Liechtensteiner VOLKSBLATT
AUSLAND
Mittwoch, 29. November 2000 21
Sterbehilfe erstmals legalisiert
DEN HAAG: Ärzte in den
Niederlanden sollen künf
tig straffrei Sterbehilfe
leisten dürfen. Mit grosser
Mehrheit hat das Parla
ment in Den Haag - als
erstes weltweit - am
Dienstag Sterbehilfe und
ärztlich unterstützten
Selbstmord legalisiert.
Das entsprechende Gesetz muss
noch vom Senat bestätigt wer
den und könnte dann Anfang
des Jahres in Kraft treten. Dafür
stimmten 104, dagegen 40 Ab
geordnete. Befürworter der
neuen Regelung sprachen von
einem Sieg der Patientenrechte,
Gegner protestierten, das Ge
setz ersetze Fürsorge durch Tot
schlag.
Sicherheit schaffen
«Ärzte sollen nicht wie Kri
minelle behandelt werden.
Hiermit wird Sicherheit sowohl
für Ärzte als auch für Patienten
geschaffen», erklärte Gesund
heitsministerin Eis Borst. Mit
der Legalisierung werde die
Sterbehilfe aus dem Verborge
nen geholt, wo sie etwa in den
Niederländisches Parlament verabschiedet neues Sterbehilfe-Gesetz
USA praktiziert werde, sagte
Borst. Den niederländischen
Richtlinien zufolge muss ein
Patient aussichtslos und uner
träglich leiden, bevor Hilfe
beim Sterben geleistet werden
darf. Der Kranke muss über alle
medizinischen Möglichkeiten
aufgeklärt sein und mindestens
einen zweiten Arzt befragt ha
ben. Der Wunsch nach Sterbe
hilfe muss bei freiem Willen
und klarem Verstand ausge
sprochen werden. Ärzte dürfen
die Möglichkeit nicht von sich
aus vorschlagen. Das neue Ge
setz erlaubt es den Patienten, in
einer schriftlichen Erklärung
um Sterbehilfe zu bitten und so
den Ärzten das Recht einzuräu
men, im Ernstfall eine Ent
scheidung zu treffen.
Seit Jahren praktiziert
.Sterbehilfe und ärztliche Hil
fe bei Selbstmorden werden in
den Niederlanden bereits seit
Jahren praktiziert: 1993 wur
den vom Parlament Richtlinien
verabschiedet, aus denen her
vorging, dass Ärzte im Falle
von Sterbehilfe nicht straf
rechtlich verfolgt würden. Der
Straftatbestand mit einer
Gesundheitsministerin Eis Borst und Justizminister Betik Korthals
verfolgen die Sterbeliilfe-Debatte im niederländischen Parlament.
Höchststrafe von zwölf Jahren
Gefängnis blieb zugleich beste
hen. Auch in der Schweiz, in
Belgien und Kolumbien werden
nach Angaben der Gesund
heitsbehörden ähnliche Prakti
ken toleriert. Im US-Staat Ore
gon sprachen sich die Wähler
1994 für Sterbehilfe aus; seit
das Gesetz 1997 in Kraft trat,
beendeten 43 Menschen in Ore
gon ihr Leben mit Hilfe ande
rer.
«Trauriger Rekord»
Die deutsche Hospiz-Stiftung
in Dortmund reagierte entsetzt.
«Heute ist bei unseren holländi
schen Nachbarn der Katastro
phenfall eingetreten», beklagte
Stiftungssprecherin Monika
Schweihoff. «Die Niederländer
öffnen dem Missbrauch Tür
und Tor, anstatt für menschen
würdiges Sterben zu sorgen.»
Die angeblich so humane Eu
thanasie sei oft äusserst brutal,
betonte sie. Nach einer Studie
der Erasmus-Universität in
Rotterdam komme es in jedem
vierten Fall zu Komplikationen.
Der Vatikan kritisierte die
Entscheidung als «einen trauri
gen Rekord für Holland». Das
Gesetz verletze die Würde des
Menschen, sagte der Sprecher
des Papstes, Joaquin Navarro-
Valls. Die Entscheidung des
Parlaments stehe auch im Wi
derspruch zu einer internatio
nalen Ärzte-Erklärung von
1948 und zu den Grundsätzen,
die europäische Ärzteverbände
1987 vereinbart hätten.
Keine Einigung über Abschlusserklärung
Zweitägiges OSZE-Treffen in Wien zu Ende - Russland blockiert Einigung
WIEN: Das zweitägige Treffen
der Aussenminister der Orga
nisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa
(OSZE) ist am Dienstag in
Wien ohne eine Einigung über
eine Abschlusserklärung zu
Ende gegangen.
Zu den Themen Georgien,
Moldawien und Tschetschenien
sei kein Konsens erzielt wor
den, sagte die OSZE-Vorsitzen
de und österreichische Aussen-
ministerin Benita Ferrero-
Waldner nach den zweitägigen
Beratungen in Wien. Russland
habe eine Einigung blockiert.
Moskau war von den meisten
anderen OSZE-Mitgliedern ver
geblich aufgefordert worden,
seine Truppen aus Georgien
und dem moldawischen Lan
desteil Transnistrien abzuzie
hen. Der russische Aussenmi
nister Igor Iwanow habe auch
nicht zugesagt, der OSZE die
Rückkehr nach Tschetschenien
zu ermöglichen, bedauerte Fer-
osce
\ USTRIA 2 000
Die OSZE-Vorsitzende und österreichische Aussenministerin Beni
ta Ferrero-Waldner.
rero-Waldner. Die OSZE kann
Beschlüsse nur einstimmig fas
sen.
Kriminalitätsbekämpfüng
Auch die geplante Erklärung
zum Schutz von Kindern in
Kriegsgebieten konnte wegen
russischer Einwände nicht ver
abschiedet werden. Alle ande
ren der 55 Teilnehmer hätten
zugestimmt, sagte Ferrero-
Waldner. Verabschiedet wurden
hingegen Erklärungen zum
Kampf gegen Menschenhandel
und zur strengeren Kontrolle
von Klein- und LeichtwafTen
zur Kriminalitätsbekämpfung.
Der schwedische Diplomat
Rolf Ekeus wurde zum neuen
Minderheitenkommissar der
OSZE ernannt. Ekeus war von
1991 bis 1997 Leiter der UNO-
Abrüstungskommission für den
Irak. Er wird am 1. Juli 2001 als
Nachfolger des Niederländers
Max van der Stoel eine drei
jährige Amtsperiode antreten.
Erklärung von Willi
Regierungsrätin Andrea Willi
ging in ihrer Erklärung unter
anderem auf die regionalen
Konflikte im OSZE-Raum ein.
Sie unterstrich, dass Liechten
stein die globalen Anliegen wie
Menschenhandel, Kinder in be
waffneten Konflikten, Terroris
mus und Korruption, denen
sich die OSZE in diesem Jahr
gewidmet hat, voll und ganz
unterstützt. In diesem Zusam
menhang wies sie ebenfalls
Ein EU-weites Verbot
von Tiermehl rückt näher
BRÜSSEL: Die EU-Agrarmi-^Staaten gehen! Oer!.wls^|
nister werden am kommen-, senschaftliche«. Lenkun^äits-I
den Montag in Brüssel Ober' .schlüsseln Beratergremiumj
das weitere Vorgehen gegen : für die EU-Kommission,' kam]
die Rinderseuche BSE bera-, - Yam ^Dienstag 2usammen r ' -jam 1
ten. Ein Thema des Agrarmi- über verschiedene Fragen aaim)
nisterrates könnte ein mögli- Bereich' BSE s zu sprechen.:
ches EU-weites^ Verbot von Konkrete- Ergebnisse wurden j
Tiermehl sein. . nicht erwartet. V' " i
Eine Sprecherin der EÜ-Kom^' Südajn«rika^agi?rt ^ H
mission bestätigte am-Diens- , Mit Importstopps nmclvEx-^
tag in Brüssel den Sitzungster- - portförderung von^e|$ch ha-,!
min. Erst in der vergangenen. b?n .Länder, Sü^^rikas v fler-*..
Woche hatten sich die EU- weil auf di^|jla^füög';vortf
Landwirtschaftsminister nach BSEtFällen inEurppal^giei^]
einer Marathonsitzung auf die < Dje %^^njil]|rasiU^Jkä|pJ
Ausweitung von BSE-Schnell- • di^ef t albgfsi^wc^<^^>soförtl
tests verständigt. Heute Mitt- S kein Rind- und
woch ist die BSE-Krise, ein
Thema der wöchentlichen Sit« .
zung der EU-Kommission. Da-,
bei dürfte es neben einem ge- >
nerellen Tiermehl-Verbot auch
Knesset für vorgezogene Neuwahlen
Regierungschef Barak erklärte sich ebenfalls dazu bereit
Argentiniens teilte 1
obachte j die , Lage-' 1 ' vVm
JERUSALEM: Das israelische
Parlament hat am Dienstag
abend mit überwältigender
Mehrheit in erster Lesung
vorgezogenen Neuwahlen zu
gestimmt. Der Antrag dazu
war von der Opposition ein
gebracht worden. Minister-'
Präsident Ehud Barak hatte
sich während der Debatte
überraschend ebenfalls zu
Neuwahlen bereit erklärt.
Zwei weitere Lesungen sind
noch erforderlich, damit der
Weg für vorzeitige Neuwahlen
des Parlaments und des Regie
rungschefs endgültig frei ist.
Über den genauen Termin wol
len die Parteiführer in den
nächsten Tagen beraten. Nach
Angaben eines Oppositions
sprechers könnten die Wahlen
im Mai nächstes Jahres statt
finden. Barak sagte hingegen,
Regierungschef Barak: ilch ha
be keine Angst vor Neuwahlen».
die Wahlen könnten auch erst
in neun Monaten stattfinden.
Die 120 Mitglieder umfas
sende Knesset stimmte über
fünf Anträge zu vorgezogenen
Neuwahlen ab. Vier der Anträ
ge erhielten die Zustimmung
von über 70 Abgeordneten. Nur
drei Parlamentarier stimmten
dagegen, der Rest enthielt sich.
Nachdem sich eine Niederlage
bei der Parlamentsabstimmung
abzeichnete, hatte sich Barak
während der Debatte am Abend
überraschend dem Druck der
Opposition gebeugt und sich zu
den geforderten Neuwahlen
bereit erklärt. Zuvor hatte die
Opposition einen letzten Appell
von Barak zur Bildung einer
Notstandsregierung zurückge
wiesen. «Ich habe keine Angst
vor Neuwahlen», meinte Barak
vor den überraschten Abgeord
neten. Zwar halte er diesen
Schritt selbst für falsch. Er sehe
jedoch, dass die Mehrheit des
Parlaments dies wolle.
darauf hin, dass es wichtig sei,
Doppelspurigkeiten mit ande
ren Organisationen und Rechts
unsicherheiten zu vermeiden.
Regierungsrätin Willi traf
sich am Rande des Ministerrats
zu einem bilateralen Gespräch
mit der Aussenministerin
Schwedens, Anna Lindh. Im
kommenden Halbjahr wird
Schweden die Präsidentschaft
in der EU und Liechtenstein den
EFTA-Vorsitz in Genf und Brüs
sel innehaben. Das Gespräch
konzentrierte sich insbesondere
im Hinblick auf das kommende
Halbjahr auf Themen des EWR.
An dem Gespräch nahm auch
der Stellvertretende Generalse
kretär der EFTA, Gretar Mär Si-
gurdsson, teil.
Höhepunkt des Aussenminis-
tertreffens war bereits am Mon
tag die Rückkehr Jugoslawiens
in die OSZE gewesen. Der ju
goslawische Präsident Vojislav
Kostunica hatte dazu die wich
tigsten OSZE-Dokumente un
terzeichnet.
NACHRICHTEN
Gore bittet Volk
um Geduld
WASHINGTON: Der demo
kratische US-Präsident-
schaftskandidat AI Gore
tritt für eine Neuauszählung
der umstrittenen Stimmen
in Florida innerhalb von
sieben Tagen ein. Einen ent
sprechenden Antrag reichte
er beim Gericht in Tallahas-
see ein. Ihm und seiner Par
tei sei daran gelegen, die
Prozedur zu beschleunigen
und dafür zu sorgen, dass
keine dunklen Wolken über
der künftigen Präsident
schaft hingen, erklärte der
Vizepräsident am Dienstag
in Washington. Bedauerli
cherweise habe sein repu
blikanischer Kontrahent
George W. Bush den Vor-
stoss zurückgewiesen. Wie
in seiner TV-Ansprache am
Vorabend rief Gore die Re-
| publikaner und Bush dazu
1 auf, eine «vollständige und
f akkurate» Auszählung zuzu-
| lassen. Gore muss Umfragen
5 zufolge einer zunehmenden
j Ungeduld in der Öffentlich-
I keit entgegenwirken. In ei
ner am Dienstag publizier
ten Gallup-Umfrage im
Auftrag des Fernsehsenders
CNN und der Zeitung «USA
Today» forderten 56 Prozent
der Befragten, Gore solle
den Sieg Bushs anerkennen.
] Premier Chretien
| baut absolute
I Mehrheit aus
MONTREAL: Bei den Parla
mentswahlen in Kanada hat
die Liberale Partei von Pre
mierminister Jean Chretien
die absolute Mehrheit er
rungen. Mit dem dritten
Sieg in Folge konnte die
Partei ihren Vorsprung ge
genüber 1997 noch ausbau
en. Die Liberalen gewannen
nach dem gestern veröffent
lichten vorläufigen amtli
chen Endergebnis 41 Pro
zent der Stimmen. Dies sind
173 der 301 Sitze; 12 Sitze
mehr als bisher. Auf Platz
zwei kam die populistische
konservative Kanadische
Allianz mit 25 Prozent der
Stimmen und 66 Mandaten.
Dies sind acht Sitze mehr
als 1997.
Zahl der Ebola*
Toten gestiegen
UGANDA: Die Zahl der
Ebola-Toten in Uganda hat
sich auf 149 erhöht. Das
Gesundheitsministerium
teilte in einer Erklärung am
Dienstag mit, dass vier wei
tere Personen an dem tödli
chen Ebola-Virus in Gulu
gestorben seien. 26 unter
Beobachtung stehende Per
sonen werden in Gulu be
handelt und drei weitere in
fizierte Patienten in Masin-
di. In Gulu war Mitte Okto
ber der erste Fall bekannt
geworden. Bis jetzt haben
sich 361 Personen mit dem
tödlichen Fieber angesteckt.