Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

DONNERSTAG. 14. NOVEMBER 2002 
VOLKS I BLATT I 
INLAND VERFASSUNG 
3 VERFASSUNG Vier Fragen an S.D. Erbprinz Alois Volksblatt: Durchlaucht, haben Sie die nötigen 1500 Unterschriften schon zusammen? S.D. Erbprinz Alois: Es ist noch nicht die Zeit, genaue Zahlen zu nennen, aber wir sind sehr zufrieden Uber den Rücklauf. Wir möchten allen denjenigen danken, die bereits unterschrieben haben und uns mit Briefen, E-Mails und Leserbriefen unter­ stützt haben. Alle anderen möchten wir bit­ ten, noch zu unterschreiben, da wir es als sehr wichtig erachten, möglichst viele Unterschriften zu sammeln. Für den Landesfürsten steht fest, dass das Fürstenhaus den Wohnsitz ins Aus­ land verlegen wird, wenn dem Volk das in der Initiative gemachte Angebot des Fürstenhauses zu wenig ist: Werden Sie und Ihre Familie ebenfalls wegziehen? Wenn die Verfassungsinitiative des Fürs­ tenhauses nicht angenommen wird, gilt weiterhin die Verfassung von 1921. Wenn jetzt nur der Fürst ins Ausland zieht und der Erbprinz im Schloss sitzt, weiss niemand mehr, was los ist und der Verfassungsstreit würde genauso weitergehen. Deshalb würde ich selbstverständlich auch wegziehen, damit der Verfassungsstreit endlich zur Ruhe kommt. Fühlen Sie sich denn in Ihrer Heimat Liechtenstein nicht so verwurzelt, dass Sie unabhängig vom Abstimmungsaus­ gang hier wohnen bleiben möchten? Mir wäre es sicher lieber, hier zu bleiben. Auf der anderen Seite möchte ich nicht einem stündigen Verfassungsstreit ausge­ setzt sein. Dann mache ich lieber den Schritt ins Ausland. Ich habe viele Jahre im Aus­ land gearbeitet und habe mich dort auch wohl gefühlt. Aber natürlich hoffe ich, dass ich mit meiner Familie weiter hier leben werde. Zum Abschluss Hand aufs Herz: Haben Sie angesichts der jetzigen Kontroverse Uberhaupt noch Lust, sich als Staatsober­ haupt zur Verfügung zu stellen? Die letzten Jahre waren bestimmt nicht angenehm. Es kommen aber sicherlich wie­ der 
bessere Zeiten. Es gibt vieles, das Liech­ tenstein in den nächsten Jahren anpacken sollte. Ich habe meine Vorstellungen dazu und würde mich gerne für die Zukunft unse­ res Landes einsetzen. 
«Etliche Täuschungen» S.D. Erbprinz Alois zur so genannten «Friedensinitiative» ANZEIGE Verfassungsinitiative Fürstenhaus Weil es um die Stärkung des demokratischen Rechtsstaates geht! äe AoVve 
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VADUZ - Bei der so genannten Friedensinitiative gehe es nicht um den Dualismus, sondern darum, den Verfassungsstreit fortsetzen zu können, sagt S.D. Erbprinz Alois. »Martin frömmel t  • Volksblatt: «Ja zu den fürstlichen Anliegen»: Mit diesem Slogan werben die Initianten der Gegen­ initiative «Verfassungsfrieden»: Was sagen Sie zu diesem Slogan? S.D. Erbprinz Alois: Die so ge­ nannte Friedensinitiative hat mei­ nes Erachtens zwei Ziele: Das eine war, eine Verzögerung zu errei­ chen; dieses Ziel ist nicht erreicht worden. Das andere war, Verwir­ rung zu stiften. Unter Verwirrung fällt auch dieser Slogan. Die so genannte Friedensinitiative hat etli­ che solcher Täuschungen. Wenn es wirklich darum ginge, ein Ja zu den fürstlichen Anliegen zu erreichen, so wäre es doch das Mindeste gewesen, vor der Veröffentlichung und 
vor der Einreichung dieser Initiative wenigstens den Kontakt zum Fürsten zu suchen. Das ist nicht geschehen und deswegen ist die so genannte Friedensinitiative vom Fürsten zurecht als Etikettcn- schwindel betitelt worden. Wie beurteilen Sie den Inhalt der Gegen-Initiative? Die so genannte Friedensinitiati­ ve ist inhaltlich äusserst problema­ tisch. Sic führt zu einem Richtcr- staat; Es wird auch keine 
Entpoliti- «INITIATIVE FÜHRT zu RICHTERSTAAT» sierung des Richterernennungspro- zesses erreicht, was immer ein grosses Anliegen des Fürstenhau­ ses war. Gerade die Höchstgerichte sollen bis auf die Vorsitzenden wei­ terhin direkt vom Landtag bestellt werden. Schliesslich strebt die so genannte Friedensinitiative ein Ende des Dualismus an, so wie wir ihn heute kennen. Ausserdem hat dieser Initiativtext grosse Mängel. Beim neuen Art. 112 wird beispielsweise vorge­ schlagen, wenn über Bestimmun­ gen der Verfassung Zweifel beste­ hen und diese nicht nach Art. 111 durch eine authentische Interpreta­ tion gelöst werden können, dass dann auf Antrag der Staatsgerichts­ hof darüber zu entscheiden habe. Es ist aber überhaupt nicht klar, wer feststellt, wann der Prozess nach Art. III zu Ende gekommen ist.. Das könnte etliche Jahre dau­ ern. Auch sind viele Punkte in Bezug auf die Richterernennungen unklar. Wie verhält es sich bei­ spielsweise mit dem Vorsitzenden des Obersten - Gerichtshofes? MUsste er nach Art. 100 oder nach Art. 107bis ernannt werden? Ist der Landtag überhaupt an die Vorschlü­ ge des Gremiums gebunden oder kann er dieses einfach ignorieren? Dies sind nicht die einzigen Unklarheiten oder Mängel der Friedensinitiative. Wer überlegt, die sogenannte Friedensinitiative zu unterschreiben, sollte sich die­ ser Probleme und Mängel bewusst sein. Die «Verfassungsfrieden»-Inlti- anten erachten ihre 
Gegen-«Es 
wird ganz bewusst Verwirrung gestiftet»: S.D. Erbprinz Alois zur so genannten «Friedensinitiative». Initiative aber als Schlüssel dazu, den «Dualismus weiterhin erfolg­ reich leben» zu können ... Wehn man weiss, wer hinter der sogenannten Friedensinitiative steht, dann wird es offensichtlich, dass es bei dieser Initiative nicht um den Dualismus geht, sondern es -darum geht, den Verfassungsstreit fortsetzen zu können.. Der Landesfürst hat schon klar erklärt, dass er der Initiative «Verfassungsfrieden» nicht zustimmen werde: Wie stehen Sie dazu? Das Fürstenhaus und damit auch ich wird dieser Initiative nicht zustimmen. Es gab bereits ähnliche Vorschläge 
und wir haben damals schon ganz klar gesagt, warum wir nicht zustimmen können. Trotzdem sind diese Punkte jetzt wieder auf­ getaucht. Aber das Fürstenhaus hätte dann doch immer noch mehr politische Macht als andere Adelshäuser in Europa? Es geht dem Fürstenhaus hier nicht um die politische Macht, son­ dern 
um die politische Verantwor­ tung. Das Fürstenhaus kann sehr gut ohne politische Macht leben und hat daher die Symbolmonar­ chie als eine der möglichen 
Lösun- «DAS VOLK HINTERS LICHT FÜHREN» gen vorgeschlagen. Wenn das Für­ stenhaus, aber politische Verant­ wortung tragen soll, dann braucht es auch die Kompetenzen, urii diese wahrnehmen zu können. Die Initianten zitieren auf der Titelseite ihrer Unterschriften­ broschüre Ihren Grossvater Fürst Franz Josef II. und wollen damit den Eindruck erwecken, dass ihre Initiative im Sinne des'früheren Fürsten sei: Ihre Meinung dazu?, Hierbei handelt es sich um ein weiteres TäuschungsmanöVQr. Jeder hat das Recht, eine Initiative zu starten. Der Zweck jedoch, den man mit dieser Initiative erreichen möchte und wie dabei vorgegangen 
wird, ist bedenklich. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstel­ len, dass mein Grossvatcr einem solchen Missbrauch die Zustim­ mung erteilt hätte. Es wird hier ver­ sucht, mit bewusst geschürten Emotionen das Volk hinters Licht zu führen. So haben wir schon eini­ ge Anrufe erhalten, welches denn nun die Verfassungsinitiative des Fürstenhauses sei. Es wird ganz bewusst Verwirrung gestiftet, um unseren Initiativvorschlag zu stören. Ich hoffe jedoch, dass sich nur sehr .wenige Leute von dieser Initiative täuschen lassen. Die Gegeninitianten sagen auch, dass sie mit der Zustimmung des Fürstenhauses gerechnet hätten... Wem die Zustimmung des Fürs­ tenhauses ein wichtiger Bestand­ teil seiner Initiative ist, der holt diese rechtzeitig ein. Hier liegt auch ein grosser Unterschied in der Vorgangsweise der beiden Initiati­ ven. Die Initiative des Fürstenhau­ ses wurde über Jahre mit dem anderen Souverän, dem Volk, dis­ kutiert und erarbeitet, dazu gab es unter anderen auch Diskussions­ runden mit der Bevölkerung. Wir verfügen nun Uber einen, Entwurf, der von der Regierung, der Mehr­ heit der Verfassungskommission und - unserer Meinung nach - auch von einer Mehrheit der Bevölkerung getragen wird. Auf der anderen Seite haben wir einen Vorschlag, der' von einer Gruppe lanciert worden ist, die mit nieman- ' den gesprochen hat, weder mit dem Volk, noch dem Landtag, noch der Regierung, und schon gar nicht mit dem Fürstenhaus. . Was ist Ihre Meinung dazu, dass Ihre. Initiative durch den Gang vor den Europarat in Strassburg in Frage gestellt wird? Der Gang nach Strassburg ist bestimmt ein Weg, den jeder gehen kann. Aber auch hier muss man den Zweck als äusserst problematisch sehen. Der wirkliche Zweck ist, die Initiative des Fürstenhauses mit allen Mitteln zu verhindern. Dabei werden bewusst Dinge in Kauf genommen, die schädlich sind für unser Land. Dem aussenpoliti- schen Ruf Liechtensteins wird 
damit sehr geschadet, indem man versucht, unseren demokratischen Rechtsstaat international in Frage zu stellen und uns üuf dieselbe Ebene zu stellen wie die exkom­ munistischen Staaten. Bedenklich stimmt dabei auch, dass etliche Leute gleichzeitig den Gang nach Strassburg und die Friedensinitiati­ ve unterstützen. Wem es wirklich um das langfristige Wohl Liechten­ steins geht, der würde solche Aktionen unterlassen. Wie beurteilen Sie die Chancen dieses Vorstosses in Strassburg? Ich kann mir schwer vorstellen, dass in Strassburg gegen Liechten­ stein vorgegangen wird. Wer sich den Fall genauer artschaut weiss, dass der Vorstoss rein innenpoliti­ sche Hintergründe hat und der Ver­ fassungsvorschlag des Fürstenhau­ ses die Verfassung verbessern sowie eine weiteigehende 
Demo- DAS LANGFRISTIGE WOHL LIECHTENSTEINS kratisierung bringen würde. Die Vorwürfe wenden sich zudem zum Grossteil gegen unsere bestehende Verfassung. Diese ist schon bei der Aufnahme in den Europarat geprüft und mit Ausnahme des feh­ lenden Frauenstimmrechts, das wir mittlerweile ja eingeführt haben, für gut befunden worden. Der Landesfürst hat uns gegen­ über erklärt, dass das Fürsten- haus nicht an kontradiktorischen Diskussionsveranstaltungen teil­ nehmen werde. Sollten Sie als Initianten der interessierten Bevölkerung aber nicht die Mög­ lichkeit zu einem Dialog bieten, damit diese mit Ihnen offene Fragen diskutieren kann? Wir haben in der Vergangenheit den Dialog mit der Bevölkerung gesucht und auch Diskussionsrun­ den auf dem Schloss durchgeführt. Vor der Abstimmung werden wir sicher versuchen, der Bevölkerung unsere Überlegungen nochmals zu erklären. In welcher Form dies geschehen wird, werden wir uns
	        

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