Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
INLAND Freitag, 11. Oktober 2002 
3 gen ist Klaus Tschütscher, Amtsleiter-Stellvertreter im Steueramt, über den Rechtshilfevertrag mit den USA Nicht nur die USA, auch Liech­ tenstein ersucht um Rechtshilfe. Klaus Tschütscher, der als Amtsleiter-Stellvertreter beim Steueramt zur Verhandlungsde­ legation gehörte, weist darauf hin, dass Liechtenstein in den letzten Jahren zahlenmässig mehr Rechtshilfeansuchen an die USA stellte als umgekehrt. Der Rechtshilfevertrag mit den USA stelle die Rechtshilfe mit diesem Staat auf eine völker­ rechtlich gesicherte Grundlage. -  Günther Meier Herr Tschütscher, die Auswirkungen des Rechtshilfevertrages mit den USA werden wir etwa in einem Jahr besser beurteilen können. Was glauben Sie, bringt er für die Ameri­ kaner, was für uns Liechtensteiner? Klaus Tschütscher: Zunächst ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika erst mit dem vorliegenden Rechtshii- fevertrag erhalten, wozu Liechtenstein im Rahmen der allgemeinen Rechts­ hilfe gegenüber den Vertragsstaaten des Europäischen Rechtshilfeüberein­ kommens schon seit vielen Jahren verpflichtet ist, nämlich die Leistung einer effizienten Rechtshilfe auf gesi­ cherter völkerrechtlicher Grundlage. Die USA sind nämlich nicht Vertrags­ staat des Europäischen Rechtshilfe- Übereinkommens, ein bilateraler Ver­ trag zwischen dem Fürstentum Liech­ tenstein und den Vereinigten Staaten von Amerika besteht ausschliesslich für Auslieferungsfragen. Auch Liechtenstein ist auf eine rasche und gesicherte Erledigung von Rechtshilfe­ ersuchen angewiesen In der bisherigen Praxis leisteten Liechtenstein und die Vereinigten Staaten einander jeweils auf Basis ih­ res innerstaatlichen Rechtes freiwillig Rechtshilfe. Mit der Beendigung des yertragslosen Zustandes wird einer­ seits auf amerikanischer Seite ein auf­ wändiges urtd kompliziertes inner­ staatliches Verfahren bei der Erlan­ gung und auch Gewährung von Rechtshilfe beseitigt, anderseits wer­ den Probleme vermieden, die in der Vergangenheit im Rechtshilfeverkehr zwischen Liechtenstein und den USA aufgetreten sind. Schliesslich darf nicht übersehen werden, dass Liech­ tenstein in den vergangenen Jahren in zahlenmässig grösserem Umfang als die USA um.Rechtshilfe ersucht hat und deshalb seinerseits auf eine ra­ sche, effiziente und gesicherte Erledi­ gung von Rechtshilfeersuchen ange­ wiesen ist. Der Rechtshilfevertrag ist auf Be­ treiben der Amerikaner zu Stande gekommen. Wo haben wir die Ame­ rikaner mit Ihren Maximaiforderun- gen stoppen können, wo haben wir Federn lassen müssen? Es ist richtig, dass die Initiative zum Abschluss eines Rechtshilfevertrages von den Vereinigten Staaten von Amerika ausging, und zwar letztmals im November 2000. Dieser offiziellen Anfrage an die damalige Regierung ANZEIGE 
Klaus Tschütscher: *Es darf nicht übersehen werden, dass Liechtenstein.in den vergangenen Jahren in zahlenmässig grös­ serem Umfang als die USA um Rechtshilfe ersucht hat und deshalb seinerseits auf eine rasche, effiziente und gesicherte Erledigung von Rechtshilfeersuchen angewiesen ist.» • (Bild: PauiTrummer) Frick lag auch bereits ein Vertragsent­ wurf bei, welcher sehr weit reichende Forderungen der Amerikaner enthielt. So sollte beispielsweise im Rechtshil­ fevertrag vom Prinzip der beiderseiti­ gen Strafbarkeit völlig abgesehen wer­ den und der Einbezug der Rechtshilfe in Fiskälsachen sollte einen praktisch uneingeschränkten Informationsaus­ tausch gewährleisten. In beiden Punk­ ten konnte die amerikanische Seite von ihren Maximalforderungen abge­ bracht werden. Die Regelung der beiderseitigen Strafbarkeit entspricht der Rechtslage, wie sie dem Geltungsbereich des Eu­ ropäischen Rechtshilfe-Übereinkom- mens zu Grunde liegt. Liechtenstein hat demnach das Recht (und gemäss innerstaatlichem. Recht, welches schliesslich herangezogen werden muss, sogar die Pflicht), die Rechtshil­ fe abzulehnen, wenn die Durch­ führung der Rechtshilfe irgendeine Zwangsmassnahme erfordert und die US-Seite von Maximalforderungen abgebracht Handlung nach unserem Recht keine gerichtlich strafbare Handlung dar­ stellt. _ . Auch bei der Rechtshilfe in Fiskal­ strafsachen konnte, abweichend von der ursprünglichen Maximalforde-, rung, ein Kompromiss gefunden wer­ den, welcher ausgehend von der Defi­ nition des Steuerbetrugs nach liech­ tensteinischem Recht den spezifischen Besonderheiten 
beider Rechts- und Steuersysteme Rechnüng.trägt. Der Rechtshilfevertrag mit den USA stärke die internationale Akzeptanz des Finanzplatzes Liechtenstein, er­ klärte Regierungschef Otmar Hasler an einer Veranstaltung für die 
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nanzdienstlelster. Ist das nicht eher ein Signal für andere. Staaten, die Liechtensteiner auch zu Zugeständ­ nissen zu zwingen? Liechtenstein, hat in den vergange­ nen Jahren stets eine klare und konse­ quente Haltung in Bezug auf die Zur Projekte von EU und OECD gehen weit über die im Vertrag gefundene Lösung hinaus samnienarbeit in kriminellen Strafsa­ chen eingenommen. Dies wurde sehr deutlich auch in den Verhandlungen mit der OECD zum Ausdruck gebracht. Liechtenstein hat in diesem Kontext wiederholt seine Bereitschaft darge­ legt, unter Beachtung bestimmter Prinzipien mit anderen Staaten im Rahmen von bilateralen Abkommen entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Diese Bereitschaft stellt Liech­ tenstein mit dem vorliegenden Rechts­ hilfevertrag erneut unter Beweis. Anderseits haben andere Staaten bzw. Staatengemeinschaften nicht auf den liechtensteinisch-amerikanischen Rechtshilfevertrag gewartet, um ihre Forderungen - gerade auch im Steuer­ bereich - an Liechtenstein heranzutra­ gen. Ich erinnere nur an die Bestre­ bungen der EU betreffend die Zinser­ tragsbesteuerung oder die Initiative der OECD bezüglich der Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken. Die Pro­ jekte und Interessen der EU und der OECD gehen weit über die im vorlie­ genden Rechtshilfevertrag gefundene Lösung hinaus und liegen in mehrfa­ cher Hinsicht auf einer ganz anderen Ebene: Dort geht es letztlich um Amts­ hilfe, also den direkten Austausch von Informationen zwischen Steuerbehör­ den, wobei der Informationsaustausch automatisch erfolgen und sich nicht nur auf strafrechtlich relevante Steu­ erangelegenheiten beziehen, sondern grundsätzlich sämtliche Steuerangele­ genheiten umfassen sollte. Der Rechtshlifevertrag Ist umstrit­ ten. Peter Wolff sagte In einem In­ terview, es hätte.auch die Möglich­keit 
eines Vertrages mit wesentlich eingeschränkteren Formulierungen im Bereich der Steuerstrafsachen gegeben. Bestand diese Möglich­ keit? Ich erinnere nochmals an die Aus­ gangslage und die von der amerikani­ schen Seite anfänglich vorgebrachte. Förderung nach praktisch uneinge­ schränkter Rechtshilfe in Fiskalsa­ chen. Diese amerikanische Forderung war nicht eine auf Liechtenstein spezi­ ell zugeschnittene oder gar singulare,, sondern ist im grösseren Zusammen­ hang der amerikanischen Abkom­ menspolitik zum Informationsaus­ tausch in Steuerangelegenheiten zu sehen. Es ist nämlich das erklärte Ziel der Vereinigten Staaten, mit allen wichtigen Jurisdiktionen," insbesonde­ re den bedeutenden Finanz- und Wirt­ schaftszentren; Rechts- oder gar Amtshiifeverträge abzuschliessen und dabei den Fiskalbereich in substanzi- eller Weise miteinzubeziehen. Die im vorliegenden Rechtshilfevertrag ge­ fundene Lösung ist deshalb in diesem internationalen Vergleich zu beurtei­ len. Wenn man daher bedenkt, dass andere europäische Staaten und ande­ re Finanzplätze in der Gewährung von Steuerinformationen an die USA viel weiter gehen, als dies im Vertrag mit Liechtenstein vorgesehen ist, so wäre Interessen beider Vertragsstaaten. berücksichtigt 'eine restriktivere Lösung für die USA schon aufgrund dieser Präjudizien nicht in Frage gekommen. Anderseits muss. auch gesagt wer­ den, dass das liechtensteinische Steu­ ergesetz seit Jahrzehnten seinerseits den Steuerbetrug als gerichtlich straf­ bares Steuerdelikt kennt. An diesem Steuerdelikt muss man sich deshalb auch international messen lassen. Ge­ nau dies geschieht nun im Abkommen mit den USA, und wie in jedem völ­ kerrechtlichen Vertrag finden dabei die Interessen beider Vertragsstaaten ' ihre Berücksichtigung. Dies geschieht dadurch, dass - ausgehend von der liechtensteinischen Definition des 
Steuerbetrugs - in der diplomatischen Note fünf umgrenzte Tatbestände er­ wähnt. werden, welche bei vorsätzli­ cher Begehung die Vermutung eines Steuerbetrugs im Sinne des Abkom­ mens nahe legen. Es gibt auch die Kritik, dass wichti­ ge Punkte im Rechtshlifevertrag un­ klar geregelt oder formuliert seien. Muss man damit rechnen, dass der Stärkere siegt, wenn es um Inter- pretatlönen unklarer Regelungen. geht? Nein, denn es besteht Konsens darü­ ber, dass die Auslegung des Rechtshil­ fevertrags in jedem Fall jeweils autö-. nom durGh 
die nationalen Gerichte beider Vertragsstaaten erfolgt. Von der Vorwurf unberechtigt Kritik an der Auslegung ist die Kritik bezüglich. unklarer Regelungen und Formulierungen zu , unterscheiden. Diese muss man besonders ernst neh­ men, weil durch.unklare Formulierun­ gen die Rechtssicherheit leiden könn­ te, Aber gerade dort, wo diesbezügli­ che Kritik an diesem Rechtshilfever­ trag geäussert wurde, nämlich bei der Regelung der beiderseitigen Strafbar-: keit sowie der Regelung der Rechtshji-. fe bei Fiskalstrafsachen, ist der Vor­ wurf meines Erachtens unberechtigt. Die Regelung betreffend die beider­ seitige Strafbarkeit ist beispielsweise derjenigen im Rechtshilfevertrag der Vereinigten Staaten mit Luxemburg bzw. Österreich nächgebildet und ent­ spricht - wie bereits erwähnt - der Rechtslage im Geltungsbereich des Europäischen Rechtshilfeübereinkom­ mens. Und bei der Rechtshilfe in Fis­ kalstrafsachen wird der Begriff des' Steuerbetrugs,, wie er im Rechtshilfe­ vertrag in Anlehnung an das liechten­ steinische Steuerrecht definiert ist, in der diplomatischen Note näher präzi­ siert und sogar verbindlich interpre­ tiert. Viele glauben, schon das Sterpe- glöckleln für den Finanzplatz Liech­ tenstein läuten zu hören. Wie schät­ zen Sie 
die Zukunft des Finanzplat- zes ein, wenn von überall der Drück auf die «Steueroasen» kommt und das Bankgeheimnis aufgebröchen werden soll? Der Finanzsektor befindet sich ganz allgemein und weltweit in einem aus-- geprägten Prozess.. Dieser Prozess zeichnet sich meines Erachtens we­ sentlich dadurch aus, dass $r von vie­ len verschiedenen Organisationen und Institutionen mitgeprägt wird, welche mit ihren Auffassungen, Projekten und Vorgaben starken Einfluss auf die internationale Diskussion ausüben. In diesem stark bewegten internationalen Umfeld befinden sich auch Finanz- dienstleistungsplätze wie Liechten­ stein. Diese stehen dabei vor der gros^ sen Herausforderung, sich zu behaup­ ten, 
ihre legitimen Interessen einzu­ bringen und sich zu positionieren. ANZEIGE fr o mm e l t LI - 0490 Vaduz Busrolaon 09.11.02- Mailand Shopping , pro Person 
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