Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

1 6 Donnerstag, 7. März 2002 
LAND UND LEUTE Liechtensteiner VOLKSBLATT Das Licht des Rampenlichts vom vergangenen Sonntag Forum: Stellungnahme von Johann Ott, Leiter des Tiefbauamtes Eigentlich wollte ich mich vor der Ab­ stimmung zur Verfassungsinitiative Verkehr nicht mehr äussern. Die Ram­ penlichtsendung vom vergangenen Sonntag hat mir aber zwei Kröten im Hals hinterlassen, die ich einfach nicht hinunter bringe. Auf die Frage von Herrn Wohlwend nach seinem Verkehrslösungsvor­ schlag angesprochen, hat Dr. Egon Matt gesagt, beim Ideenwettbewerb Verkehr sei nachgewiesen worden, dass unsere Verkehrsprobleme mit Trams zu bewältigen seien. Tatsächlich hat beim seinerzeitigen Verkehrswettbewerb der Ruggeller Ar­ chitekt Heinz Frick unter dem Syno­ nym «Und sie bewegt sich doch ..,» ei­ ne «Renaissance des Trams» einge­ bracht. Damals wurden für die Jury zwei namhafte Universitätsprofessoren eingeladen, die vehemente Streiter für den Öffentlichen Verkehr sind, näm­ lich Professor Heinrich Brändli von der ETH Zürich und Professor Hermann Knoflacher von der Technischen Uni­ versität Wien. Es war die klare Absicht 
und die politische Vorgabe, alternativ zum konventionellen Strassenverkehr Lösungen zu finden. So kamen auch Prämierungen zustande, die anschlies­ send keine politische Akzeptanz zur Umsetzung fanden. Das Projekt «Und sie bewegt sich doch . . .» wurde von der Jury nicht prämiert, obwohl es vier Tramlinien als dominante Verkehrs­ achsen in allen Teilen des Landes vor­ schlägt. Der Grundgedanke dieser Idee besteht darin, den Fahrbahnen unseres Hauptstrassennetzes 2,8 Meter Breite abzunehmen, um die Tramtrasse zu verlegen. Die verbleibende Fahrbahn­ breite für den motorisierten Individu- alverkehr solle sich auf 5,5 m, aber maximal 6,0 m begrenzen. Diese Fahr­ bahnen sollen dann keine bituminösen Beläge haben, sondern Pflasterungen oder nur bekiest sein. Hingegen sollen Rad- und Fusswege asphaltiert wer­ den. Für den motorisierten Individual- verkehr sollen Verkehrsbeschränkun- geri eingeführt werden. Alle Güter des Gewerbes und der Industrie sollen mit dem Tram befördert werden. Die ÖBB-Linie 
soll nicht an das Tramnetz ange­ schlossen werden, sondern dem Huckepack- Transit durch Liechten­ stein dienen. So faszinierend, visionär und wertvoll diese Idee auch ist, den Ansprüchen unserer mitteleuropä­ ischen Bevölkerung und Wirtschaft kann sie nicht entsprechen. Das haben selbst die hochkarätigen ÖV-Experten so gesehen. Der Verkehr ist umweltgerecht zu gestalten, darüber ist .man sieh ja ei­ nig. Soll das aber verfassungsgebun­ den, ausschliesslich dem Verkehr auf­ bedungen werden, der seine Existenz mit den menschlichen Grundbedürf­ nissen begründet und seine Quantität und Qualität den wirtschaftlichen Ak­ tivitäten ausbedingt? Man tut gut da­ ran, Gfundsätzliches ursächlich bezo­ gen zu regeln. Wenn schon, tut dem­ zufolge nicht ein verkehrspolarisierter Umweltartikel, sondern ein grundsätz­ licher Umweltartikel in der Verfassung not. Und deshalb beschäftigt mich die Aussage von Dr. Dorothee Laternscr, indem sie behauptet, da'ss der Verkehr 
die grösste Umweltbelastung in unse­ rem Land sei. Gemäss der Publikation des Amtes für Volkswirtschaft «Liechtenstein in Zahlen» haben wir im Jahre 2000 für Brennholz, Kohle, Heizöl, Flüssiggas und Erdgas 584 259 MWh verbraucht. Wir haben 302 018 MWh Elektrizität verbraucht und für Dieselöl und Ben­ zin 303 465 MWh. Der Verkehr macht also ein gutes Drittel unseres Gesamt­ energieverbrauchs aus, was zwar sehr bedeutend, aber nicht das meiste ist. Wenn wir einmal die Elektrizität aus­ ser Acht lassen, die in unserem besten Fall bekanntlich aus der Steckdose und den verunstalteten Bergbächen kommt, bleibt noch die Heizenergie mit 584 259 MWh, fast doppelt so hoch als die Verkehrsenergie. Schon allein diese Zahlenbetrachtung ent­ larvt die Aussage von Dr. Dorothee La­ ternscr. Es darf nun auch beachtet werden, dass Autos Katalysatoren ha­ ben und Schwerfahrzeuge den stren­ gen europäischen Abgasvorschriften zu entsprechen haben, ansonsten sie 
mit höherer Schwerverkehrsabgabe belastet werden. Der Stickoxid-Koh- lenmonoxid- und freie Kohlenwasser- stoffausstoss wird auf minimal wenige Prozentpunkte reduziert. Die Treib- stoffverbräuche und Lärmemissionen sind stark reduziert worden und wer­ den weiterhin reduziert. Gibt es ähn­ lich rigorose Vorkehrungen und Über­ wachungen bei Gebäuden und deren Heizungsanlagen? Mir sind keine Ka­ talysatoren in Heizungsanlagen be­ kannt. 
Johann Ott, Vaduz, Leiter des Titfbauamtes ! "Unter der Rubrik «Forum» veröffent-, liehen wir Zuschriften und Beiträge \ von Verbänden, Vereinen, Aktionen und Institutionen. Das «Forum» i drückt aus, dass die in den Beiträgen j geäusserten Meinungen nicht mit. | der Haltung der Zeitung überein­ stimmen müssen. Verkehrsministerin als Gegnerin eines zukunftsweisenden Verkehrsartikels? Forumsbeitrag des Initiativkomitees für eine Verkehrspolitik mit Zukunft zum Interview mit Verkehrsministerin Rita Kieber-Beck Die Aussagen der Verkehrsministerin Rita Kieber-Beck im Interview vom 2.3.2002 im Volksblatt kann das Initiativkomitee nicht unkommen­ tiert im Raum stehen lassen. Viele der vorgebrachten Argumente und Gedankengänge von Frau Kieber- Beck sind für das Initiativkomitee ir­ ritierend und nicht nachvollziehbar. Noch vor kurzem erklärte Frau Kieber- Beck,. die Verkehrsinitiative Sei «inhalt­ lich deckungsgleich mit den Interessen der Regierung» und die Regierung «stehe hinter den Inhalten der Ver­ kehrsinitiative» (Vaterland und Volks­ blatt vom 21.2.2002). Ob die Initiative allerdings Verfassungsrang bekommen solle, sei Sache des Stimmvolkes und deshalb wolle die Regierung keine Ab­ stimmungsempfehlung abgeben. Im Interview vom 2.3.2002 weicht Frau Kieber-Beck nun von dieser Zurück­ haltung der Regierung ab und stellt sich persönlich eindeutig gegen die Initiative. Ihre frühere Aussage, dass sie im Kern der Initiative zustimme, wird dadurch unglaubwürdig. Statt ei­ ne gute Idee zu unterstützen und beim Stimmvolk für eine Annahme zu wer­ ben," misstraut die Verkehrsministerin aus welchen Gründen auch immer dem 
Versuch, unsere Verkehrspolitik auf moderne Beine zu stellen. In die Zukunft weisen statt verhindern Diverse Aussagen von Frau Kieber- Beck bedürfen einer Richtigstellung: 1. Zu behaupten, die Initiative sei ein Schritt in Richtung Verhinderungs­ politik, ist paradox. Genau das Gegen­ teil ist der Fall. Durch die Initiative werden innovative Ideen, wie bei­ spielsweise alternative Verkehrssyste­ me, unterstützt und ermöglicht. Die Initianten als Verhinderer abzutun, greift genau so zu kurz, wie alle Initia­ tivgegner als Strassenbauer abzustem­ peln. 
Ein solches Denken in Schlag­ worten wird der Problematik in keiner Weise gerecht. 2. Warum nach Meinung der Ver­ kehrsministerin der Schutz der Lebens­ räume für Mensch, Tiefe und Pflanzen nicht in der Verfassung verankert wer­ den soll, und warum die Inhalte der Alpenkonvention nicht verfassungs­ mässig geschützt werden sollen, bleibt unklar. In diesem Zusammenhang überzeugt auch die Argumentation nicht, dass ein «ausgefeilt formulierter Umweltartikel» für den Schutz der Mit-und 
Umwelt besser wäre. Wer sich schon für einen solchen Umweltartikel in der Verfassung stark macht, der kann doch nicht gegen einen griffigen Verkehrsartikel sein. 3. In der Verfassung werden Grundsätze und Ziele des staatlichen Handelns festgelegt. Die Umsetzung der in der Verfassung verankerten Leitlinien und die Definition von Be­ griffen geschieht dann auf Gesetzes­ und Verordnungsstufe. Der Vorwurf, die Initiative definiere den Begriff Transitkapazität nicht, ist unberech­ tigt. Im Gegenteil: Eine Definition des Begriffes Transitkapazität auf Verfas­ sungsebene wäre sogar systemwidrig. 4. Die Behauptung, mit der Annahme unserer Initiative könnte die Transitka­ pazität der Eisenbahn nicht erhöht wer­ den, ist ebenfalls unrichtig. Die Initiati­ ve ist verkehrsübergreifend angelegt und will vor allem diejenigen Trans­ portsysteme fördern, die die Forderung nach sozialer Verträglichkeit und öko­ logischem Gleichgewicht am besten er­ füllen. Dazu gehört zweifellos die Ei­ senbahn. Die Initiative strebt deshalb innerhalb einer gegebenen Transitka­ pazität die Umlagerung von der Strasse auf die Schiene oder auf andere alter­native 
Verkehrsmittel an. Es ist also so­ gar erwünscht, dass der Eisenbahn ein höherer Stellenwert zuteil wird. 5. Auch im Nahverkehrsbereich legt die Initiative entgegen der Meinung der Verkehrsministerin die Basis zur Einführung alternative Verkehrmittel. Die umweltgerechte Bewältigung des Binnenverkehrs stellt eine der grossen Aufgaben unserer Verkehrspolitik dar. Darin sind sich Gegner und Befürwor­ ter der Initiative einig. 6. Unsere Verkehrsministerin stellt kategorisch in Abrede, dass es eine Transitspange durch das Unterländer Riet geben wird. Sie stellt sich auch ge­ gen den Bau des Letzetunnels durch Vorarlberg. Doch wie sie die Entwick­ lung einer solchen Verbindungsspange zwischen den beiden Rheintalautobah­ nen durch unser Land konkret verhin­ dern will, darüber lässt Frau Kieber- Beck alle im Unklaren. Der vorgeschla­ gene Verfassungsartikel gibt der Regie- 
 1 rung ein griffiges Instrument gegen den Letzetunnel in die Hände. Eine Verfas­ sungsbestimmung, die das Transitauf­ kommen begrenzt, stärkt die Verhand­ lungsposition der Regierung gegenüber Österreich massiv. Österreich wird nicht mehr einfach davon ausgehen können, 
dass Liechtenstein den zunehmenden Transitverkehr abwickelt. Wir sind der Ansicht, dass die Initiative unsere Posi­ tion gegenüber dem Ausland in der Verkehrsfrage enorm stärkt. Eine Ab­ lehnung der Initiative hingegen wäre ein fatales Signal nach aussen. Unserer Meinung nach ist die Initia­ tive massvoll formuliert und müsste einem Gmndkonsens in der liechten­ steinischen Bevölkerung entsprechen. Wir vom Initiativkomitee bedauern, dass wir Frau Kieber-Beck für unser Anliegen nicht gewinnen konnten, hoffen aber auf breite Zustimmung der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger bei der Abstimmung am kommenden Wochenende. Initiativkomitee Verkehrspolitik mit Zukunft: Martin Batliner, Dorothea Latemser, Egon Matt, Helmut Miiss- ner, Adolf Ritter, Georg Schierscher, Peter Sprenger PS: Das Initiativkomitee trifft sich am Abstimmungssonntag ab 16 Uhr im Restaurant Adler in Vaduz und wir wür­ den uns freuen, wenn wir uns - unab­ hängig vom Ausgang der Abstimmung - mit möglichst vielen Sympathisanten oder Gegnern unterhalten könnten. Kommen Sie doch einfach vorbei! Bericht der Regierung: Wir sind ein Transitland! Forum: Stellungnahme der Arbeitsgruppe der Regierung «Verkehrsprobleme Liechtensteiner Unterland» Als zuständiger Amtsleiter des Tief­ bauamtes steht Herr Ott mit seinen Aussagen zur Verkehrsinitiative in einer besonderen Verantwortung. Nach seinen Aussagen zur Transit­ problematik an der GV -der von Günther Wohlwend gegründeten Ak­ tion Verkehrslösung Fürstentum Liechtenstein (AVFL), ist die Frage erlaubt, ob seine Beurteilung der Transitproblematik die Realität rich­ tig 
abbildet. Dazu kommt, dass Otts jüngste Aussagen in völligem Wider­ spruch zu seinen früheren Aussagen stehen. Ott 1992: Liechtenstein wird mit dieser Transitroute die wichtigste Verbindung zwischen Österreich und der Schweiz Mit welchen Folgen das Unterland durch den Bau einer Verbindungsstras­ se von Grenze zu Grenze bzw. mit dem 
Bau eines Lückenschlusses der beiden Rheintalautobahnen zu rechnen hat, hat Herr Ott in der Funktion als Amts- feiter in seiner «Problemanalyse Ge­ samtverkehrskonzept» von 1992 unge­ schminkt und klar aufgezeigt: «Will man dem Verkehr die notwen­ digen Flächen zur Verfügung stellen, ohne das Baugebiet stärker mit Lärm und Verkehrsstau zu belasten, ist eine ortsferne Strassenverbindung herzu­ stellen. Diese Verkehrsverbindung kann den Transitverkehr von Öster­ reich in die Schweiz aufnehmen. Der Binnen-, Ziel, und Quellverkehr, der den grösseren Teil des bestehenden Verkehrs in diesem Gebiet darstellt, kann auf diese Art nicht abgebaut werden. Zu beachten ist aber, dass durch den Bau einer Transitroute die Nachbarländer Österreich und die Schweiz kaum noch ernsthaft im obe­ ren Bereich des Rheintales eine Stras­ senverbindung zwischen den Auto­ bahnen A14 im Vorarlberg und N13 
im Kanton St. Gallen anstreben wer­ den. Liechtenstein wird mit dieser Tran­ sitroute die wichtigste Strassenverbin­ dung zwischen Österreich und der Schweiz darstellen. Das Verkehrsauf­ kommen auf dieser Strecke ist dann von Liechtenstein aus praktisch nicht mehr zu beeinflussen. Es ist fraglich, ob diese Last für das kleine Land grös- senverträglich ist.» Ott 2002: Liechtenstein ist kein Transitland und wird niemals eines werden Damit solche Szenarien niemals wahr werden und das Unterland nicht noch mehr zum Lastwagentransitkor­ ridor verkommt, haben besorgte Bür­ ger die Verkehrsinitiative ergriffen. Zu dieser Verkehrsinitiative und zur Transitproblematik sagte Herr Ott an der (jeneralversammlung der AVFL laut Vaterland vom 28. Februar: 
«Liechtenstein ist kein Transitland im Sinne Österreichs oder der Schweiz und kann aufgrund seiner heutigen wie künftigen Strassenverhältnisse niemals eines werden.» Im Gegensatz zum Tiefbauamtsleiter ist die Regierung da ganz anderer An­ sicht: Der Zwischenbericht der Regie­ rung zum Gesamtverkehrskonzept vom 22. März 2001 hält zum Transit­ verkehr offiziell fest: «Es gibt im We­ sentlichen zwei Transitrouten durch Liechtenstein (Schaanwald-Nendeln- Eschen-Bendern bzw. Schaanwald- Nendeln-Schaan). Der Anteil des Tran­ sitverkehrs durch Liechtenstein beträgt in Schaanwald rd. 41%, in Eschen 38 0/0 und In Schaan rd. 21 °/o (Feldklrcher Strasse) bzw. rd. 36 % (Bahnhofstras­ se).» Ein Strassenprojekt von Grenze zu Grenze existiert Zu hinterfragen ist auch die Aussage des Tiebauamtsleiters, dass ihm kein 
einziges Projekt und auch kein Pro­ jektvorschlag für den Bau einer Tran­ sitstrasse oder einer sogenannten Ver­ bindungsspange zwischen der öster­ reichischen und der schweizerischen Autobahn bekannt sei. Das ist ange­ sichts der Tatsache, dass die AVFL ein von ihrem Mitglied Hanno Konrad entworfenes Strassenprojekt durchset­ zen will, das den Verkehr direkt vom Letzetunnel abnimmt und quer durch das Maurer und Eschner Ried auf die schweizerische Autobahn leitet, eine vollkommen verzerrte Darstellung der Wirklichkeit. «Ich hoffe», sagt AVFL-Präsident Günther Wohlwend, «dass ich zu mei­ nem 70. Geburtstag bereits auf der neuen Strasse fahren kann». Noch be­ steht die Möglichkeit, dass das liech­ tensteinische Volk solche Geburtstags­ geschenke nicht verteilt. Arbeitsgruppe *Verkehrsprobleme Liechtensteiner Unterland» - Arbeits­ gruppe der Regierung
	        

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