Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
INLAND Donnerstag, 7. Februar 2002 
5 «Zur Vertrauensfrage geworden» Der Vaduzer Organisationsberater Hansrudi Sele über Sinn und Unsinn der Verfassungs-Diskussion Beruflich hat Organisationsbe­ rater Hansrudi Sele aus Vaduz unter anderen mit Konfliktma­ nagement zu tun. Mit seiner kürzlichen Einschätzung zur Verfassungs-Disltussion (im VOLKSBLATT vom 30. Januar) hat er einige Reaktionen aus­ gelöst. Wir haben bei Hansrudi Sele nachgehakt. Mit Hansrudi Sele sprach Martin Frommel t VOLKSBLATT: Herr Sele, Ihre Mei­ nungsäusserung zum Verfassungs­ konflikt hat einige Reaktionen und auch Fragen ausgelöst. So haben Sie ein mögliches Polit-Grounding erwähnt. Was meinen Sie damit konkret? Hansrudi Sele: Sehen Sie, beim Swissair-Dcbakcl hat die breite Masse erst nachdem die Flugzeuge am Boden blieben so richtig registriert, wie der eigentliche Stand der Dinge ist. So könnte es uns ergehen, dass wir erst im Nachhinein, wenn z.B. der Fürst seinen Wohnsitz nach Wien verlegt hat, so richtig wahrnehmen, was ge­ schehen ist, wir sozusagen auf dem Boden der Realität landen. Riesiger Katzenjammer Bei einem Grossteil der Bevölkerung würde dies einen riesigen Katzenjam­ mer auslösen. Dieser wäre dann schliesslich der Ausgangspunkt zu ei­ nem Folgekonflikt innerhalb der Be­ völkerung. Wie können Sie das behaupten? Ich habe in meiner beruflichen Tätigkeit oft mit gruppcndynamischcn Phänomenen zu tun. Hin und wieder bin ich auch direkt mit Konfliktmana­ gement befasst. Ich kann diese Optik nicht ausklammern, wenn ich die der­ zeitigen Vorgänge bei der Verfas­ sungsdiskussion in den Zeitungen mit­ verfolge. Ich bin aber in keiner Weise ein Experte, kein Jurist, kein Politiker, äussere mich hier als Privatperson und Bürger dieses Landes. Ich denke, dass viele sich äussern sollten zu diesem Thema. Sie haben in Ihrem Beitrag die Juris­ ten kritisiert: Haben Sie etwas ge­ gen Juristen? Ganz und gar nicht. Ich habe nur die Auffassung vertreten, dass die juristi­ sche oder rechtliche Sicht allein der ganzen Sache nicht mehr gerecht wer­ de. Dass diese Betrachtungsweise zu einseitig sei. Der Meinung von Juristen und Landtagsvertretern, dass bei einer Ablehnung der Verfassungsvorlage einfach alles beim Alten bleibe, kann ich mich beim besten Willen nicht anschliessen. Ich habe nichts gegen Juristen, jedoch gegen diese einseitige Darstellung. Tendenziöse Schlagzeilen Wenn Sie schon eine Berufsgruppe erwähnen, dann möchte ich eher die Journalisten ins Visier nehmen. Da werden in den derzeitigen Berichten über die Informationsversammlungen teils tendenziöse Schlagzeilen produ­ ziert, die weder dem Versammlungs­ verlauf noch der auf derselben Seite abgedruckten Berichterstattung ge­ recht werden. Mit. Schlagzeilen wird bekanntlich Stimmung gemacht. Sie haben eingangs von einem zwei­ ten Konflikt Innerhalb der Bevölke­ rung gesprochen, einem Folgekon­ flikt, der bei einem Scheitern der Verfassungsrevision entstünde. Wie würde dieser Folgekonflikt sich zei­ gen? 
Hansrudi Sele: *Der Umstand, dass manche so intensiv nach dem Haar in der Suppe suchen, und dieses natürlich auch finden, kann ein Indiz dafür sein, dass diese Personen unterschwellig die Abschaffung der Monarchie anstreben, auch wenn sie das Gegenteil beteuern'. Gehen wir mal davon aus, dass die Verfassungsrevision scheitert und der Fürst unser Land verlässt. Wenn dieser Fall eintritt, obschon ein Grossteil der Bevölkerung dies eigentlich ' nicht wünscht, wird dies politische Folgen haben. Man wird nach den Schuldigen suchen: Wer ist dafür verantwortlich, dass das eintreten konnte, was eigent­ lich niemand wollte. Es wird eine er­ bitterte Auseinandersetzung geben. Vorzeichen hierzu sind jetzt schon er­ kennbar, indem die Konfrontation der Argumente der Konfrontation der Per­ sonen gewichen ist. Es werden sich neue politische Gruppierungen bilden, vor allem die beiden Grossparteien werden vermutlich richtiggehend um­ geschichtet. Es ist vorstellbar, dass ei­ ne republikanische und eine monar­ chistische Bewegung entstehen, die sich erbitten bekämpfen. Der Konflikt danach Eventuell haben wir dann eine Si­ tuation, die mit jener in den Dreissi­ gerjahren vergleichbar ist. Die Phase der politischen Instabilität zeigt schliesslich auch wirtschaftliche Fol­ gen. Zuerst wohl im Finanzdienstieis- tungssektor. Mit etwas Verzögerung sind wir dann alle davon betroffen. Und dies alles zu einer Zeit, wo wir aussenpolitisch stark gefordert sind, weil in Europa ebenfalls ein Verände- rungsprozess mit destabilisierender Wirkung im Gange ist. Warum sind Sie so pessimistisch? Ich bin nicht pessimistisch. Für mich ist dies ein politisches Szenario für den Fall, dass die Verfassungsrevision nicht gelingt. Deshalb müssten unsere Verantwortungstriiger alles dafür tun, dass sie gelingt. Welchen Lösungsweg sehen Sie denn? Was würden Sie denn vor­ schlagen? Die Sache ist reichlich verfahren und recht komplex. Meines Erachtcns spielen alte, unbewältigte Vorgänge und Geschichten mit hinein, die sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht aufarbei­ ten lassen. Anders kann ich mir das offensichtliche gegenseitige Misstrau­ en zwischen gewissen Exponenten und dem Fürsten nicht erklären. Es wird im Verfassungsstreit, in der Aus- , einandersetzung um juristische Rege^ lungen ein Beziehungskonflikt ausge­ tragen. Eine andere Ebene sind die Wertvorstellungen, die sich in den letzten Jahrzehnten verändert haben. So hat z.B. die Autoritätsgläubigkeit abgenommen, dies; fördert die republi­ kanischen Tendenzen. 
Eine weitere Schwierigkeit sind die Zuschauer, die dann zuletzt noch ab­ stimmen sollten, wer im Expertenstreit um Rechtsmeinungen Recht hat. Die Angelegenheit ist wie gesagt öffent­ lich, der Konflikt wird offen und öf­ fentlich ausgetragen. Alte Geschichten Ein Nachgeben einer Konfliktpartei ist (scheinbar) mit einem Gesichtsver­ lust verbunden. Die Gewinner-Verlie­ rer-Mentalität im politischen Gesche­ hen wirkt sich dabei erschwerend aus. Weiters dürfen auch parteitaktische Überlegungen nicht übersehen wer­ den. Eine absolute Mehrheit auf der ei­ nen Seite stärkt das Oppositionsvcr- halten auf der anderen Spite. Ein Er­ folg auf der einen Seite wird als Miss­ erfolg auf der anderen Seite verbucht. Von einem Ansatz der Mediation ist kaum etwas zu erkennen. Im Gegen­ teil, jene, die es versucht haben, wer­ den dafür kritisiert. Der Konflikt hat schon ganz klar die zweite der insge­ samt drei Eskalationsstufen (nach Glasl) erreicht. Aber noch einmal: Wir müssen die Situation Jetzt wohl so nehmen wie sie ist. Was für Möglichkelten sehen Sie, um zu einer Lösung zu kom­ men? Der Landtag hat selber die Verfas­ sungsrevision gewollt. Er hat den sei­ nerzeitigen Antrag von Klaus Wanger, es bei der Verfassung von 1921 zu be­ lassen und nur die Beamtenernennung verfassungsgemäss zu regeln, deutlich verworfen. Gutachten zurechtbiegen Dies war im Herbst 1996. 
Ich glaube, es war nur noch Oswald Kranz, der den Antrag von Wanger unterstützt hat. Mit dieser Lösung wäre der Fürst da­ mals auch einverstanden gewesen. Weshalb die Abgeordneten den ande­ ren Weg wählten, ist mir nicht mehr gegenwärtig. Vielleicht aus der Über­ legung heraus, dass damit der eigentli­ che Konflikt nicht gelöst wäre. Mir* füllt nur auf, dass einige, die heute den alten Zustand wieder propagieren, vor fünf Jahren die entgegengesetzte Mei­ nung vertraten, damals dafür votier­ ten, die ganze Verfassung zu überar­ beiten! Was halten Sie denn vom Vorgehen der Regierung?' Das Vorgehen der Regierung sehe 
ich in dieser doch verfahrenen Situati­ on als eine politisch realistische Lö- sungsmöglichkeit. Sinneswandel Erstmals liegt dem Landtag ein Ver­ fassungsentwurf zur Diskussion vor, der mit dem Fürsten abgestimmt ist. Und es soll ja aufgrund der ersten Le­ sung, die im Dezember stattgefunden hat, eine Landtagskommission nochmals das Gespräch mit dem Fürs­ ten suchen. Für mich als Bürger und juristischen Laien ist es enorm schwierig zu beur­ teilen, wer in der Auslegung der um­ strittenen Verfasisungsartikel jetzt Recht hat. Auch die Aussagen der Gut­ achter werden so interpretiert und zu­ recht gebogen, wie sie der eigenen Meinung dienlich sind. Mir gefällt das Grundmodell der Ellipse als Ganzes mit den beiden gleich starken Brenn­ punkten, Volk und Fürst, was wir als duales System bezeichnen. Das Haar in der Suppe Die ausgewogene Ausgestaltung ist eine Expertenaufgabe. Der Streit hierüber hätte früher in einem eigens dafür bestimmten Gremium ausgetra­ gen werden müssen. Für mich ist das ganze zur Vertrauensfrage geworden. Und diesen Konflikt jetzt nicht zu lö­ sen, ist keine Zukunftsperspektive. Vorlage des Landtages Der Umstand, dass manche so inten­ siv nach dem Haar in der Suppe su­ chen, und dieses natürlich auch fin­ den, kann ein Indiz dafür sein, dass diese Personen unterschwellig die Ab­ schaffung der Monarchie anstreben, auch wenn sie das Gegenteil beteuern. Wir müssen davon ausgehen, dass auch in dieser Auseinandersetzung mit allen Haken und Ösen gekämpft wird. Falls die Reglerungsvorlage Im Landtag abgelehnt wird, soll dann eine Verfassungsinitiative, eine Volksinitiative gestartet werden? Dies wäre fiir mich eine politisch unerwünschte . Vorgehens-Variante,- wenn der Fürst sich veranlasst sähe, eine Volksinitiative zu starten, weil die. Regierungsvorlage im Landtag abge­ lehnt wird. Ich würde es begrüssen, wenn wir • Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über eine Vorlage des Landtages abstimmen könnten. 
Europa-Symposium VADUZ: Am 2. Mai 1992 wurde in Porto der EWR-Vertrag von den Teil­ nehmerstaaten unterzeichnet. Auf den Tag genau 10 Jahre später findet im Vaduzersaal das 6. Liechtensteiner Europa-Symposium statt. Die europäi­ sche Entwicklung hat im vergangenen Jahrzehnt als eine grundlegende Rah­ menbedingung für Liechtensteins Poli­ tik und Wirtschaft noch an Bedeutung gewonnen. Wir freuen uns, dass 
erneut die Verpflichtung von ausserordentlich qualifizierten Referenten gelungen ist, welche fiir Liechtenstein relevante, ak­ tuelle und zukünftige Entwicklungen des europäischen Rechts darstellen werden. Damit stellt das Europa-Sym- posium wie in den Vorjahren für Wirt­ schaft, Politik und Verwaltung eine wichtige Informations- und Diskussi­ onsplattform dar. Während der Vor­ mittag dem Thema «Schutz der Bürger und Unternehmen im EU- und EWR- Recht» gewidmet ist, gelten Referate und Diskussionen am Nachmittag der EU-Steuerharmonisierung aus der Sicht von Nicht-Mitgliedstaaten und grundsätzlichen Überlegungen über die Rolle und die Zukunft der EFTA, Traditionsgemäss wird ein Vertreter der Regierung eine integrationspoliti­ sche Standortbestimmung vornehmen, und die Tagung wird mit einer Podi­ umsdiskussion mit den Referenten ab­ geschlossen. 
Europa-Symposium Wie Nervenzellen miteinander reden MAUREN: Heute Donnerstag, den 7. Februar referiert Dr. med. phys. Peter König zum Thema «Kommunikation im Gehirn - Wie Nervenzellen mitein­ ander reden». Peter König ist Privatdo­ zent 
für Neuroinformatik, Dep. Biolo­ gie an der ETH in Zürich. Kognitive Funktionen wie Wahrnehmung, Ge­ dächtnis, Sprache und Bewusstsein be-~ ruhen auf den komplexen, parallel laufenden Prozessen im Gehirn. Eine wichtige und bis heute ungelöste Fra­ ge ist, wie diese Information zu einer kohärenten Repräsentation integriert werden kann, welche die oben ge­ nannten Funktionen unterstützt. Die­ ses sogenannte «Bindungsprobiem» könnte durch Ausnutzen der zeitlichen Struktur der Aktivität kortikaler Ner­ venzellen gelöst werden. Synchrone Aktivität würde die Auswahl und das Zusammenfugen der relevanten Infor­ mation bewirken und so zu der Einheit unserer bewussten Wahrnehmung führen. Hier bespricht Peter König die­ se theoretischen Konzepte und experi­ mentelle Ergebnisse, die sie unterstüt­ zen. Im Anschluss besteht die Gele­ genheit zur Fragestellung und Diskus­ sion. Das Senioren-Kolleg lädt alle In­ teressierten herzlich zu dieser Vorle­ sung ein. Sie findet wie gewohnt um 15.15 Uhr in der Primarschule in Mau­ ren (gegenüber der Kirche) statt. Senioren-Kolleg Liechtenstein Papiersammlurig VADUZ: Ära Samstag, den 9. Februar ab 8 Uhr findet in Vaduz die monatli­ che Altpapiersammlung statt. Stellen Sie Ihr Altpapier gebündelt oder in of­ fenen Schachteln gut sichtbar an die Strasse. Bitte mischeh Sie keinen Ab­ fall, keine Tetra-Packungen, keine Fenster-Couverts, kein Holz und kei­ nen Plastik unter das Altpapier. Nur sauberes, sortiertes Altpapier kann wiederverwertet werden! 
Pfadfinder Diabetiker-Treff SCHAAN: Die Gruppe für Diabetiker und deren Angehörige lädt alle Betrof­ fenen und Interessierten zum regel­ mässig stattfindenden Diabetiker-Treff ein. Die Treffen finden jeweils am Montagnachmittag lim 16 Uhr im Postgebäude in Schaan, statt. Die Da­ ten: 25. Februar, .25. März,'22. April, 27. Mai, 24. Juni, 26. August, 23. Sep­ tember, 28. Oktober, 25. November. Kontaktadresse: Diabetes-Beratung FL, Triesenberg Postgebäude, Tel. 00423/ 262 00 02. 
(Eing.)
	        

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