Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

liechtensteiner VOLKSBLATT• 
•IM LAND Samstag, 5. Oktober 2002 
5 Regierungschef Otmar Hasler zum Rechtshilfevertrag zwischen Liechtenstein und den USA «Der Rechtshilfevertrag mit den USA dient der Stärkung der in­ ternationalen Akzeptanz des Fi­ nanzplatzes Liechtenstein, und hur ein international akzeptier­ ter Finanzplatz kann angesichts der heutigen Globalisierung langfristig überleben.» Dies hielt Regierungschef Otmar Has­ ler diese Woche an einer Informations- veraristaltung fest, an der Interessier­ ten- Vertretern des Finanzdienstleis­ tungssektors. der Rechtshilfevertrag zwischen Liechtenstein und den USA im Detail erläutert wurde. Der Vertrag, der neben den klassischen Bereichen der Rechtshilfe auch den Bereich der Rechtshilfe in Steuerstrafsachen mit erfasst, war am 8.. Juli 2002 in Vaduz unterzeichnet worden. Er bedarf noch: der Zustimmung des Landtags. Laut Otmar Hasler- muss das Ver­ tragswerk in seinem Gesamtzusam­ menhang beurteilt werden. Es seien zwar die USA gewesen, die diesen Ver­ trag wünschten und dieses Ziel auch mit • erheblichem politischen Willen verfolgt hätten. «Der Vertragsabschluss ist aber genauso, wenn nicht noch mehr, vorteilhaft für Liechtenstein», so der Regierungschef. Dafür führt er fol­ gende Gründe an: 1. Stärkung der Bezie­ hungen zu den USA •Die Bedeutung der USA im globalen politischen und wirtschaftlichen Be­ ziehungsnetz ist enorm, .ebenso wie ihr Einfluss.auf das Regelwerk der Inter­ nationalen Finanzdienstleistungen. Die Möglichkeit für Liechtenstein, die Beziehungen zu den USA In einem entscheidenden Zeitpunkt zu stärken, kann für die Zukunft unseres Landes kaum hoch genug eingeschätzt wer­ den. Ein bilateraler Vertrag mit den . USA in einem so wichtigen Bereich wie der Rechtshilfe,, ist diesbezüglich ein wichtiger Baustein. Gerade nach den vielfältigen Angriffen auf unseren: Finanzplatt ist die Bereitschaft der USA zur Zusammenarbeit mit Liech­ tenstein nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Die politischen Prioritäten der USA nach dem 11. September 2001 geben dem Vertragswerk ein noch höheres Profil. 2. Schutz vor Missbrauch des liechtensteinischen Finanzplatzes Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass unsere Finanzdienstleis­tungen 
sowie die gesamte- Wirtschaft sich nur harmonisch entwickeln kön­ nen, wenn wir den Finanzplatz sauber halten. Dabei spielt eine klaglose Rechtshilfe eine vitale Rolle. Dazu gehören auch zwischenstaatlich ak­ zeptierte Regelwerke, die über die Grenze Vertrauen schaffen. Die Rechtshilfe muss nicht nur funktionie­ ren, sie muss international auch so wahrgenommen werden. Ebenso in dieser Perspektive ist der Vertrag mit den USA ein Eckstein. Auch gegenüber Dritten ist er ein klares Zeichen unein­ geschränkter Kriminalitätsbekämp- fu'ng. 3. Praktische Konsequenzen y Der Vertrag vereinfacht die Rechts­ hilfe zwischen beiden Staaten. Dies ist auch im Interesse Liechtensteins. Für Investoren ist die Effizienz der Krimi- nalitätsbekämpfuilg ein zusätzliches Argument für den Standort Liechten­ stein. Liechtenstein schllesst zwar eher multilaterale Vertragswerke ab, da bi­ laterale Abkommen in der Regel einen höheren Aufwand verursachen. So ist unser Land ja auch Vertragspartei des Europäischen Rechtshilfeübereinkom­ mens. Mit den USA war dieser Weg mangels. Vertragsparteienstellung nicht möglich. 4. Steuerlich akzep­ tabler Kompromiss Liechtenstein steht, wie auch andere Finanzplätze, die uns nahe «der ähn­ lich sind, unter erheblichem Druck, den Schutz der Privatsphäre im Fi- riarizdlenstleistungshereich weitge­ hend zu relativieren. Die Entwicklun­ gen nach dem 11. September 2001 ha­ ben die Situation noch verschärft. Die USA haben diesbezüglich Forderungen auf den Tisch gelegt und deutlich ge­ macht, dass ohne substanzielle Rechts­ hilfe bei Steuervergehen eine Einigung nicht zustande kommen kann. Sie Ha­ ben aber Hand zu einem Kompromiss geboten, der es Liechtenstein im Kern erlaubt,, das Wesentliche zum Schutz der Privatsphäre auch ausländischer Kapitalanleger, inklusive des Bankge­ heimnisses, zu erhalten, in dem nur bei qualifiziertem • Steuervergehen, die dem liechtensteinischen Steuerbetrug­ statbestand grösstenteils entsprechen, Rechtshilfe, mit Zwangsmassnahmen geleistet wird. Abgesehen vom internationalen Druck zur Zusammenarbeit beim Steuerinformationsaustausch müssen wir uns fragen, ob wir in Anbetracht der zunehmenden Interdependenz ge­ rade zwischen demokratischen, indust­Regierungschef 
Otmar._Hpler und der US-Botschqfter in der Schweiz, Mercer Reynolds, nach der Unterzeichnung des Rechtshilfevertrages zwischen Liechtenstein und den USA am 8. Juli in Vaduz. rialisierten Staaten, Machenschaften schützen wollen und können, die er­ heblich über einfache Steuervergehen hinausgehen. Besonders gegenüber Amerika sprach einiges für einen trag­ baren Ausgleich zwischen Schütz der Privatsphäre einerseits und Bekämp­ fung der Kriminalität, auch Steuerkri- minalltät andererseits. Neben den all­ gemein guten Beziehungen ist etwa an den - relativ starken Wirtschaftsaus­ tausch auch ausserhalb der Finanz- 'dienstleistungen zu denken. Berück­ sichtigungswürdig ist das amerikani­ sche Rechtsempfinden bei Steuerver­ gehen: Da das Prinzip der Selbstveran- iagung im amerikanischen Steuerrecht stärker verankert ist als in europäi­ schen Staaten, werden betrügerische Machenschaften auch von der Öffent­ lichkeit einhelliger abgelehnt. Ver­ stärkt wird diese Ablehnung durch den Umstand, dass die amerikanische Steuerrate im Verhältnis zu den meis­ ten europäischen Staaten als erheblich tiefer einzustufen ist. Unsere Verhand­ lungsdelegation war gut beraten, diese amerikanische Faktenlage inklusive der Sensibilitäten im Verhandlungs- verlauf zu berücksichtigen. Ebenso hatte die amerikanische Sei­ te Veretändnis für unsere Ausgangsla­ ge. So akzeptierte sie auch, dass bei diesem Straftatbestand vom liechten­ steinischen Steuerbetrug ausgegangen wird und die entsprechenden Vertrags­ bestimmungen inklusive der Diploma­ tischen Note einen Standard festlegen, der im Vergleich 
mit anderen europäi­schen 
Staaten."mit starkem Bankkun­ dengeheimnis günstig für Liechten­ stein ausfällt. . Nach dem 11. September 2001 ist der Ruf nach Transparenz im internatio­ nalen 
Finanzdienstleistungswesen und damit zur Abschaffung des Bankge­ heimnisses viel lauter erschallt. Eine wirksame Internationale Bekämpfung von Terrorismus und organisierter 
Kri­ minalität könne nicht vor dem Steuer­ recht Halt machen. Es wird argumen­ tiert, dass sich solche kriminellen Netzwerke am besten oder sogar nur mittels Steuerfahndung aufdecken Hessen. Wir stehen solchen Argumen­ ten mehr, als skeptisch gegenüber, ganz abgesehen von den sich vermehrt stellenden Prinziplenfragen beim Schutz der Prlvatsphäre. Trotzdem ist es in unserem Interesse, diese Argu-, mentation so gut wie möglich zu ent­ kräften, zumal unser Finanzplatz im Verhältnis zur Grösse des Landes sehr bedeutend ist. Diesbezüglich sind der Rechtshilfevertrag und seine Steuer­ strafbestimmungen von erheblicher Bedeutung: Die qualifizierten Tatbe­ stände der Steuerbestimmungen des Rechtshilfevertrages bieten jedenfalls genügend Handhabe, um schwerwie­ gende Kriminalität mit vordergründig steuerstrafrechtlichem Charakter zu erfassen. Bei einfachen Steuerverge­ hen, wie z.B. blossen falschen Steuer­ deklarationen, erscheint diese Argu­ mentation jedenfalls vollständig un­ proportional. Auch aus dieser Perspek­ tive der internationalen Zusammenar­beit 
haben wir gegenüber den USA al­ les Notwendige vorgekehrt und den Zielsetzungen des so genannten US Patriot Act, der im Gefolge des 11. September 2001 zur Terrorismus­ bekämpfung erlassen wurde, voll ent­ sprochen. Mit einer Öffnung der Rechtshilfe bei schwerwiegenderen Steuerverge­ hen geht Liechtenstein'gegenüber den USA von seiner bisherigen diesbezüg­ lichen Position, wie 
sie }m Rechtshilfe­ gesetz festgelegt wird, ab. Dies ent­ spricht dem veränderten Umfeld, dem sich Liechtenstein und sein Finanz­ platz im Verlaufe der letzten Jahre ge­ genüberfinden. Wir gehen damit einen Weg beschränkter Konzessionen im Steuerstrafrecht. Gleichzeitig ist es ein klares Zeichen, dass wir unser Bank- kundengeheimnls erhalten. So ist die­ ser Vertrag auch ein Zeichen für ande­ re Staaten, mit denen eine hohe wirt­ schaftliche Interdependenz und gute Zusammenarbeit besteht: Wir gehen weit bei der Bekämpfung jqder Form der Kriminalität, halten aber fest an ei­ nem hohen Schutz der Privatsphärt. Wir werden den heute im europäi­ schen uiid internationalen Umfeld viel weitergehenden Forderungen nach In­ formationsaustausch 
entgegenstehen und lehnen den Informationsaus­ tausch auf Amtsebene nach wie vor ab. Der Rechtshilfevertrag mit den USA nimmt auf spezifische Rechtsbe­ dingungen der beiden Vertragspartner Rücksicht und ist somit auch nicht auf Dritte übertragbar. Rechtshilfevertrag zwischen Liechtenstein und den USA: zur Rechtshilfe in Steuerstrafsachen Durch den Rechtshilfevertrag mit den USA verpflichtet sich Liechten­ stein erstmals, in schwerwiegenden Steuerstrafsachen substanziell Rechtshilfe zu leisten. Die gefundene Lösung wird als ein «für beide Seiten akzeptabler Kompromiss» bewertet. Die amerikanische Seite hatte zunächst einen möglichst umfassen­ den Steuerinformationsaustausch ge­ fordert. Zwischen der ersten Verhand­ lungsrunde {April 2001) und der zwei­ ten im Februar 2002 legte sie auf dip­ lomatischem Wege eine Maximalvari­ ante vor, die praktisch einem uneinge­ schränkten Informationsaustausch in Fiskalstrafsachen gleichgekommen wäre. Bei der zweiten Verhandlungs­ runde konnte die liechtensteinische Delegation die US-Seite von dieser 
Maximalposition abbringen. Die bei­ den Delegationen orientierten sich an einem pragmatischen Modell, das die Unterschiede beider Steuersysteme, die Abgrenzung von Steuerhinterzie­ hung und Steuerbetrug sowie die Schwierigkeiten, mit dem reinen Ur­ kundenmodell berücksichtigt. In wei­ teren bilateralen Kontakten und auf diplomatischem Weg wurde schliess­ lich eine Einigung erzielt, die im Ver­ trag (Art. 1 Abs. 4) wie folgt festge­ halten ist: *Bei Steuervergehen leistet der er­ suchte Staat Rechtshilfe,, wenn es sich bei der beschriebenen Handlung um einen Steuerbetrug handelt, welcher, als eine Steuerhinterziehung definiert wird, bei der vorsätzlich gtfälschte, verfälschte oder unwahre Geschäfts­unterlagen 
oder andere Schriftstücke verwendet werden, und sofern der ausstehende Steuerbetrag entweder absolut oder im Verhältnis zu einem ausstehenden Jahresbetrag erheblich ist: Der ersuchte Staat verweigert die Rechtshilfe nicht,..wenn nach seinem Recht nicht dieselbe Art von Steuer er­ hoben wird oder nicht die gleichen Steuervorschrißen bestehen wl6 gemäss dem Recht des ersuchenden Staates.* Diese Definition des Steuerbetruges im Vertrag entspricht fast wortgleich dem Tatbestand des Steuerbetruges, wie er in Art. 146 des liechtensteini­ schen Steuergesetzes enthalten ist. Obige Vertragsbestimmung wird in einer diplomatischen Note verbindlich interpretiert. Zur Präzisierung des Be­ griffs des Steuerbetruges werden fol­gende 
Handlungen genannt, die bei vorsätzlicher Begehung die Vermu­ tung nahe legen, dass ein Steuerbe­ trug vorliegt: ;. Das Abfassen, Veranlassen der Ab­ fassung, Unterzeichnen oder Einrei­ chen von Schriftstücken, die: . a) von Gesetzes wegen eingereicht werden müssen, um den Steuerbehör­ den die Höhe des steuerbaren Einkom­ mens nachzuweisen, . b) als Grundlage für eine Steuerver­ anlagung dienen und c) falsch sind im Hinblick ättf eine solche Steuerveranlagung. 2. das Führen von.zwei unterschiedli­ chen Buchhaltungen; 3. das Autfühteri falscher Buchungen oder Änderungen, oder das Ausstellen falscher Rechnungen oder Schrift­ stücke; 
4. das Zerstören von Büchern oder Abzeichnungen; oder 5. das Verheimlichen von Vermögens­ werten oder, das Verdecken von Ein­ kommensquellen durch die in Art. 1 (4) beschriebenen Mittel. Den genannten Handlungen in den . Ziffern 1 bis 5 ist zunächst gemein­ sam, dass diese nur bei.vorsätzlicher Begehung die Vermutung eines Steu­ erbetruges im Sinne der Vertragsbe­ stimmung indizieren; fahrlässige oder irrtümliche 
Begehungshandlungen bzw. Verhaltensweisen genügen nicht •Zudem ist von den zuständigen Ge­ richten jeweils Im konkreten Einzelfall zu entscheiden, ob die durch eine vor­ sätzliche Begehungshandlung (ge­ mäss Ziff. 1 bis 5) indizierte Vermu- . tung auch tatsächlich zutrifft und ei­ nen Steuerbetrug darstellt. (mö)
	        

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