Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

"3 Liechtensteiner VOLKSBLATT 
KULTUR Samstag, 12. Oktober 2002 
1 5 Portraits, die Bände sprechen Interessante Führung von Uwe Wieczorek im Kunstmuseum Liechtenstein Uwe Wieczorek, Direktor der Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein, schaffte es in der Führung am Donnerstagabend, die Künstlerportraits der Aus­ stellung «Dialoge» auch einem ungeschulten Auge so nahe zu bringen, dass es danach schwer war, den Blick wieder abzuwen­ den. Doris Meie r  . Wie präsentiert sieh der Künstler sei­ ner Mit- und Nachwelt? Antworten auf diese Frage suchte Uwe Wieczorek in der von der liechtensteinischen Kunstgcscllschaft organisierten Füh­ rung durch den Ausstellungsraum zum Thema «Der Künstler selbst». Das Portrait oder das Selbstportrait an sich, ist eine der spannendsten Gattungen in der Kunstgeschichte. Der Künstler steckt in einem Spannungsfeld: Einer­ seits ist ja das Charakteristische an ei­ nem Portrait die Ähnlichkeit mit dem, den es darstellt, der Künstler ist in sei­ ner Phantasie und Kreativität einge­ schränkt, er ist also sklavisch an das Vorbild der Natur gebunden. Anderer­ seits kann er aber auch über die Natur triumphieren, er kann sich als Schöp­ fer fühlen, weil es ihm gelungen ist, ein Abbild dieses komplexen Vorbildes zu schaffen. Und er kann ein bisschen schummeln und das taten die Künstler 
Die Führung mit Uwe Wieczorek weckte das Interesse zahlreicher Besucherinnen und Besucher. teilweise auch. So zum Beispiel God- fried von Schalken (1643- 1706), ob­ wohl bekannt war, dass der Künstler nicht gerade zu der gutbetuchtcn Ge­sellschaft 
gehörte, stellte er sich selber muel van Hoogstraten (1627 - 1678) in einem aristokratischen Gewand und hängte sich in seinem Selbstportrait stolzen Blick über die linke Schulter eine Kette mit dem Bildnis des Kaisers dar. Aber auch der Rubens-Schüler Sa- um, die als höchste Auszeichnung für 
Künstler galt. Dies, obwohl er diese Kette zum Zeitpunkt der Erstellung des Kunstwerkes noch nicht erhalten hat-' te. 
Andere Künstler stellten sich mit den Attributen eines.Künstlers dar, al­ so Pinsel und Palette, wieder andere als selbstbewusste Bürger, personifi­ zierte Schöpferkraft oder als melan­ cholischer oder cholerischer Böhemi- en. ; ' Bogen über die Jahrhunderte . Die von Uwe Wieczorek gestaltete Hängung «Der Künstler selbst», besteht aber nicht nur aus Ölgemälden aus der fürstlichen Sammlung, sondern zeigt auch Werke von Joseph Beuys, Gio­ vanni Anselmo oder Michelangelo Pis- toletto aus dem 20. Jahrhundert. Die Kunstwerke sind aber nicht zufällig so kombiniert, sondern stehen miteinan­ der in einem spannenden Dialog, ei­ nem Dialog der einep Bogen über die verschiedenen Jahrhundert e sp annt. Paul Klee Vernissage Neben der Ausstellung «Der Künstler selbst», die noch bis Ende Februar zu sehefi sein wird, zeigt das Kunstmuse­ um " auch Werke aus der eigenen Sammlung zu Themenwie «Von Man-, nern und Frauen», «Werkprozess lind. Material», «Blick auf Natur» und «Ber­ ge». Am kommenden Donnerstag, 17. ^Oktober findet ausserdem die Vernis-. sage «Paul Klee. Meisterwerke der Sammlung Djerassi» statt. , FILMCLUB FROHSINN C'est la vie Der vierte Spielfilm von Jean-Pierre Ameris handelt vom Letzten. Er habe, so sagt Ameris, keinen Film über den Tod, sondern den letzten Abschnitt des Lebens gemacht, der das Ende des Le­ bens sei. Dimitri, vom Krebs zerfressen, hat noch einen Monat zu leben. Zu diesem Zwecke begibt er sich in ein, nun, Sterbehospiz ist nicht ganz richtig, vielmehr ist es eine Art Spital für Menschen, denen kein Arzt mehr hel­ fen kann. Da trifft er auf Suzanne, ei­ nen Engel von allein erziehender Mut­ ter, Lehrerin und freiwilliger Kranken­ schwester aus Leidenschaft. Zwischen beiden entspinnt sich etwas, das wohl Liebe heisst. Sie verwandelt einen Zyniker in ei­ nen, der in Ruhe sterben kann. Dimitri lebt auf im Angesichte des Todes, in einer ihm nie gekannten Weise. Und sie entdeckt einer vom Schicksal ge­ schlagenen Frau Gefühle, die diese längst erstorben glaubte. 
Das tönt furchtbar kitschig, ist es aber bei Weitem nicht. J.-P. Ameris ist ein bemerkenswerter Film geglückt, der schonungslos und ungeschönt das Thema Sterben zur Sprache bringt, vor dem man nur allzu gerne wegzu­ schauen pflegt. Bemerkenswert ist er, weil er sich bis an die Schmerzgrcnze des Erträglichen vorwagt. Zehn Minu­ ten Todeskampf, sozusagen live, das ist ein starkes Stück. Bemerkenswert ist aber auch: «C'est la vie» ist ein Film, der trotz seines Todernstes eine •Leichtigkeit, fast möchte man sagen, heitere Gelassenheit verströmt. Mit ei­ nem famosen Jacques Dutronc und ei­ ner unvergleichlichen, grossartigen Sandrine Bortnaire. «C'est la vie» ist heute Samstag so­ wie kommenden Montag jeweils uni 20 Uhr im TaKino zu sehen. Lagaan Das indische Kinofest «Lagaan» war der absolute Publikumsliebling am letzten Filmfestival von Locarno. Aber nicht nur dort, sondern weltweit trifft «Lagaan - Monsoon Wedding» locker hinter sich lassend - auf hinge­rissene 
Zuschauerinnen und Zuschau­ er. Dem indischen Starschauspieler Ashutosh Gowariker ist mit seiner umwerfenden Mischung aus «Hol- Iywood»-Musical und Kolonialroman­ ze einer der erfolgreichsten indischen Filme überhaupt gelungen - und dies in einem Markt, der mit über 800 Fil­ men pro Jahr, Hollywood bei weitem übertrifft. Die Geschichte einer klei­ nen indischen Dorfgemeinschaft, wel­ che unter den immer höheren Steuern der britischen Kolonialmacht zu lei­ den hat, wird nicht als trockenes Sozi­ aldrama erzählt, sondern als Sport-, Liebes- und Musical-Film, wie es die Tradition des kommerziellen indi­ schen Kinos verlangt. Und so bleibt denn auch kein Auge trocken, als die verzweifelten Dorfbewohner die briti­ schen Kolonialherren zum Cricket- Match herausfordern. Gleichzeitig verliebt sich die Schwester eines briti­ schen Offiziers in den charismati­ schen Helden der Gegenseite, und nun können nur noch Mut, Musik und Le­ bensfreude die Gegensätze zusam­ menbringen. «Lagaan» hat sieben indische «Os­cars» 
gewonnen, den Publikumspreis von Locarno und Dutzende weiterer Preise weltweit; Wer immer sich auf das farbige Spektakel einlässt, verliert sein Herz und 
gewinnt ein strahlendes Lachen. «Lagaan» ist am Sonntag um 18 Uhr und am kommenden Dienstag um 20 Uhr im TaKino zu 
sehen. Trouble every day Amerikaner und seine junge Frau ' fliegen scheinbar in entspannende, geruhsame Flitterwochen nach Paris. Doch aus der trauten Zweisamkeit an der Seine und im Hotel wird trotz vie­ len versuchten Zärtlichkeitsbezeugun­ gen nichts. Der Mann hat nämlich ein quälendes Problem mit seiner Libido und sucht verzweifelt den Kontakt zu einem mysteriösen Arzt, von dem er sich Hilfe verspricht. Doch er steuert stattdessen auf eine seltsame, katzen- hafte Frau zu, mit vampirähnlichen Zügen. Aus dieser verstörenden Kon­ stellation heraus entwickelt Regisseu­ rin Ciaire Denis ein spannungsvolles, erotisches Psychodrama. Zu betören­ den Bildkompositionen der' Kame­rafrau 
Agnes Godard, die untermalt werden vom düster-melancholischen und magischen Soundtrack der briti­ schen Band «Tindersticks». Aus einem exzellenten Ensemble ragt in diesem Amour-Fou- Drama das Duo infernale Vincent Gallo und Beatrice Dalle her­ aus. ' «Dass es für dieses kleine Meister­ werk in Cannes dennoch, viele Buhs gab, mag daran liegen, dass die Erotik hier zur Abwechslung mal nicht den prüden amerikanischen Konventionen unterworfen ist, sondern sich das Kör- perbewusstsein, in gleichem Masse auf Lust wie auf Gewalt eistreckt. Und wenn dann Sexszenen auf dem Höhe­ punkt in kannibalistischen Terror um­ schlagen, dann sitzt der Schrecken wesentlich tiefer, als man das gewohnt ist. Inmitten all der so genannten scaiy movies, die sich aus dem Schlachten einen Spass machen, ist es hier plötzlich wieder blutiger Ernst.» Der Skandalfilm von. Cannes 2001 ist also nichts fiir schwache Ner­ ven! «Trouble every day» ist heute Sams­ tag um 22 Uhr im TaKino zu sehen. Erfolgreicher Abschluss von «Reise ins Innere der Malerei» «Eine kontemplative Reise ins Innere der Malerti», schrieb der Corriere del Ticino über die Ausstellung des neu­ en Baumbilder-Zyklus von Evi Klie- mand, die 
noch bis zum 19. Oktober im Zentrum von Locarno in der Ga­ lerie «Arte Moderna Ammann» zu sehen ist. Gerolf Hause r Es lohnt sich, wenigstens einen klei­ nen Teil der Herbstferien zu investie­ ren und im Tessin jene Bilder anzu­ schauen, in denen Evi Kliemand ihre Liebe und Achtung vor der Natur, die­ se inneren Dialoge mit einem fremden Lebewesen, so intensiv: darstellt. «Es freut mich», sagt die Künstlerin, «nach acht Jahren wieder im Tessin ei­ ne Ausstellung zu haben. Das berührt einen meiner Atelier-Orte. Ich mag, wenn Bild-Entstehungsorte, Lebens­ räume und Ausstellungsräume inein­ ander greifen. Die Orte, an denen ich schaffe, erfahre ich als einen grossen Metabolismus, von dem ich ein Teil 
Bilderzyklus von Evi Kliemand bei «Arte Moderna Ammann» in Locarno ^If V '¥<1 * I 0' mV Ij *4 * *•:«$ , f 
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*^ l, V ^-STcj' **s * * Evi Kliemand in der Galerie *Arte Moderna Ammann» in Locarno. 
werde. Ein Durchlässiges, . Zwi­ schenräumiges ist für mich, auch in der Begegnung mit der Natur und de­ ren Energien und Zusammensetzun­ gen, ein Impuls zur Wahrnehmung, Eigentlich hatte ich keine. Absicht, Bäume zu malen, es ist eher das, was mir zustiess, da ich mich in ihrer Nähe befand... sie waren da, sie standen in meinem Augenwinkel, ich blickte hin­ aus, dazwischen durch... aber das Bild fing 
sich in meiner Erinnerung und liess nicht ab, itrimer neu zu entste­ hen ... Ich fühlte mich oft auch im Schutz der Stämme... Auch im Schaf­ fen gilt ein Durchlässiges, ein Durch- drungensein von Gleichzeitigemi ein Stoffwechsel. Das Verleteliche ist übe­ rall. Das Geheimnis der Durchlässig­ keit. Der Metabolismus des ' Orts gleicht dem eines Körpers.» Ausstellung «nuovo cicli» von Evi Kliemand bei 
«Arte Moderna Am- • mann» in Locarno. Ausstellungsdauer: bis 19. 10. Öffnungszeiten: Dienstag . bis Donnerstag 14 bis 18, Freitag und Samstag 10 bis 12 und 14 bis 18 Uhr.
	        

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