Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

SAMSTAG, 2. NOVEMBER 2002 
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7 VERFASSUNG Fragen an Ursula Wächter Volksblatt: Wenn Sie dem Fürsten bei sei­ nen zentralen Fragen helfen wollen, warum haben Sie dann nicht eine Aktion gestartet, um die Initiative des Fürsten zu unterstützen? Ursula Wächter: Unserer Gruppe geht es in erster Linie darum, die Volksrechte zu stärken. Genauso wie dem Fürsten. Wir haben uns vorgestellt, dass wir, wenn wir die fürstlichen Anliegen aufgreifen und umsetzen, auch beim Fürsten eine Chance haben, dass er unsere Initiative unterstützt. Jetzt sind wir überrascht und gleichzeitig enttäuscht, dass er nicht sieht, dass unser Verfassungsvorschlag für ihn eine goldene Brücke ist. Im Landtag haben sich -Abgeordnete, deren ablehnende Haltung zur Fürsten- Initiative bekannt ist, vehement gegen die Vorprüfung Ihrer Initiative zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen. Darf man da­ raus die Schlussfolgcrung ziehen, dass die «Friedensinitiative» dem Zwecke dienen soll, die Abstimmung über die Verfassung zu verzögern? Ich sehe keinen Sinn und Zweck in einer Verzögerung der 
Abstimmung. Wir wollen den Verfassungskonflikt so schnell wie möglich lösen. Eine Verzögerungstaktik hat meiner Meinung nach gar keinen Sinn. Unsere Zielsetzung war, dass wir beide Initiativen zum gleichen Zeitpunkt zur Abstimmung bringen wollen. Das haben wir erreicht. Warum aber hat Ihre Gruppe die Verfas­ sungsinitiative so knapp vor der Land­ tagssitzung und nicht eine oder zwei Wochen vorher angemeldet? Aus rein terminlichen Gründen. Wir waren einfach nicht vorher fertig mit dem Initiativtext. Ihre Verfassungsinitiative nennt sich .auch «Friedensinitiative>». Glauben Sie. wirklich daran, dass diese Initiative die Gemüter beruhigen kann? Schon im Vorfeld der Anmeldung der Ver­ fassungsinitiative haben wir viel 
Zustim- «SO SCHNELL WIE MÖGLICH LÖSEN» mung erfahren. Sogar die Anmeldung der Friedensinitiative haben spontan 202 Leute unterstützt. Seit unsere Initiative in der Öffentlichkeit publik geworden ist, haben wir stetigen Zulauf. Täglich kommen weite­ re Unterstützungserklärungen. Die Unterschriftensammlung und der nachfolgende Abstimmungskampf für zwei Initiativen, die gegeneinander ste­ hen, kann aber doch nicht zur Beruhi­ gung beitragen? * Wir wollten mit unserer Initiative eine Alternative zur Verfassungsinitiative des Fürsten anbieten. Wenn der Fürst dagegen ist, dann muss er erklären, warum er dage­ gen ist. Wir haben damit gerechnet, dass er unsere Initiative unterstützt, weil wir ja seine zentralen Vorstellungen aufnehmen. Jetzt geht es für uns um eine sachliche Aus­ einandersetzung, es muss doch kein Streit werden. Für beide Verfassungsinitiativen können sachliche Argumente vorgebracht werden. Die besseren Argumente werden gewinnen. Ursula Wächter ist Rechtsanwültin und Ansprccbs- person des Initiativkomitees «Verfassungsfrieden». 
Machtgleichgewicht bleibt gewahrt Mitinitiantiri Ursula Wächter über die Volksinitiative «Verfassungsfrieden» ANZEIGE www.kirchplatz-garage.li 
VADUZ - Das Initiativkomitee «Verfassungsflieden» meldete am 21. Oktober bei der Regie­ rung eine Verfassungsinitiative an. Regierung und Landtag sprachen sich für die Zulas­ sung der Volksinitiative aus. Über die Ziele des Initiativkomi­ tees und den Inhalt der Verfas- sungsvoiiage äussert sich die Rechtsanwältin Dr. Ursula Wächter, Ansprechperson der Gruppierung. • GUnther Meier Volksblatt: Frau Dr. Wächter, Sie haben bei der Vorstellung der Initiative gesagt, «die Volks­ initiative für Verfassungsfrieden setzt die zentralen Anliegen des Fürsten um, ohne die demokrati­ schen Errungenschaften in Frage zu stellen. Fürst Hans- Adam II. hat gekontert, diese Behauptung sei schlichtweg eine Unverschämtheit. Sind diese •kontroversen' Standpunkte gute oder schlechte Werbung für Ihre Volksinitiative? Ursula Wächter: Die Stärke unserer Verfassungsinitiative ist sicher, dass wir eine Verfassungs­ änderung in leicht verständlicher Form vorschlagen, die das beinhal­ tet, was der Fürst auch will, näm­ lich die Stärkung der Volksrechte, die Entpolitisierung der Richter­ wahl und die demokratische Legi­ timation der Monarchie. Wir ver­ stehen nicht, dass Fürst Hans- Adam II. unserer 
Verfassungs- «FÜRST MUSS JETZT FARBE BEKENNEN» initiative nichts abgewinnen kann. Wir müssen deshalb davon ausge­ hen, dass der Fürst die Volksrechte nicht stärken und die Richterwahl nicht entpolitisieren will, und dass ihm auch nicht viel daran liegt, dass die Monarchie demokratisch legitimiert wird. Insofern ist diese Kontroverse nützlich, denn der Fürst muss jetzt Farbe bekennen und muss erklären, was er wirklich will. Wenn Sie die zentralen Anliegen des Fürsten mit Ihrer Initiative umsetzen wollen, warum haben Sie den Vorschlag nicht mit dem Fürsten abgesprochen? Wir haben keine Möglichkeit gesehen, mit dem Fürsten ins Gespräch zu kommen, weil wir eine Gruppe von Privatpersonen sind, ohne öffentlich-rechtliche Funktionen.. Der parlamentarische Prozess ist von der Regierung und vom Fürsten 
abrupt beendet wor­ den. Wir haben unsere Vorstellun­ gen also auch Uber den Landtag nicht einbringen können. Also wie hätten wir unseren Verfassungsvor­ schlag mit dem Fürsten abstimmen können? _ Ausserdem erachteten wir eine Abstimmung mit dem Fürsten auch nicht unbedingt als notwen­ dig, weil wir ja der Meinung waren, die zentralen Anliegen des Fürstenhauses mit unserer Verfas­ sungsinitiative umzusetzen. Wenn wir die einzelnen. Vor­ schläge Ihrer Verfassungsinitia­ tive anschauen, dann fällt auf, dass Sie sich nur auf einige 
«Die Gruppe Verfassungsfrieden will nichts anderes als eine friedliche lüsung des Verfassungskonfllktes», sagt Ursula Wachtor vom Initiativkomitee «Verfassungsfrleden.» Punkte konzentrieren. Reicht diese Mini-Reform aus, um den Verfassungsstreit beizulegen? Unsere Vorstellung ist, dass wir die Kernprobleme des Verfas­ sungsstreites lösen wollen. Des­ halb konzentrieren wir uns auf die Hauptanliegen des Fürsten und haben uns auch vorgestellt, dass wir ihm damit entgegenkommen. Der Fürst hat ja immer wieder gesagt, dass für ihn die Stärkung der Volksrechte und die Entpoliti- • sierung der Richterwahlen sowie die demokratische Legitimierung der Monarchie zentrale Anliegen darstellten. Das steht nun in unse­ rem Verfassungsvorschlag drin. Mit der Formulierung, dass die Staatsgewalt im Fürsten und im Volk verankert sei, postuliert die geltende Verfassung das Mitein­ ander der beiden Souveräne. Ihre Initiative schlägt dem Volk beim Sanktionsrecht beispiels­ weise mehr Rechte zu, indem der Fürst mit einer Zweidrittel- Mehrheit überstimmt werden kann. Der Fürst sieht damit das Ende des Dualismus? Die Staatsgewalt ist auch nach unserem Vorschlag weiterhin im Fürsten und im Volk verankert. Grundsätzlich wird am bestehen­ den Dualismus nichts geändert, denn wir ändern ja nur fünf Verfas­ sungsartikel. Wir wollen aller­ dings, dass das Volk das letzte Wort bei der Gesetzgebung hat. Wenn also ein Gesetz in der 
Volks- VOLK SOLL LETZTES WORT BEI GESETZ­ GEBUNG HABEN abstimmung angenommen wird, dann muss es vom Fürsten nicht mehr sanktioniert werden. Diese Änderung hat aber keinen Einfluss auf den Dualismus. In der beste­ henden Verfassung hat der Fürst das letzte Wort und man redet von Dualismus. Wenn unsere Verfas­ sungsinitiative angenommen wird, dann hat das Volk das letzte Wort - und von daher ist nicht einzusehen, warum man in diesem Fall nicht 
mehr von Dualismus sprechen können sollte. Dualismus bedeutet nichts anderes, als dass die beiden Souveräne Fürst und Volk zusam-. men wirken müssen. Das sieht auch die Friedensinitiative so vor. Gibt es noch andere Punkte in Ihrem Verfassungsvorschlag, bei denen die Machtverschiebung vorgenommen wird, so dass das Volk und nicht der Fürst das letzte Wort hat? Ich glaube, wir schlagen in der Friedensinitiative eine ausgewoge­ ne Regelung vor, die die Machtba­ lance zwischen den beiden Souve­ ränen gewährleistet. Das 
Macht- RECHTE UND PFLICHTEN GLEICH- MASSIG VERTEILEN gleichgewicht ist das Wesentliche im Dualismus. Wichtig ist, dass das Kräfteverhältnis ausgeglichen ist, dass beide Souveräne zusam­ men wirken müssen und im End­ effekt die Rechte und Pflichten gleichmässig verteilt sind. Das bisher unbeschränkte Not­ verordnungsrecht des Fürsten wollen Sie auf Kriege oder öffentlichen Notstand beschrän­ ken. Warum diese Eingrenzung? Geht Ihnen der Fürsten-Vor­ schlag zu weit? Es ist nicht richtig, dass in der geltenden Verfassung von 1921 ein unbeschränktes Notverord­ nungsrecht des Fürsten besteht. Es heisst dort nämlich, dass er mit Notrecht nur «in dringenden Fäl­ len» regieren kann. Wir wollen mit unserer Initiative das Notrecht nur genauer definieren. Es soll klarge­ stellt werden, was . unter dem Begriff «in dringenden Fällen» zu verstehen ist. Wir wollen aber auch klar stellen, dass die Frci- heitsrechte, die aufgrund von völ­ kerrechtlichen Vereinbarungen in Liechtenstein gelten, im Fall von Notrecht nicht eingeschränkt wer­ den dürfen. Neu gegenüber der geltenden Verfassung ist aller­ dings, dass wir den Landtag ein­binden 
wollen in . die Schaffung von Notrecht. Für die Richterwahlen schlagen Sie ein Gremium vor, das die Richter zur Wahl vorschlägt. In diesem Gremium hat der Fürst nur noch ein Drittel der Stim­ men. Kommt hier liicht der Grundsatz ins Wanken, dass die Staatsgewalt im Fürsten und im Volke verankert ist? . Nach der geltenden Verfassung hat der Fürst gar kein Vorschlags­ recht, sondern nur das Emennungs- recht, welches in unserer Initiative unangetastet bleibt. Wir räumen dem Fürsten neu die Möglichkeit ein, dass er seine Vertre- ter in das Vorschlagsgremium schicken kann. Das ist eindeutig eine Stärkung sei­ ner Position bei der Richterbestel­ lung. Dass für die Wahl einer Rich­ terin oder eines Richters im Land­ tag eine Zweidrittelmehrheit not­ wendig ist, wie wir vorschlagen, führt zur Entpolitisierung der Rich­ terwahlen. Einer einzigen Partei wird es damit praktisch verunmög- Iicht, eine Kandidatin oder einen Kandidaten im Landtag durchzu­ drücken, weil nach unseren politi­ schen Verhältnissen eine Partei allein kaum eine Zweidrittelmehr­ heit im Landtag erreicht. Dem Staatsgerichtshof.trauen Sie in Ihrem Vorschlag eine ganze Menge zu, indem der Staatsge­ richtshof bei Verfassungsstreitig­ keiten endgültig entscheiden kann. Haben Sie nicht Angst vor dem eigenen Mut, wenn Sie an die Probleme denken, die der Staats­ gerichtshof vor einigen Jahren im Zusammenhang mit dem Kunst­ haus-Skandal verursachte? Der Staatsgerichtshof interpre­ tiert unsere Verfassung schon seit über 75 Jahren. Gemäss Art. 112 der geltenden Verfassung hat der Staatsgerichtshof die Kompetenz, bei Meinungsverschiedenheiten die Verfassung auszulegen. Uns ging es in der Friedensinitiative darum zu präzisieren, wer das Recht haben soll, die Auslegung beim Staatsgerichtshof zu beantragen. Nach unserem Vorschlag 
sol- (Fortsetzurig auf Seite 8)
	        

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