Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
KULTUR 
'^ ' ' ' f \ • Freitag, 15. Februar-2002 9 Lessing schrieb seine Komödie* «Die Juden» lange vor dem un­ gleich bekannteren «Nathan» im Alter von 20 Jahren: Keine al­ tersweise Parabel, sondern ein unterhaltsames, effektvolles Theaterstück, das im Gewand der Komödie die noch heute ak­ tuelle Frage nach Vorurteilen und Toleranz stellt. Nikolaus Büchel zeigt seine Inszenierung Anfang März im TaK. Mit Nikolaus Büchel sprach Gerolf Hauser . VOLKSBLATT: Wie kommt es, dass dein Name bisher In den TaK-Ankün- digungen nicht aufgetaucht Ist? Nikolaus Büchel: Das ist wahr­ scheinlich teilweise auch mein Ver­ schulden. Ich habe ein Ensemble ge­ gründet, nicht als 150. freie Gruppe in Österreich, solidem als einen losen Zu- sammenschluss, eine Agence des ac- tcurs, eine Vernetzung von Thcater- schauspielcrn, die genauer und anders miteinander arbeiten wollen. Ich bin jetzt in der schwierigen Phase der We­ hen. Aber eigentlich weiss das TaK, wer die Toprollen spielt bei den «Juden». Mit dabei sein werden Lisa Wildmann und Gregor Seberg, die beide keine Un­ bekannten sind in Liechtenstein. Du kommst also mit der Lessing- Produktion des Forums Donaublau Theaterverein e.V. Ins TaK? Die «Juden» sind produziert worden zuerst für ein kleines Festival in Oberösterrcich und wurden dann ein­ geladen zum Lessing-Festival nach Kamenz, eine Stadt bei Dresden, die das Schicksal hat, Lessings Geburtsort zu sein. Dort hat meine Inszenierung wahnsinnig Furore gemacht. So gute Kritiken habe ich noch selten gelesen. Deshalb habe ich dort eine Fan-Ge­ meinde, konnte im letzten Jahr den «Nathan» inszenieren und bin für nächstes Jahr wieder eingeladen. Das ist gut für mich, denn ich könnte Les­ sing noch viele Male inszenieren. Ich schätze ihn sehr, denn er konnte 
Figu-Gespräch 
mit Regisseur Nikolaus Büchel über Lessings «Die Juden» wenig'Striche gemacht, es.läuft etwa eineinhalb Stunden, Pause gibt es kei­ ne. Es ist ein sehr komödiantisches Stück, das der junge Lessing fusseri lässt auf der französischen Tradition dessen, was man später'Vaudeville ge­ nannt hat. Da tauchen auch entspre­ chende Namen bei «Die Juden», auf; z.B. fcisette, die. schlaue Dienerin, die eigentlich eine Vorläuferin der Fran­ ziska in der «Minna von Barnhelm» ist, odef «das Fräulein» als Vorläuferin der Minria selbst, der Diener «Christoph» ist die absolute Arlecchino-Figur. «Die Juden» ist eine Petitesse, aber die eines Meisters. Es wird selten gespielt und im Moment rcissen es mir die Theater­ leute aus den Händen, auch weii das Thejfia Tbleranz in dieser'absoluten comediahaften Aufbereitung sehr ge­ sucht ist. Das Stück stellt die Frage, wer gibt sich als Jude, wer ist wirklich Jude, wie kann ein Mensch, der edel ist, Jude sein, wie kann der, der so Fies ist, sich als arisch über Judea erheben. Es wird ein relativ einfach gestrickter Vexierspiegel gezeigt, aber mit dem klugen Humor Lessings. Das ist thea­ tralisch einfach gut. Ich habe eine zweite Ebene eingeführt, eine Art Draufsicht. Dabei geht es mir nicht ums Modernisieren, sondern um das Theaterelement. In der Komödie kann ich das mit der Rampenüberschreitung spielen, kann sozusagen rausfallen aus dem Stück, kann etwas scheinbar im­ provisieren, was etwas über die Figu- ren aussagt; Mich interessieren platte Eindeutigkeiten nicht. • • Und die Aussage des Stückes, wenn z.B. einerseits Juden als Betrüger und Diebe bezeichnet "werden, ande­ rerseits es Kelsst: «leih sollte'glau­ ben, dass es unter allen Nationen gute und böse Seelen geben kön­ ne»? * Das ist, auch hier in diesem kleinen Land, das ich als Liechtensteiner ver­ mutlich besser beurteilen kann, als an­ dere Länder, ein echtes Thema, also das Eigene und das Fremde. Was ist das Fremde? Sind die Juden eine eige­ ne Rasse? Sammy Davis jr, hatte ein^ mal, einen Abend eröffnet mit: «I.'m ä jew, imagine, I'm a black jew.» Es gibt 
Der Liechtensteiner Regisseur Nikolaus Büchel zeigt im TaK seine Inszenierung von Lessings »Die Juden». (Bild: Gerolf Hauser) ren schreiben, hatte etwas für Frauen übrig, d.h. es gibt starke und fntelli-" gente Frauenfiguren bei Lessing, im Gegensatz zu Schiller; dann hat Les­ sing einen grossen Humor. Auch der «Nathan» ist ein helles, heiteres Stück, neben der Trägik und Selbstfindung. Es würde mich freuen, wenn sich 
Liechtenstein auch für den «Nathan» interessieren würde. «Die Juden» pro­ ben wir für das TaK neu, speziell für diesen Raum. Dafür greife ich zurück auf eine Art Urbe'setzung mit Sibylla Gogg, Lisa Wil<^mann, Nikolaus Kins- ky, Gregor Seberg und Rainer Spechtl. Das Stück ist ein Einakter. Wir haben 
nicht nur.krummnasige Juden; oder masslos viele Nichtjuden mit krümmen Nasen. Was ist das. fiir eine Angst. Warum hiess es hier einmal, das .TaK fördere die Überfremdung der Kultur im Land? Was steckt dahinter, das Litt- le Big One abklemmen zu wollen, weil man vielleicht glaubt, das sei nicht die Kultur, die man hier haben will. Gleichzeitig identifiziert man sich mit fremdem Geld, das ist willkommen. Ich- möchte dieses Lessing-Stück sehr weit gefasst sehen, denn heute sind es nicht nur die Juden, sondern z.B. die Isiam- . Gläubigen, die uns Angst mächen in ihrer Unbedingtheit, weil wir in unse­ rer Säkularisierung, in unserer Pseu- doliberalisierung und Rationalisierung diese Form von Religiosität, die der 
Is­ lam noch hat, und die leider auch miss­ braucht werden kann, verbitten. Ver­ einfacht und platt finde ich ein Urteil, das sagt, das ist das Eigene, das ist das Fremde. Bei den »Juden»'stelltsich der bereitwillig als Schwiegersohn Aufge- _ nömmene als fremd heraus, und-der, den man im eigenen Haus in einer na-y. hen Position hatte, stellt sich als wüs-' tester Verbrecher heraus. Das ist. kein grosses psychologisches Meisterwerk aber es ist ein guter Entwurf, auch für die politische Situation, die wir heute und hier haben. Für mich muss Theater . eine helle Klarheit haben, bei Lessirig auf jeden Fall. Wenn, diese Fragen dumpf gestellt .werden, glaube ich sie nicht. Selbst in seinen bürgerlichen Trauerspielen gibt es humorvolle The­ men; aber natürlich setzt Lessing als Aufklärer die Pointe ein als Erkennt­ nismoment. Dort Wo Menschen lachen, erkennen sie etwas, vielleicht. sogar sich selbst. Gesellschaftskritik. geht , hier mit dem Gelächter Hand in Hand. Das versuche ich mit meiner Theater­ sicht der Ebenenbrechung qnd Ram­ penüberschreitungen anzureichern, weil ich damit die Figuren verdcutli- - chen kann. Und wenn zwei Befindlich-' keiten- aufeinander treffen, "entstehen gewisse. Situationen. Das macht das Theater spannend. TaK: «Die Juden», Einakter von Gott­ hold Ephraim Lessing, Regie Nikolaus Büchel, Samstag, 2."März und Montag, 4. März, jeweils 20.09 
Uhr.- Unerhörtes erleben «Dialog Kanada-Liechtenstein» mit Kathiyn Cernaüskas und Hieronymus Schädler Pritchard, Morlock, Steenhuisen, Westerkamp, Bushnell, Truax - nie gehört. Und das bedeutet, dass das Konzert am kommenden Sonntag um 17 Uhr im Triesenberger Bärensaal wohl spannend wird, denn die kana­ dische 
Flötistin Kathryn Cernaüskas und der Triesenberger Flötist Hieronymus Schädler treffen sich zu einem musikalischen Dialog, bei dem eben jene 
zeitgenössischen Komponis­ tinnen zu hören sein werden. Gerolf Hause r Das Programm sei nicht definitiv, so Hieronymus Schädler, «denn so ein Dialog ist und spll ja auch etwas Spon­ taneität vermitteln; es wird jedenfalls eine Auswahl aus diesen Werken beim «Dialog Kanada-Liechtenstein» erklin­ gen.» Die kanadische Flötistin Kathryn Cernaüskas wird also Werke aus ihrer Heimat mitbringen und Hieronymus Schädler wird «Eigenes» spielen - Er­ gebnis: Solos, Duos und Improvisatio­nen, 
die Musik-Neugierige und Freun­ de von neuer Musik Ungewohntes ent­ decken lassen. Musikalische Bandbreite Kathiyn Cernaüskas, sie spielt C- Flöte, G-Flöte und Bässflöte, lebt, in der Nähe von Vancouver in Kanada, ein Land, das zum grössten Teil von Einwanderern aus verschiedensten Kulturen bewohnt ist. Aus diesem kul­ turellen Reichtum brfngt sie eine Aus­ wahl neuester Kompositionen mit. Kathryn Cernaüskas studierte an der Universität von Toronto, dem Konser­ vatorium Santa Cecilia in Rom and am Mozarteum in Salzburg, belegte diver­ se Meisterkurse bei renommierten Flötisten und Komponisten. Sie ist «Coordinator of Music at Douglas Col­ lege and Chair of the Canadian Music Centre» in British Columbia; als Flötis­ tin spielte sie über 1<J)0 Uraufführun­ gen, davon einige Werke, die für sie komponiert wurdeiE «Ich fühlte mich schon immer zur Flöte hingezogen», Internet Wettbewerb Freundlichster Müllmann gesucht www.entsorgungsprofi.li 
1 sagt sie, «weil dieses Instrument eine so grosse Nähe zur menschlichen Stimme hat, und das bedeutet vielfäl­ tigste Ausdrucksmöglichkeiteri. Die Musikstücke unseres Programms Ini 
Bärensaal zeigen nicht nur diese Klangvielfalt, sondern auch die er­ staunliche Bandbreite musikalischer Stile, die aus der multikulturellen.Ge­ sellschaft Kanadas geboren wurde.» Beim musikalischen »Dialog Kanada-Liechtenstein» dm kommenden Sonntag, 17 Uhr im Triesenberger .Bärensaal, spielen Kathryn Cernaüskas und Hieronymus Schädler zeitgenössische Werke. . 
Aufsuchen von Räumen Hieronymus Schädler; «Schon als kleiner Junge hatte ich versucht, aus . allem, möglichen Töne herauszube­ kommen - und ständig gepfiffen. An der Musikschule bekam ich Blockflö­ ten- und Klavierunterricht, Querflöte und Saxophon kamen später dazu. Aber bis zur Matura war mir nicht klar, was ich werden wollte. Als Ver­ such habe ich dann an der Musikhoch­ schule in Zürich vorgespielt. Bis dahin hatte ich mich kaum um Klassische. Musik gekümmert, und holte das dann ais- fanatischer Radiohörer alles nach. •Das Komponieren reizt mich, weil, es eine Reflexion über das Sein ist, das Aufsuchen von Räumen in mir und ausserhalb. Der eigentliche Motor für das Komponieren und Spielet) ist für mich; die Bereitschaft, etwas Unerhör­ tes 2u erleben.»' Beim Konzert am . Sonntag werden Werke gespielt u.a. von Michael Bushneil (geb. 1950), Hil­ degard Westerkamp (geb. 1946); . Paul Steenhuisen (geb. 1965), Barry Truax (geb. 1947), Robert Pritchard (geb. 1956), Kathiyn Cernaüskas (geb. 1948) und Hieronyinus Schädler (geb. 1956). Der Verein Triesenberger Kirchen­ konzerte lädt am Sonntag 17. Februar um 17.00 Uhr in den Bärensaar (beim • Gemeindezentrum) in Trieseriberg ein zum «Dialog Kanada-Liechtenstein», eine musikalische Begegnung , von • Kathryn. Cernaüskas, Flöten (Kanada) und Hieronymus Schädler, Flöten und Elektronik. '/"* 'ä
	        

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