Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

MONTAG, 17. MÄRZ 2003 VOLKS I 
IMI 
AMR AUSZÜGE AUS DER MEDIENKONFERENZ BLATT 
I INLMIllL/ FÜRST UND REGIERUNGSCHEF GABEN AUSKUNFT EUROPARAT «Der Wille des Volkes muss respektiert werden» STRASSBURG - Der Generalsekretär des Europarates, Walter Schwimmer, hat gestern das Ergebnis der Abstimmung als «eine eindeutige Annahme des Vorschlags des Fürstenhauses zu einer Verfassungsän­ derung» .gewertet. Volkswillen respektieren «Der souveräne Wille des Volkes, der in freier und demokratischer Art und Weise zum Ausdruck kam, muss respektiert wer­ den», sagte. Walter Schwimmer. Schwimmer weiter: «Jedoch kommt es - wie die Venedig-Kommission des Europara­ tes bereits sagte - in einer konstitutionellen Monarchie auf die konstitutionelle Praxis an», so der Generalsekretär weiter. «Der Europärat wird daher die Verfassungspraxis genau beobachten und ich hoffe, dass die neuen Verfassungsbestimmungen dazu benutzt werden, die demokratischen Institu­ tionen zu stärken und die Unabhängigkeit der Gerichte zu wahren.» Der Europarat als eine 44 Mitgliedsstaa­ ten umfassende paneuropäischc Organisati­ on, die auf gemeinsam vertretenen Werten und höchsten demokratischen Prinzipien beruht, muss die einheitliche und garantier­ te Achtung dieser Werte auf dem gesamten Kontinent sicherstellen, und zwar unabhän­ gig von verschiedenen Verfassungen oder politischen Traditionen. MEINUNGEN Michael Bieder­ mann: Ich bin sehr froh, dass das Ergeb­ nis so eindeutig ist, weil damit nachher politisch ganz anders argumentiert werden kann. Ich hoffe, dass die Demokratiebemühungen dann auch nach demokratischen Grundsätzen akzeptiert werden, damit diese Zerreissprobe auch wirklich abgeschlossen ist. Mike Trümmer: Ich habe mir eigentlich schon gedacht, dass es so rauskommt, die |" Leute, die ich kenne, sind eigentlich alle für den Fürsten. Ich finde es einfach gut, was der Fürst bisher für uns getan hat und hoffe, dass diese Lösung akzeptiert wird und dass sich 
jetzt alles wieder einpendelt. Didi Marxer: Ich bin mit dem Ergebnis schwer zufrieden. Hier in Mauren hält man sowieso zusam­ men und dass wir jetzt über 72 Prozent gemacht haben, das ist natürlich bombastisch. Es freut mich, dass aber das ganze Land hinter dem Fürs­ tenhaus steht. Ich wünsche dem Erbprinzen nach der Amtsübernahme auf jeden Fall einen super Start, ich hoffe, dass er voll ein­ hängt und das Land so gut weiterführt. Rita Bühler: Ich bin wunderbar über­ rascht, das ist einfach grossartig! Ich hoffe, dass der Fürst jetzt bei uns bleibt und dass es endlich Frie­ den gibt. Ausserdem hoffe ich, dass die, die dagegen gestimmt haben, sich jetzt eines Besseren besinnen. Ich habe einfach von meinem Herzen her­ aus entschieden. Uns ist es noch nie schlecht gegangen und wir haben immer nur profitiert. 
Jetzt wieder zusammenarbeiten V- * Fürst Hans-Adam II. 
stellte sich den Fragen der in- und ausländischen Medien VADUZ - Trotz akuter Grippe beantwortete der Landesfürst gestern viele Fragen der zahl­ reich angereisten in- und aus­ ländischen Journalisten. Hier eine Zusammenfassung: «Dort« Meie r Durchlaucht, haben Sie mit einem solchen klaren Ergebnis gerech­ net? Fürst Hans-Adam: Ich habe per­ sönlich immer gehofft, dass es über 60 Prozent sind, wohlwissend, dass es eine optimistische Erwartung ist. Man muss berücksichtigen, dass zwei Parteien, die rund 50 Prozent der Wähler vertreten, und auch in der Fortschrittlichen Bürgerpartei eine Reihe von prominenten Persönlich­ keiten gegen unsere Initiative waren. Ich glaube, unter diesen Vor­ aussetzungen ist es doch ein Ergeb­ nis, das die Erwartungen übertrof­ fen hat. Wieso haben Sie und auch der Erbprinz bei der Fernsehsendung im Landeskanal vom Ausschluss aus dem Europarat geredet? Wir sind halt dahingehend gefragt worden, weil ja aus Liechtenstein Bemühungen da waren, dass man uns im Europarat verurteilt. Es sind aus Liechtenstein Initiativen gestar­ tet worden, die bis jetzt allerdings nicht erfolgreich waren und ich glaube auch in Zukunft nicht erfolg­ reich sein werden. Lctztendlich wird der Europarat eine demokrati­ sche Entscheidung des liechtenstei­ nischen Volkes respektieren. Der Sinn und Zweck des Europarates ist ja die Etablierung der Demokratie' in Europa, er würde also seinen eigenen Prinzipen widersprechen. Warum wollen Sie eigentlich die absolute Macht haben? Haben Sie die liechtensteinische Verfassung angeschaut? Gelesen haben Sie sie nicht. Schauen Sie, Ihre Aussage stimmt insofern nicht, weil wir ein demokratischer Rechts­ staat sind, der mehr demokratische 
Fürst Hans-Adam II.: «Wir sind einfach ein zu kleines Land, als dass wir uns es leisten könnten, Uber Generationen hinweg zu streiten.» Rechte kennt als fast alle Mitglied­ staaten des Europarates. Nur die Schweiz hat vergleichsweise gleich viel demokratische Rechte. Es gibt ganz wenige europäische Staaten, die so ein ausgebautes Rechtssys­ tem haben wie Liechtenstein. Es hat keine Sinn, irgendwelche Lügen­ oder Propagandamärchen, die viel­ leicht irgendwo jemand in die Welt gesetzt hat, zu glauben. Es gibt ja Gegner der Fürsteninitiative, die gesagt haben, dass Liechtenstein jetzt vom 20. Jahrhundert ins 17. Jahrhundert zurückwandert und das ist von Journalisten begierig aufge­ nommen worden, ohne sich nur ein­ mal die Mühe zu machen, sich wirk­ lich 
mit dem Thema zu befassen. Im Vorfeld der Abstimmung haben sich tiefe Gräben im Land aufgetan, wie kann man diese wieder schliessen? Ich glaube, wenn man die liech­ tensteinische Politik über die letzten Jahrzehnte verfolgt hat, dann sieht man, dass es in Liechtenstein immer wieder scharfe Auseinandersetzun­ gen gegeben hat. Und wenn dann mal eine Frage entschieden worden 
ist, dann haben sich die Gräben wie­ der geschlossen und man hat wieder zusammengearbeitet im Interesse des Landes. Wir sind einfach ein zu kleines Land, als dass wir uns es leisten könnten, über Generationen hinweg zu streiten. Wie sehr hat dieser Streit dem Image des Landes Liechtenstein geschadet? Er hat sicher sehr geschadet. Das ist gar keine Frage. Das war mir auch von Anfang an klar, als diese Verfassungsdiskussion im Jahre 1992 öffentlich ausgebro­ chen ist. Aber man muss natürlich in so einem Fall abwägen, wie gross der aussenpolitische Scha­ den sein wird. Man muss ja eine demokratische Freiheit im Land haben und der muss man auch freien Lauf lassen, obwohl das manchmal sehr unangenehm und hart ist. Ich glaube letzten Endes profitieren wir doch, dass wir hier eine offene Streitkultur pflegen, bei der man sich manchmal fast prügelt. In der Vergangenheit haben wir aber gesehen, dass auch politische Gegner nach einer Aus­einandersetzung 
immer wieder zusammengestanden und zusam­ mengearbeitet haben im Interesse des Landes. Wer in diesem Land aufgewach­ sen ist, weiss, wie sehr das Volk in den letzten Jahrzehnten mit dem Fürsten verbunden war. Wenn man jetzt aber dieses Ergebnis anschaut, dann hat Ihnen jetzt ein Drittel der Bevöl­ kerung das Vertrauen entzogen und könnte damit leben, dass Sie in Wien sind. Schmerzt Sie diese Vorstellung? Natürlich ist es schmerzlich, dass ungefähr ein Drittel der Bevölkerung dieses Vertrauen nicht mehr gehabt hat. Es ist aller­ dings auch nicht ganz erstaunlich, wenn man bedenkt, dass über Jahre hinweg von führenden Politi­ kern dieses Misstrauen geschürt wurde. Immerhin sind ja zwei Par­ teien, die fast 50 Prozent der Wähler repräsentieren, nicht hinter der Fürsteninitiative gestanden. Das Ergebnis zeigt eher, dass auch bei Mitgliedern dieser Parteien das Vertrauen ins Fürstenhaus grösser war als in die eigene Parteileitung. Was für wichtige Aufgaben kom­ men jetzt auf Liechtenstein zu? Schon seit einiger Zeit ist der Finanzplatz eine Herausforderung, mit 
dem Thema werden wir uns auch in Zukunft befassen müssen. Dann ist da auch die Frage der europäischen Integration und wie diese weitergeht: Stichwort EWR. Natürlich auch die generelle wirt­ schaftliche Entwicklung des Lan­ des wird künftig Thema sein. Es stellt sich die Frage, in welche Richtung wir gehen wollen. Sollen wir weiter anziehen und uns weite­ re Industriebetriebe ins Land holen? Sollen wir ein Stadtstaat werden? Sollen wir die Struktur behalten, die wir haben? Das sind viele Fragen und Diskussion, die uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten beschäftigen werden. Keine unüberwindbaren Gräben Antworten von Regierungschef Otmar Hasler auf Fragen der Medien VADUZ - «Wichtig ist jetzt, dass man ein Klima der Toleranz behält, denn nur dann sind demokratische Entscheide möglich», dies betonte Regie­ rungschef Otmar Hasler vor versammelter in- und ausländi­ scher Presse. Hier eine Zusam­ menfassung der Fragen der Medienvertreter an den Regle­ rungschef. «Poris Mela r Wird es jetzt ein Volksfest geben nach der Abstimmung? Otmar Hasler: Ich denke, dass es jetzt wieder an die Arbeit geht. Erstens 
einmal können wir nur alle miteinander Gewinner sein, wenn wir wieder aufeinander zugehen und die grossen Aufga­ ben, die vor uns liegen, gemein­ sam angehen. Wenn wir das schaf­ fen, dann glaube ich, sind wir wirklich alle Gewinner und das ist eigentlich auch das Anliegen der Regierung und sicher aifch des Landesfürsten. Ein offizielles Fest wird es nicht geben, das war eine 
Otmar Hasler: «Jetzt müssen wir wieder aufeinander zugehen.» demokratische Entscheidung und wir nehmen dies einfach zur Kenntnis. Wie sieht jetzt die Umsetzung dieser Verfassung aus? Wir haben jetzt erst einmal abgewartet, wie das Ergebnis aus­sieht. 
Jetzt werden wir die nächs­ ten Schritte überlegen und die ent­ sprechenden Vorarbeiten 
einleiten, damit dann diese Verfassung auch umgesetzt werden kann. Bis die neue Verfassung in Kraft ist, wird es aber noch einige Wochen dau­ ern. Wie sehr hat diese Auseinander­ setzung dem Land geschadet? Ich denke, dass es sehr wichtig ist, bei demokratischen Auseinan­ dersetzungen die verschiedenen Standpunkte zum Ausdruck zu bringen und sich hier zu engagie­ ren. Da ist es auch klar, dass hier auch Emotionen mit im Spiel sind. Deshalb war das sicher eine Probe für Liechtenstein. Ich spreche allerdings nicht von Gräben, wenn man von Gräben spricht, dann glaubt man auch daran, dass diese unüberwindbar 
sind. Wichtig ist jetzt, dass man ein Klima der Toleranz behält, denn nur dann sind demokratische Entscheide möglich. Es ist auch wichtig, dass man aufeinander zugeht und dass 
wir miteinander die zukünftigen Aufgaben angehen. Es sind wirk­ lich grosse Aufgaben, die anstehen und da brauchen wir alle dazu. Was ist für Sie der entscheiden­ de Zugewinn der neuen Verfas­ sung? Da gibt es verschiedene Antwor­ ten. Erstens einmal ist es gelungen, zwischen Fürst, Regierung und der Mehrheit der Landtagsabge­ ordneten zu einem Konsens zu kommen. Das ist in einer dualen Staatsform notwendig, um über­ haupt eine Verfassungsänderung durchfuhren zu können. Zweitens gibt es Klarstellungen in der neuen Verfassung, die in der alten Verfassung immer wieder zu Streitigkeiten in der Auslegung geführt haben. Drittens hat künftig in letzter Konsequenz das Volk die Möglichkeit, aus diesem Dualis­ mus auszusteigen, indem das Volk eben die Staatsform wechselt und dazu braucht es dann keine Gegenzeichnung mehr des Lan­ desfürsten.
	        

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