Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
AUSLAND Samstag, 9. Februar 2002 
35 Brisante Themen in Caceres Reichlich Sprengstoff bei EU-Aussenministertreffen in Spanien - Erstmals gemeinsamer militärischer Einsatz angestrebt Am Freitag kamen die EU-Aussenminister (Bildmitte: Italiens Premier- und Aussenminister Berlusconi) zu Beratungen in Spanien zusammen. Die Themen sind auch dieses Mal wieder äusserst brisant. 
CACERES/SPANIEN: Informelle Treffen der EU-Aussenminister bergen meist reichlich Spreng­ stoff. Am Freitag kamen die 15 zu zweitägigen Beratungen im spanischen Caceres zusammen, um über die anstehenden Auf­ gaben zu beraten - ganz ent­ spannt und ohne Beschlüsse zu fassen, wie immer bei den zwei Mal pro Jahr stattfindenden in­ formellen Gesprächen. Die The­ men allerdings waren auch diesmal brisant: Wird die EU erstmals die Leitung einer mi­ litärischen Mission überneh­ men? Wie wird die Erweiterung um zehn Länder finanziert? Wie kann der Nahost-Konflikt gelöst werden? Antworten wollten die Minister auf Einladung des spanischen Rcssortchefs Josep Pique in der historischen Klein­ stadt Caceres in der autonomen Regi­ on I xtremadura im Westen des Landes linden. Seit 1986 steht die mit Bau­ werken aus Renaissance und Gotik ge- schmuckte Altstadt von Caceres als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO. Am Abend wollten sich die Minister, darunter auch der italieni­ sche Regierungschef Silvio Berlusconi, von der Pracht bei einem Spaziergang selbst überzeugen. So weit die Entspannung. Schon beim Mittagessen befassten sich die Minister mit ernsteren Dingen. Die Möglichkeit, dass die EU erstmals un­ ter dem Schirm der Europäischen Si- cherheits- und Verteidigungspolitik (F.SVP) die Führung einer militärischen 
Operation übernimmt, stand zur De­ hatte. Im Visier hat die EU den unter NATO-l.eitung laufenden Einsatz in Mazedonien. Das am 26. März ablau­ fende Mandat der Allianz, wird zunächst voraussichtlich um drei Mo­ nate verlängert, was danach geschieht, ist offen. Die grundsätzliche Einsatzbereit­ schaft der schnellen Eingreiftruppe hatten die EU-Staats- und Regierungs­ chefs auf dem Gipfel Mittel Dezember 
in Lacken erklärt. Zumindest die am­ tierende spanische EU-Ratspräsident- schaft und EU-Chefausscnpolitiker Ja­ vier Solarut dringen nun darauf, dass die Union das Ruder in Mazedonien übernimmt. Auch Italien hat bereits Zustimmung signalisiert und Bundcs- aussenminister Joschka Fischer sprach von «interessanten Vorstellungen», de­ nen die Bundesregierung «sehr viel Sympathie» entgegenbringe. Voraussetzung dafür sei allerdings, 
dass die Mission ein Erfolg werde, be­ tonte Fischer. Beim informellen Tref­ fen der Aussenminister vergangenen September im belgischen Genval hatte Fischer ein Papier vorgelegt, in dem er die EU für die Übernahme der Mission in Mazedonien für noch nicht reif ge­ nug befand. Schon damals hatte der Minister betont, dass der erste Einsatz einer EU-Truppe unbedingt ein Erfolg werden müsse. Würde die Lage in Ma­ zedonien unter ihrer Leitung wieder 
eskalieren, wäre die Premiere der ESVP in die Hosen gegangen. Allerdings ist völlig offen, ob die NATO das Mandat überhaupt abgeben will. Immerhin würde sich die Allianz damit von einer ihrer letzten laufen­ den Missionen verabschieden und wei­ ter 
in der Versenkung verschwinden. Zudem müsste die EU auf logistische Strukturen der Allianz zurückgreifen. Ein entsprechendes Abkommen beider Seiten steht noch aus. Zurzeit besteht die seit September vergangenen Jahres laufende Mission «Amber Fox», die den Schutz der Be­ obachter von EU und OSZE in Maze­ donien garantieren soll, aus 1000 Sol­ daten und steht unter deutscher Führung. Neben der Bundeswehr sind Frankreich, Spanien, Portugal, Grie­ chenland und Polen beteiligt. Für die EU aber wesentlich ein­ schneidender ist die Frage, wie die für 2004 geplante Aufnahme von zehn neuen Mitgliedstaaten finanziert wer­ den soll. Das Thema stand erst am spä­ teren Nachmittag an, die Fronten sind aber bereits abgesteckt: Die jetzigen Mitgliedstaaten möchten möglichst wenig bezahlen, die neüen Mitglied- Staaten möglichst viel bekommen. Die EU-Kommission will für 2004 bis 2006 gut 40 Milliarden Euro für die Erweiterung ausgeben. Dies ist zwar rund zwei Milliarden Euro weniger als bislang geplant. Besonders Deutsch­ land, das rund einen Vienel des EU- Haushalts trägt, aber auch Frankreich wollen weit weniger ausgeben. Weniger einmütig steht es im deutsch-französischen Verhältnis in der Frage der Direktzahlungen für Bauern, von denen Frankreich mit Ab­ stand am meisten profitiert. USA gewähren Taliban-Gefangenen Schutz der Genfer Konvention Aber nicht El-Kaida-Kämpfern in Guantanamo - 186 Gefangene in Stützpunkt auf Kuba WASHINGTON: In Abkehr von ihrer bisherigen Haltung billigen die USA künftig gefangenen Taliban-Kämp­ lern den Schutz der Genfer Kon­ vention zu. El-Kaida-Kämpfern in Guantanamo wird nach einer Ent­ scheidung von Präsident George W. Bush dieser Status aber weiter ver­ wehrt. Der Sprecher des Weissen Hauses, Ari Fleischer, betonte am Donnerstag in Washington, dass sich am Alltag der inzwischen 186 auf dem kubanischen US-Stützpunkt Guantanamo festge­haltenen 
Gefangenen aus dem Afgha­ nistankrieg nichts grundlegend ändern werde: «Sie werden weiterhin gut be­ handelt werden, denn das ist es, was die USA machen.» Verteidigungsmini­ ster Donald Kumsfcld stellte klar, dass gefangene Taliban weiterhin nicht als Kriegsgefangene betrachtet würden. Während Grossbritannien die Wa­ shingtoner Entscheidung begrüsste, zeigten sich Menschcnrechtsorganisa- tionen unzufrieden: Gerade aus der Anerkennung der Genfer Konvention für gefangene Taliban ergebe sich auch, dass es sich um Kriegsgefangene 
handele, sagte ein Sprecher des New Yorker Zentrums für Verfassungsrech­ te, Michael Ratner. Die Anerkennung als Kriegsgefangene würde den in Gu­ antanamo festgehaltenen Taliban zusi­ chern, in Verhören nicht mehr als ihren Namen, militärischen Rang und ihre Erkennungsnummer angeben zu müssen. Nach dem Ende der Feindse­ ligkeiten müssten sie zudem freigelas­ sen werden. Die USA betrachten die Gefangenen in Guantanamo dagegen als «unrechtmässige Kämpfer», die von Militärgerichten abgeurteilt werden können. 
Formell wurde die Kehrtwende ge­ genüber den gefangenen Taliban da­ mit begründet, dass Afghanistan die Genfer Konvention unterzeichnet habe - das mutmassliche Terrometzwerk El Kaida aber nicht. Aus Washingtoner Regierungskreisen verlautete, man wolle damit erreichen, dass US-Solda­ ten den Schutz der Genfer Konvention gewährt bekommen, sollten sie in Af­ ghanistan-von Taliban-Kämpfern ge­ fangen genommen werden. Die Bilder der gefesselten und in Kä­ figen untergebrachten Gefangenen, die zum Teil auf Pritschen geschnallt 
wurden, hatten heftige internationale Kritik ausgelöst. Die Anwälte eines von US-Soldaten in Afghanistan ge­ fangenen genommenen Australiers'er­ klärten, sie wollten nunmehr prüfen, ob die Konvention für ihren Mandan­ ten gelte. David Hicks soll in einem Trainingslager der El Kaida gelebt und dort eine Kampfausbildung erhalten haben. Auch britische, französische, jemenitische, kuwaitische, saudiarabi­ sche und schwedische Staatsangehörir ge sind unter den Gefangenen. Einige dieser Länder haben die Auslieferung ihrer Bürger beantragt. Bekämpfung der Armut Afrikanische Staatschefs beraten in Paris PARIS: Strategien zur Bekämpfung der Armut und zur Konfliktpräventi­ on haben im Mittelpunkt eines Gip­ feltreffens von 13 afrikanischen Staats- und Regierungschefs am Freitag in Paris gestanden. Der französische Präsident Jacques Chirac bekräftigte in seiner Rede zur Eröffnung des Gipfels, die sieben führenden Industrienationen und Russland (G8) würden die so genannte «Neue Partnerschaft für die Entwick­ lung in Afrika» (NEPAD) unterstützen. Er forderte die afrikanischen Staaten auf, Prioritäten zu setzen, «um sich besser in die Weltwirtschaft einzufü­ gen, den Lebensstandard der Bevölke­ rung zu heben und so eine dauerhafte Entwicklung in Gang zu bringen». Es werde dabei notwendig sein, den pri­ vatwirtschaftlichen Sektor einzubezie- hen. 
An den Afrikanern werde es lie­ gen, die Voraussetzungen für ein En­ gagement der Wirtschaft und damit für vermehrte .Investitionen in ihren Ländern zu schaffen. Gleichzeitig be­ zeichnete der französische Präsident 
den Rückgang der internationalen Hil­ fen für Afrika als unannehmbar. Die Auslandsunterstützung sei in einem nicht vertretbaren Ausmass gesunken und vergrössere die Kluft zwischen Afrika und der restlichen Welt noch mehr. Auf dem Gipfel, der der «Neuen Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas» (NEPAD) gewidmet ist, wur­ den Konzepte für eine bessere Zusam­ menarbeit der afrikanischen Staaten untereinander und mit dem Westen vorgestellt. Die Ergebnisse sollen auch im Juni auf dem nächsten G 8-Gipfel in Kana­ da besprochen werden, nachdem sich die Teilnehmer nach Chiracs Worten bereits auf dem G 8-Gipfel in Genua im vergangenen Jahr auf dieses Kon­ zept geeinigt hatten. Am Gipfeltreffen nahmen die Staats- und Regierungs­ chefs von Senegal, Nigeria, Algerien, Ägypten, Sambia, Burkina Faso, Ga­ bun, Kamerun, Kenia, Äthiopien, Mau­ ritius und Mosambik teil. Südafrika wurde durch Vize-Präsident Jacob Zu- ma vertreten. 
Am Gipfeltreffen nahmen die Staats- und Regierungschefs von Senegal, Nigeria, Algerien, Ägypten, Sambia, Burkina Fa­ so, .Qabun, Kamerun, Kenia, Äthiopien, Mauritius und Mosambik teil.
	        

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