu dieser Zeit deutlich bessere Angebote auf dem Tisch lagen, die nicht einmal dis­ kutiert wurden. Anstelle der empfohle­ nen vier Jahre wurde ein Vertrag über sechs Jahre abgeschlossen, mit einer Option zur Verlängerung. Das ganze Vorgehen und die besonderen Umstän­ de lassen eigentlich nur eine Vermu­ tung zu: Entweder man hat sich fahr­ lässig verhalten oder es gibt neben den offiziellen Abmachungen noch andere (nicht bekannte) Gründe, welche die Entscheidung beeinflusst haben. Finanzbild des LFV verschönert • Bei der Bilanzierung vor einem Jahr wurden die Öffentlichkeit und die Prä­ sidenten getäuscht. Man aktivierte Verbrauchsgüter (Tenue, Videokasset­ ten 
etc.) im Wert von rund Fr. 250 000.-. Man bilanzierte eine Spen­ den-Zusage des damaligen TK-Chefs in der Grössenordnung von über Fr. 100 000.- (obwohl bereits damals be­ kannt war, dass dessen «wirtschaftli­ che Situation», nicht besonders gut war). Und man adressierte eine Rech­ nung von Fr. 58 000.- an die Uefa für Arbeiten, die man gar nicht gemacht hatte. Die Rechnungsstellung war völ­ lig unberechtigt. Stand heute müssen wir sogar annehmen, dass die Rech­ nung gar nie an die Uefa geschickt wurde. Auf jeden Fall erklärt uns die Uefa, dass sie eine entsprechende Rechnung nie bekommen habe und für eine Rechnungsstellung auch gar kein Anlass bestand. Ganz offenbar ging es hier nur darum, das Finanzbild des LFV zu verschönem. • Drei Monate vor der U19-EM hatte man keinen einzigen Sponsor. Eine Pauschalentschädigung von Franken 200 000.- hat man vor einem Jahr ab­ gelehnt in der irrigen Meinung, man würde selber mehr erreichen. Für die Werbung beim Türkeispiel hatte man einen Vertrag mit einer unbekannten Firma in Deutschland, die sich kurz­ fristig nicht in der Lage sah, die ver­ sprochenen Werbeverträge einzulösen. Es musste über Nacht eine neue, wirt­ schaftlich schlechtere Alternative (kurzfristig) gesucht werden. Ausgabeneuphorie Durch diese wirtschaftlichen Ma­ chenschaften hat der Verband einer­ seits viel'poodwill verloren und ande« 
Respekt: LFV-Präsldent Reinhard Walser spricht In seinem Jahresbericht die finanziellen Probleme des Fussballverbandes offen an. rerseits wurde er - neben der Ausga­ beneuphorie - an den Rand des finan­ ziellen Ruins getrieben. Um dies zu verbergen, hat man - wohl bewusst - die Finanzdaten der letzten Jahre ver­ schönert. ' Sportkonzept nicht vorhanden Ich musste zudem erkennen, dass ein verabschiedetes Sportkonzept nicht vorhanden war. Der Spitzenfuss­ ball in Liechtenstein war in den frühe­ ren Jahren ausgesprochen erfolgreich. Ich bekam den Eindruck, dass parallel zu den Führungsschwächen in den .letzten Jahren die konsequente Weiter­ entwicklung der qualitativen. Ausbil­ dung ebenfalls vernachlässigt wurde. Es fehlte das einheitliche Konzept. Irgendwie kochte jeder sein eigenes «Süppchen». Die Kommunikation untereinander fehlte, ebenso die Moti­ vation. Und als Letztes stand die Europa­ meisterschaft der U19-Junioren vor der Tür. Hier musste versucht werden, das zu dieser Zeit noch aktuelle Bud­ get mit einem Minus von rund Fr. 400 000.- in eine schwarze Null um­ zuwandeln. Drei Monate vor dem Start der EM war vieles unklar und ungelöst. Man muss sich fragen, was in den letzten zwei, drei Jahren in der Vorbereitung gemacht wurde. Das hiess für mich: Zeit für eine «normale» Einführung war unter die­ sen Umständen nicht möglich. Es musste gehandelt werden. Diese ersten Eindrücke möchte ich nicht als Schuldzuweisung verstehen. Sondern: Ich möchte vor allem aufru­ fen, dass solche Entwicklungen zu­ künftig nicht mehr passieren dürfen. Wir alle, vor allem die Präsidenten der Vereine und die Medien, müssen hier ihre Kontrollaufgaben verstärkt wahr­ nehmen. Der LFV im Hoch Ganz im Gegensatz zur Form des Verbandes gab es im sportlichen Be­ reich höchst erfolgreiche Ergebnisse. Speziell zu erwähnen sind die beiden Länderspiele gegen England, welche, für Liechtenstein europaweit beste Werbung boten. Auch das Spiel gegen die Türkei war sowohl sportlich als auch organisatorisch ein schöner Er­ folg. Dass beide Heimspiele grössere Sicherheitsmassnahmen notwendig machten, war die Kehrseite der Me­ daille. Hier ist es dringend notwendig, dass zwischen Staat und Fussballver- band eine gütige Einigung erziel^ 
wird. Wir hoffen sehr, dass in Liech­ tenstein das gleiche Prinzip gelten soll wie in allen anderen Kleinstaaten Eu­ ropas. Abklärungen haben nämlich gezeigt, dass in Luxemburg, Malta, Zypern. Färöer, Andorra, San Marino etc. eine einheitliche Aufgabenteilung gilt: Im Stadion ist organisatorisch und finanziell der Verband zuständig, ausserhalb des Stadions ist der Staat verantwortlich, ebenfalls organisato­ risch und finanziell. Für uns heisst dies: Nur, wenn der Staat bereit ist, im Bereich der Sicherheit seinem staatspo­ litischen Auftrag nachzukommen, kann Liechtenstein auch in Zukunft interna­ tional mitmachen. Wenn er nicht bereit ist, diese Sicherheitsaufgabe zu über­ nehmen, müsste der LFV sich von der internationalen Bühne verabschieden. Parallel zu diesem Schritt müsste der Spitzenfussball bei den Junioren eben­ falls gestrichen werden. Denn nur, wer international mitmacht, kommt in den Genuss der entsprechenden finanziel­ len Unterstützung. Die Kleinen in Europa können an den internationalen Wettbewerben nur teilnehmen, wenn sie die Sicherheit haben, bei Ausnahmesituationen (um solche handelte es sich bei den beiden Heimspielen gegen England und die Türkei) die Unterstützung des Staates zu bekommen.' In den letzten Jahren hat dies auch immer gut funktioniert. Mit 
England und der Türkei, ver­ schärft durch den Irak-Krieg, hatten wir in diesem Jahr Extrem-Situatio- nen. Werbewirksamkeit des Fussballs Ganz im Gegensatz zu diesen Kos­ ten muss allerdings in aller Deutlich­ keit die ausserordentliche Werbewir­ kung für Liechtenstein betrachtet wer­ den. Dieser Werbewert liegt um ein Vielfaches über den Sicherheitskos- ' ten. Nur als Beispiel: Das Heimspiel gegen England ergab bei der TV- Übertragung mehr als 10 Millionen Fernsehzuschauer in Grossbritannien. Allein diese Werbewirkung wird von Experten mit rund drei Millionen Franken bewertet. Um vieles höher müsste das Rückspiel in England be­ wertet werden. Dieses wurde in vielen Ländern rund um den Erdball direkt übertragen. Hinzu kommt eine immense Be­ richterstattung in den Printmedien. Was iins hier allerdings noch fehlt, ist ein intelligentes Konzept, um die Marketingmassnahmen noch wir­ kungsvoller umzusetzen. Ein solches 
Konzept sollte zwischen Staat und LFV erarbeitet und umgesetzt werden. Neben, den wirtschaftlichen Überle­ gungen muss auch die sportliche Leis­ tung positiv unterstrichen werden. So­ wohl Ralph Loose wie auch Walter Hörmann haben mit ihren Mannschaf­ ten tolle Spiele geboten und sich bei der internationalen Fussballwelt Ach­ tung und Respekt verschafft. Das jun­ ge Team ist selbstbewusst aufgetreten und hat als David gegen Goliath Her­ vorragendes geleistet. Chapeau! Schönes Ereignis Ein für Liechtenstein und den Ver­ band ausgesprochen schönes Ereignis war auch die EM der Unter-19-Junio- ren. Auch hier stimmte vieles. Sport­ lich hat sich das heimische Team den Erwartungen entsprechend geschla­ gen. Viel mehr war nicht drin und konnte auch nicht erwartet werden. Der Anlass war organisatorisch und zuschauermässig ausgesprochen gut. Auch hier lag der Werbewert für unser Land weit über den üblichen Möglich­ keiten. Über 20 Stunden wurden live am Fernsehen übertragen. Eine für Liechtenstein noch nie dagewesene Medienpräsenz. LFV auf dem Weg zur Höchstform? Wir müssen mit uns ehrlich sein: Der Fussballverband ist in der Krise und er wird einige Jahre benötigen, bis • er wieder zur Höchstform kommen wird. Allein für die wirtschaftliche Gesundung sind - selbst bei einem enormen Kraftakt - mindestens drei Jahre notwendig. Auch sportlich muss im Juniorenbereich vieles neu aufge­ gleist werden. Auch dazu brauchen wir Zeit. Eine sportliche Besserung kann nicht von heute auf morgen erfol­ gen. Die Nationalmannschaft profitiert von der guten Arbeit der früheren Jah­ re und hat alles in allem einen guten, hoffnungsvollen Stamm. Hier darf in den kommenden Jahren mit einer wei­ teren Steigerung gerechnet werden. Entscheidend für das kommende Geschäftsjahr wird allerdings sein, dass: • es uns gelingt, die Kosten in den Griff zu bekommen, das heisst: Aus­ gaben reduzieren, neue Erträge gene­ rieren, Kontrollmechanismen einfüh­ ren. • wir gemeinsam, im Vorstand und im Verhältnis zu den Trainern und den Präsidenten, einen konstruktiven Dia­ log finden. Dass wir gemeinsam am gleichen Strick ziehen und kraftvoll anpacken. Nur gemeinsam sind wir stark und können im Rahmen unserer Möglichkeiten erfolgreich sein. • wir möglichst bald ein sportliches Konzept für den Spitzenfussball erar­ beiten, das für die nächsten drei bis fünf Jahre als Guideline gelten soll und konsequent umgesetzt wird. Diesbezüglich möchte ich auf die Ziele und das Leitbild des LFV-Vor­ stands im Anschluss an die Jahresbe­ richte hinweisen. Heizlidhen Dank Ich möchte die Gelegenheit wahr­ nehmen, allen, die sich für den LFV eingesetzt haben, herzlich zu danken: Den Vorstandsmitgliedern, den Trai­ nern, den Helfern, Judith Frommelt und Roland Frommelt von der neuen Geschäftsstelle, Renate Bachman und ihrer 
Crew- für die Organisation der U19-Europameisterschaft, der Ge­ meinde Vaduz, der Regierung, der Sportkommission, dem . LOSV und den regionalen und internationalen Dachoi^anisationen. Trotz düsterer Vorzeichen: Für die Zukunft des LFV bin ich zuversicht­ lich. Gemeinsam werden wir es packen.» Reinhard,^Walser ^ Ki ''S
	        

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