Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

1 6 Dienstag, 23. Juli 2002 
EXTRA Liechtensteiner VOLKSBLATT Dominik Grafs Berlinale-Film «Der Felsen» Teeniekomödie «Party Animals» Kinohitparade anz im von Alle paar Wochen will eine neue Hollywood-Komödie über das wilde, lustige Leben amerikani­ scher Teens und Twens auch hier zu Lande diese Zielgruppe unter den Kinobesuchern be­ glücken. «Party Animals», ab 25. Juli auf den Leinwänden, ist das neueste Produkt dieses Gen­ res. Der fühlt sich auf dem College so pudelwohl, dass. er nicht mal im Traum daran denkt, sein Studium abzuschliessen. Als ihm sein Vater den Scheck sperrt, besinnt sich Wil­ der auf sein grösstes Talent und ver­ dient sich fortan sein Schulgeld mit dem Organisieren von Orgien im Geiste von Ballermann. Dann ver­ liebt sich der College-;Nesthocker in die smarte Studentin Gwen, die im Auftrag der Campus-Zeitung eine Reportage über ihn schreiben soll und sein Lotterleben hinterfragt. Prompt stürzt er in eine kleine Iden­ titätskrise. > Es ist nicht alles daneben in dieser Komödie, die zumindest ab und zu verbal, dazu in manchen klamauki­ gen Slapstick-Situationen für ein Zucken im Mundwinkel sorgt - so wenn Wilders Party-Assistent Taj, ein Austauschstudent aus dem prü­ den Indien, in seinem drolligen Singsang mit obszönen Metaphern über den ersehnten Austausch von Körperflüssigkeiten schwärmt. Oder wenn Wilder Nachhilfestunden gibt und dazu barbusige Geheimwaffen einsetzt. Nirgends ist der Hormon­ stau höher als in Teenagerfilmen, 
«Party Animals» - Fäkalkomik und Langeweile dominieren Ein toller Hecht, ein müder Film:«Party Animals». 
wo es (fast) jeden zum Weibe drängt. Doch der Weg dahin führt in ame­ rikanischen Komödien immer öfter über das Klo und den Brechreiz, und «Party Animals» lässt den in dieser Hinsicht trendsetzenden Film «Ame­ rican Pie» locker hinter sich. Vergeb­ lich die Hoffnung, dass die in dem Genre üblich gewordenen Spässe mit kotzenden, urinierenden, defäkieren- den, furzenden und masturbierenden Menschen inzwischen ausgereizt wären. Aber der Spermawitz, der in «Verrückt nach Mary» für noch be­ klommene Lacher sorgte, hat sich längst verselbstständigt. Van Wilders Bulldogge dient nunmehr als Liefe­ rant, und man ist gut beraten, den Film mit nüchternem Magen zu besu­ chen. Es ist ein weiter Weg von die­ sen Bösartigkeiten, mit denen scha­ denfrohe Lacher wie mit der Brech­ stange herbei gezwungen werden sollen, zum Vorbild aller College- Komödien, «National Lampoon's Ani- mal House». In Deutschland lief die Collegesatire aus dem Jahre 1978, die mit ihrem groben Unfug Schule machte, unter dem Titel «Ich glaub', mich tritt ein Pferd». Und Tim Mathe- son, einst Hauptdarsteller in «Animal House», spielt' in «Party Animal» den Vater von Van Wilder. Auch das kann den Streifen nicht aufwerten, der einzig durch seine Ekel erregenden Szenen im Gedächt­ nis hängen bleibt - und durch das Entsetzen, dass die hier zu Lande noch als normal geltenden sieben Jahre Studium bei Vans Vater auslö­ sen. Der Rest ist meist nur langweilig. Die Darsteller, die schon seit einiger Zeit in Teenie-Filmen dahin düm- peln, bleiben ausdruckslos. FILMHITPABAPE Der Schweizerische Kino-Verband er­ mittelt jeden Freitag die Liste der 20 meistbesuchten Filme der vergange­ nen Woche in den Kinos der deutschen Schweiz. Die repräsentativen Angaben stammen aus 85 Kinobetrieben in al­ len wichtigen Städten der deutschen Schweiz. Die Filmhitparade nennt den Rang dieser Woche, den Vorwochen­ rang (in Klammer), den Filmtitel sowie den Regisseur des Films, «neu» heisst neu auf der Liste; «ern» heisst erneut auf der Liste. 1 (neu) MEN IN BLACK 2 Barry Sonnenfeld 2 (1) 40 DAYS ÄND 40 NIGHTS Michael Lehmann 3 (3) LILO Et STICH D.DebloIs/Ch.Sanders 4 (2) SPIDER-MAN Sam Raimi 5 (4) UNFAITHFUL Adrian Lyne 6 (5) MURDER BY NUMBERS Barbet Schroeder 7 (6) SAMSARA Nalin Pan 8 (7) WE WERE SOLDDERS Randall Wallace 9 (9) LAGAAN Ashutosh Gowariker 
10 (11) ELLING Peter Naess 11 (8) STAR WARS EPISODE 2 George Lucas 12 (10) LIFE AS A HOUSE Irwin Winkler 13 (12) CHAOS Coline Serreau 14 (14) HUIT FEMMES F. Ozon 15 (18) DER STELLVERTRETER Costa-Gavras 16 (20) THE ICE AGE Chris Wedge 17(13) L.I.E. Michael Cuesta 18 (17) IRIS Richard Eyre 19 (ern) ERNSTFALL IN HAVANNA Sabine Boss 20 (ern) A BEAUTIFUL MIND Ron Howard 
Karoline Eichhorn - Verloren auf Korsika Dominik Grafs Berlinale-Film «Der Felsen» kommt ins Kino Viel zu selten gibt es deutsche Filme, die zu Diskussionen anregen. Domi­ nik Grafs neues Werk «Der Felsen», der am 25. Juli in die Kinos kommt, ist so einer. Als er im Februar im Wettbewerb der diesjährigen Berli­ nale gezeigt wurde, gingen die Mei­ nungen von Kritikern und Publikum weit auseinander. Für die einen war die Geschichte um die Mittdreissige- rin Katrin ein kleines Meisterwerk, für andere hingegen nur eine inhalt­ lich .wie ästhetisch mangelhafte Bil­ ligproduktion mit grobkörniger Digi­ talkamera. Übereinstimmung herrschte allerdings über die aussergewöhnliche Leistung von Karoline Eichhorn. Die 37-jährige Schauspielerin gestaltete die Rolle die­ ser Katrin mit vollem Einsatz ihres Körpers und Talents zu einem der be­ wegendsten, intensivsten Frauenpor­ träts im deutschen Kino dieser Jahre. Vergleichbares war nur von Hannelore Elsner in Oskar Roehlers Drama «Die Unberührbare» zu sehen. Ohne Eich­ horn wäre dieser Film, den Graf selbst als «Experiment» bezeichnet, nicht vorstellbar. Denn die gebürtige Stuttgarterin gibt der von Symbolismen und teuto­ nischem Tiefgang manchmal über­ frachteten Handlung die menschliche Figur, deren Schutzlosigkeit und Of­ fenheit anrührt. Die von Eichhorn ver­ körperte Hauptfigur Katrin verlebt mit ihrem verheirateten Geliebten Jürgen, der zugleich ihr Arbeitgeber ist, einige 
Paraderolle für Karoline Eichhorn: Die 37-jährige Schauspielerin gestaltete die Rolle dieser Katrin mit vollem Ein­ satz ihres Körpers und Talents zu ei­ nem der bewegendsten, intensivsten Frauenporträts im deutschen Kino die­ ser Jahre. Tage auf Korsika. Doch Jürgen beendet ausgerechnet dort abrupt die lange Be­ ziehung, er will heim zu seiner schwangeren Frau. Für Katrin bricht eine Welt zusammen, ihre Existenz gerät ins Taumeln. Sie lässt sich trei­ ben. In dieser Situation lernt sie nach einigen Erlebnissen den noch minder­ jährigen Malte kennen. Der ist mit sei­ nem kleinen Bruder in einem Resozia- lisierungscamp für kriminelle Jugend­ liche auf der Insel. Die Begegnung zwischen Katrin und Malte gerät schicksalhaft. Denn die junge Frau hat 
ihre Orientierung verloren, der Junge konnte nie eine gewinnen. Für kurze Zeit klammern sie sich aneinander. Es ist ein ungleiches Paar, und natürlich ist es zum Scheitern verurteilt. Tragi­ sche Wendungen bringt der letzte Teil des 
Films, der konsequent die wildro­ mantische Schroffheit Korsikas in sein dramaturgisches Konzept einbezieht. Graf, der das Drehbuch zusammen mit Markus Busch verfasst hat, zeigt mit «Der Felsen» einen Film, der so un- . geschminkt wirkt wie das Gesicht von Karoline Eichhorn. Leider hat der Re­ gisseur nicht darauf verzichtet, mit be­ lehrenden Stimmen aus dem Off und der zu schwülstigen Musik von Dieter Schlelp dem ohnehin dramatischen Geschehen eine Überportion teutoni­ schen Schwersinns zu verpassen. Die für manchen Geschmack zu rohe, un­ ruhige, ja geradezu unsicher wirkende Kameraführung von Benedict Neuen­ fels gibt dem Film indes genau die Op­ tik, die der Handlung angemessen ist. «Der Felsen» ist kein Streifen, der viel Geld einspielen wird. Aber es sind solche Arbeiten, die der deutsche Film dringender braucht als 
die kommerzi­ ell manchmal erfolgreichen, doch künstlerisch wertlosen Hollywood- Imitationen made in Germany. Mit dem Einsatz der problemlos zu hand­ habenden Digital-Kamera haben auch Produktionen ohne grosse Etats neue Möglichkeiten. Dominik Graf und Ka­ roline Eichhorn zeigen in «Der Felsen», wie'sie genutzt werden können, Ja ge­ nutzt werden müssen.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.