Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
LANDTAG 
Samstag, 28. Oktober 2000 3 
Alle Parteien begrüssen die Reform der 
gymnasialen Oberstufe 
Ausbildungsdauer bis zur Matura wird von 13 auf 12 Jahre gekürzt - Mehr Selbstverantwortung für Schüler 
Die Reform der gymna 
sialen Oberstufe sowie 
des Vorbereitungslehr 
gangs Fachhochschulreife 
stiess im Landtag bei allen 
Parteien auf Zustimmung. 
Damit ist der Weg für den 
ersten Teil der Schulre 
form frei. Mit dieser Re 
form wird die Ausbil 
dungsdauer bis zur Matu 
ra von 13 auf 12 Jahre re 
duziert. Des Weiteren 
wird den Schülerinnen 
und Schülern mit dieser 
Reform grössere Wahl 
möglichkeiten' bezüglich 
ihrer Fächerwahl gegeben. 
Alexander Batlincr 
Im Mai dieses Jahres hat der 
Landtag die Schulreform an die 
Regierung überwiesen. Damals 
wurde mehrheitlich das 
zweigliedrige Schulsystem kri 
tisiert. Die Reform der gymna 
sialen Oberstufe stiess damals 
schon auf Zustimmung. Des 
halb hat die Regierung nun die 
Reform der gymnasialen Ober 
stufe aus dem Paket «Schulre 
form» ausgegliedert, und dem 
Landtag separat zur Diskussion 
vorgelegt. Dies wurde vom 
Landtag zustimmend zur 
Kenntnis genommen. Der 
Grund, dass die gymnasiale 
Oberstufe reformiert werden 
muss, liegt im neuen Matu- 
ritätsanerkennungsreglement 
(MAR) der Schweiz, mit dem in 
unserem Nachbarland die Ma 
turatypen A bis E durch eine 
einheitliche Matura abgelöst 
wird. Das liechtensteinische 
Bildungssystem ist stark auf 
das schweizerische ausgerich 
tet. Deshalb ist auch bei uns ei 
ne derartige Reform vonnöten. 
Der I : BP-Abgeordnetc Helmut 
Konrad betonte dann auch: «Da 
unser Bildungssystem stark auf 
die Schweiz ausgerichtet ist 
und bis heute auch mehr als 70 
Prozent unser Maturantinnen 
KliKl AMC 
Der FBP-Abgeordnete Helmut Konrad ging auf die Notwendigkeit dieser Reform ein. Er betonte zu 
dem, dass man die Ausbildungsdauer von 13 Jahren auch als Privileg betrachten könne. Eine 13- 
jährige Ausbildungsdauer als inlanddiskriminierend zu bezeichnen, erachte er als *völlig daneben». 
und Maturanten in der Schweiz 
studieren, ist es wichtig, dass 
wir dieser Veränderung in der 
Schweiz Rechnung tragen, da 
mit mit der liechtensteinischen 
Matura weiterhin der uneinge 
schränkte Zugang zu allen 
schweizerischen Universitäten 
und Hochschulen gewährleistet 
ist.» In der Schweiz muss das 
neue Reglement bis Ende 2003 
umgesetzt sein. In Liechten 
stein soll die erste Maturaprü 
fung nach neuem Reglement 
im Jahr 2005 durchgeführt 
werden. 
Nur noch 12 Schuljahre 
Unterschiedlich wurde von 
den Abgeordneten die Redukti 
on der Ausbildungsdauer bis 
zur Matura auf 12 Jahre bewer 
tet. Lorenz Heeb (VU) begrüsste 
den Vorschlag der Reduktion. 
Er verwies auf die Ausbil 
dungsdauer in zahlreichen an 
deren europäischen Ländern, in 
welchen die Ausbildungsdauer 
ebenfalls 12 Jahre betrage. Er 
glaubt auch nicht, dass es 
durch die Verkürzung zu quali 
tativen und quantitativen Ein- 
bussen kommen wird. Des Wei 
teren sprach er von i^iner In 
landdiskriminierung, wenn 
man bei einer Ausbildungsdau 
er von 13 Jahren bleibeil wür 
de. Er betonte: «Man kann es 
sogar als Inlanddiskriminie- 
rung bezeichnen, wenn auf un 
serem stark auslandabhängigen 
Arbeitsmarkt den inländischen 
Arbeitskräften eine längere 
Ausbildungsdauer, verursacht 
beim Erlangen der Allgemein 
bildung, als den ausländischen 
Arbeitskräften zugemutet 
wird.» Dies wollte der FBP-Ab- 
HUBER 
UHREN SCHMUCK 
H MIO Vldul. furtuntum IxtKuniltin 
geordnete Helmut Konrad nicht 
gelten lassen. Er betonte, dass 
man es auch als Chance sehen 
könne, wenn die Ausbildungs 
zeit 13 Jahre betragen würde. 
«In diesem Fall von einer Inlän 
der-Diskriminierung zu spre 
chen . .. scheint mir völlig da 
neben. Erstens gibt es noch vie- 
cigenes Programm zusammen 
stellen. Es entstehen so persön 
liche Schulprofile und Ent 
wicklungsperspektiven; indivi 
duelle Motivation wird vor kol 
lektive und fremdbestimmte 
Ausrichtung gestellt.» 
Gefahren der Reform 
Der FBP-Abgeordnete Hel 
mut Konrad ging auch auf die 
Gefahren ein, welche diese Re 
form in sich birgt. Er führte 
aus, dass sich die Zeitgefässe 
der einzelnen Fächer sehr stark 
verändern würden. Darin sieht 
er eine Gefahr. Er führte aus: 
«Es wird eine grosse Herausfor 
derung und nicht so ohne wei 
teres zu verwirklichen sein, 
trotz dieser Veränderung der 
Zeitgefässe in allen angebote 
nen Profilen der reformierten 
Oberstufe gute Voraussetzun 
gen für ein erfolgreiches Studi 
um in allen Studienrichtungen 
zu schaffen.» Aus diesem Grun 
de warnt der FBP-Abgeordnete 
davor, «dass der Entscheid für 
ein Profil nach dem 8. Schul 
jahr faktisch eine Vorentschei 
dung in der Wahl der Studien 
richtung bedeutet oder dass 
vorhandene Lücken nur mit 
grossem zusätzlichen Aufwand 
vor und bei Studienanfang ge 
schlossen werden können.» Des 
Weiteren machte Helmut Kon 
rad darauf aufmerksam, dass 
sich die Raumsituation beim 
Schulzentrum Mühleholz durch 
diese Reform noch weiter ver 
schärfen werde. Er erwarte. 
Lorenz Heeb (VU) machte in seinem Votum darauf aufmerksam, dass 
in vielen Ländern Europas die Ausbildungszeit bis zur Matura nur 12 
Jahre betragen würde. Deshalb unterstütze er diesen Vorschlag. 
le andere Staaten, die ebenfalls 
13 Jahre Gesamtdauer kennen, 
aus einer anderen Sicht- und 
Denkweise heraus, wenn man 
von einem anderen Bildungs 
verständnis ausgeht, könnte 
man diese 13 Jahre auch als In 
länderprivileg sehen.» Für den 
FL-Abgeordnetcn Adolf Ritter 
wird mit dieser Reform ein 
überholtes Denkmuster beiseite 
geschafft. Es würde der Weg für 
ein innovatives und konkur 
renzfähiges Gymnasium frei. 
Im Speziellen sieht er bei den 
neuen Wahlmöglichkeiten den 
grossen Vorteil der Reform. Er 
führte aus: «Statt einschrän 
kende Lehrprofile sind neu 
stoffbestimmte und neigungs- 
orientierte Schwerpunktbildun 
gen möglich. Schülerinnen und 
Schüler können in Zukunft ihr 
dass die Regierung diesbezüg 
lich Massnahmen einleite. 
Vorbereitungslehrgang 
Fachhochschulrei fe 
Neben der Reform der gym 
nasialen Oberstufe soll auch der 
KttJSTÄUF 
Vorbereitungslehrgang Fach 
hochschulreife reformiert wer 
den. Die Regierung erwartet 
sich dadurch eine Attrakti 
vitätssteigerung dieses Lehr 
gangs. Diesbezüglich war für 
die Regierung die Regelung in 
Österreich ein Vorbild. Sie be 
tont in ihrem Bericht und An 
trag: «In Österreich ist es mög 
lich, dass Berufsleute an Be 
rufsschulen berufsbegleitend, 
modulartig und unter Berück 
sichtigung der im Berufsleben 
Der FL-Abgeordnete Adolf Rit 
ter begrüsste die Reform der 
gymnasialen Oberstufe. 
erworbenen Kenntnisse und Er 
fahrungen den allgemeinen 
Hochschulzugang erlangen.» 
Die Regierung möchte mit die 
ser Reform die gesetzlichen 
Grundlagen für eine solche 
Weiterentwicklung des Vorbe 
reitungslehrgangs Fachhoch 
schulreife zur Berufsmittel- 
schule schaffen. Auch dies 
wurde von allen Parteien be- 
grüsst. Helmut Konrad führte 
aus: «Ich bin überzeugt, dass 
der mit den beabsichtigten Re 
formen angestrebte Ausbau der 
Berufsmittelschule mittel- und 
langfristig ein wichtiger Bei 
trag zur Attraktivitätssteige 
rung der Berufsbildung geleis 
tet werden kann, wodurch sich 
der Druck auf den gymnasialen 
Ausbildungsweg verringert.» 
Lorenz Heeb (VU) bezeichnete 
diesen Lehrgang als «Bereiche 
rung des Bildungssystems». Da 
mit würde den Absolventen der 
Berufsmittelschule der Zugang 
zu österreichischen Universitä 
ten ermöglicht. Auch er glaubt, 
dass dadurch der Druck auf die 
gymnasiale Ausbildung gemin 
dert werde. Für den FL-Abge- 
ordneten Adolf Ritter ist der 
Vorbereitungslehrgang Fach 
hochschulreife ebenfalls «rich 
tig und zu befürworten». Dieser 
Lehrgang würde dem Bedürfnis 
von flexiblen Schullaufbahnen 
entgegenkommen. 


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FBP 

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