Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
INLAND Mittwoch, 24. Juli 2002 
5 Unterwegs mit 1 PS Hubert Frick aus Balzers und Mauleselin «Bella» auf Trekkingtour in hochalpinen Regionen Wandern im harmonischen Gleichschritt mit einer ausdau­ ernden vierbeinigen Begleitung. Auf alten Pfaden mit Geschich­ te. Sagen umwobene Hochebe­ nen überqueren, seltene Pflan­ zen bewundern, Tiere beobach­ ten. Mit wenig PS und viel Zeit für Begegnungen unterwegs sein. Mit dem Blick fürs We­ sentliche und dem Instinkt fürs (Lebens)wichtige. Und mit einer gehörigen Portion Pferdever­ stand: Wildwest-Romantik pur für Chauffeur Hubert Frick aus Balzers ... Dagmar Oehr i Dies ist eine Geschichte vom Vertrau­ en. Vom Vertrauen eines Chefs, der Hubert Frick flexible Arbeitszeiten zu­ gesteht, die es ihm ermöglichen, schon am Freitagmittag seine Bella in den Anhänger zu «packen». Vom Vertrauen einer Ehefrau, die sich am «schönen Hobby» mitfreuen kann und ihrem Mann die interessanten Begegnungen mit Berggängern und -bewohnern gönnen mag. An vielen Wochenenden, von Frühling bis Herbst. Und vor allem vom Vertrauen zwischen Mensch und Tier, zwischen Maulesel und Reiter/Führer, die beim Überque­ ren von Alpenpiisscn, auf engen Gip­ felpfaden, in brenzligen Situationen während Tagen aufeinander angewie­ sen sind. Dream-Team Für den Saxer Bauern, der Bella vor 17 Jahren an Hubert Frick verkaufte, mag die Mauleselin ein «Weideunfall» gewesen sein - für Hubert Frick ist sie ein Glücksfall. Auch wenn er einiges an Fachbüchern, Geduld, Einfühlungs­ vermögen 
und Konsequenz brauchte, um Bella, als Kreuzung zwischen Ara­ berhengst und Grosseselin von recht dominanter Persönlichkeit, zu erzie­ hen. «Heute ist es einmalig», schwärmt der 57-Jährige. «Sie und ich - wir ha­ ben viel Erfahrung, wir können kom­ munizieren, wir sind ein Team! Viele Rösseler haben Vorurteile gegen Maul­ esel, dabei kann man mit ihnen gut z'- Berg 
gehen. Sie sind genügsam und trittsicher wie Gamsen. Und eine Art 
Fühlt sich am Berg pudelwohl: Mauleselin »Bella». Zusammen mit ihrem Besitzer Hubert Frick zieht sie über die Bündner Alpen. (Bilder: Privatbesitz) Wanderungen übernachtet er nicht im Berggasthaus, sondern im Schlafsack. Wegen der Romantik - und wegen Bella. Sie ist nicht angebunden und geniesst ihre Freiheit auf den Bündner Hochalpen, auf die ihr gemeinsamer Weg meist führt. Trotzdem geht sie nie weit weg, sondern kommt ab und zu vorbei, um zu sehen, ob ihr Herr noch da ist. Lachend erinnert sich Hubert Frick an seinen ersten und einzigen Versuch mit einem Zelt: «Bella hat den Aufbau misstrauisch beäugt. Gegen Mitternacht hat sie das Zelt gepackt, herumgeschwenkt, darauf gestampft. Ich habe sie angeschrien, sie solle bloss verschwinden. Beleidigt ist sie abgedampft, am Morgen war sie 
nir- Dream-Team: Hubert Frick und Bella untenvegs zum alpinen frekking. Bewegungsmelder. Sobald Bella die Ohren stellt, kann ich sicher sein, dass etwas kommt. Sei es Wild, Steinschlag oder Mensch.» Hubert geniesst bei Bel­ la absolutes Vertrauen.. Dass dieses Vertrauen gegenseitig ist, zeigt sich, wenn er seinem Muli auf einen Weg folgt, den er zuvor nicht für möglich gehalten hätte. Selbst bei mehrtägigen 
gends zu sehen. Ich habe sie dann doch gefunden, glaubte aber schon, ich müsse den Sattel allein ins Tal tra­ gen.» «Woher, wohin?» Bis zu sieben Tage hintereinander sind die beiden unterwegs. Bella trägt in den Satteltaschen Proviant, Notapo­theke, 
Leuchtraketen, Kompäss, Karte und Schlafsack. Zum Beispiel auf die Greina, eine geschützte Hochebene im Bündnerland, auf 2300 Metern. «Da gibt es keinerlei Gebäude, keine Mas­ ten, die SAC-Hütten fiir Proviant- Nachschub sind zwei Stunden ent­ fernt. Man kommt sich vor wie auf ei­ ner Hochebene in Tibet. Eine Woche lang wandern, spazieren, auf den Hü­ geln philosophieren. In der Nacht scheint der Vollmond so hell wie eine Strassenlampe, Flugzeuge am sternen­ klaren Himmel wirken wie-Spielzeug.» Bei Gewitter, wo er sich gerne eine Schutzhütte oder einen Heuschober sucht, in dem Bella im besten Fall auch Platz hat, «meinst du, es sei der Welt­ untergang, so zittert der Boden. Es ist. einmalig!» Einsam fühle er sich nie, betont Hu­ bert Frick. Im Gegenteil. Immer wieder hat er interessante Begegnungen mit Männern und Frauen, die wie er das Einfache suchen. «Die fragen dich, wo­ her, 
wohin, laden dich zum Essen ein, erzählen dir manchmal ganze Lebens­ geschichten.» 
Von den Liechtenstei­ nern - die Wirte mal ausgenommen, für die ist sein Auftritt eine Attraktion, die Gäste anzieht - erlebt er eher Un­ verständnis. «Die fragen mich allen Ernstes, wo ich mich auf meinen Tou- reiv waschen würde», sagt Hubert Frick. «Dabei ist das Wasser eines Bergbaches wahrscheinlich klarer als das im Gasthof. Die Natur ist das Schönste, was es gibt. Und wir zer­ stören sie langsam, aber sicher.» Seine Naturverbundenheit und -erlebnisse lassen ihn alles mit anderen Augen se­ hen. Kleinigkeiten wie eine nicht zuge- . stellte Zeitung oder ein kurzer Strom­ ausfall können ihn nicht ärgern. Mate­ rielle Dinge stehen auf seiner Wunsch­ liste weit unten. Nach Gesundheit, ei­ nem Dach über dem Kopf und Reisen. Als Kauz oder Exot betrachtet zu wer­ den, ist der frühere Kletterer - bis zum fünften Schwierigkeitsgrad - gewohnt. Das war in den vielen Jahren, in denen er mit der ganzen Familie, inklusive des zahmen Raben «Hans», nach Ju­ goslawien zum wilden Camping fuhr, nicht anders. Ihn kümmert es wenig. Von seinen Reisen in den Osten habe er eine gewisse Bescheidenheit gelernt. Er ist zufrieden mit dem, was er hat. Auch wenn sich sein grosser Lebens­ traum - das Auswandern nach Ameri­ka 
- vor 40 Jahren in letzter Minute nicht erfüllt hat. «Lebe deinen Traum» Heute hängt über den Stallungen von Bella ein Schild mit der Aufschrift «Arizona Ranch». Und wegen Bella ist Hubert Frick seinem Traum doch noch näher gekommen: Vor zwei Jahren reiste er in die Sierra Nevada. Zum grössten Maultiertreffen Amerikas. Im Jahr darauf noch mal mit der ganzen Familie. Auf seinen Wanderungen durch verhangene Täler, in denen der Wind in den Bäumen flüstert und 
desrat Couchepin einen ungeplanten ' «Knicks» hingelegt; bei der Eröffnung der neuen Brücke zur Via Mala durften sie zusammen der Prominenz aus­ schenken; Hubert ist stolz darauf, dass er 
(und Bella) als Nichtprofi in das Buch einer deutschen Journalistin über alpines Trekking mit Pferden und Maultieren aufgenommen wurde. «Man muss nur zur rechten Zeit am rechten Ort sein», sagt er und «die Na­ tur ist auch schön bei uns. Die Schweiz ist ein Miniature-Kanada». Deshalb hat er auch keinen Traum für die Zeit nach der Pensionierung. «Ich lebe heute. In Begegnungen der 'koboldigen Art» in Holz festhalten - Hubert Fricks Hobby fiir lange Winterabende. weint, hat er, inspiriert von sagenhaf­ ten Nebelfetzen-Gestalten, seine Liebe zur Holzschnitzerei entdeckt. Und so­ gar einen gewissen Berühmtheitsgrad verdankt Hubert Frick seiner Maulese­ lin: An der BEA in Bern hat Bella beim Sternenritt der Maultiere just vor 
Bun­meiner 
Bude hängt gross der Spruch: Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum! Wenn ich Graubünden ganz abgelaufen habe - es fehlen mir nur noch ein paar kleine Abschnitte - fan­ ge Ich vielleicht in ein paar Jahren wieder von vorne an.»
	        

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