Liechtensteiner VOLKSBLATT
LAND UND LEUTE
Dienstag, 19. September 2000 23
Mit 100 Sachen durch Liechtenstein
Frühling im Winter: Liechtenstein liegt in einem der grössten Föhntäler
Die Leute bekommen
Kopfschmerzen. Die Wol
ken reissen auf. Es wird
Frühling mitten im Win
ter. Sicher kennt jeder
diese Phänomene. Der
Föhn kommt. Wie ent
steht der Föhn? Was für
eine Kraft hat der Föhn?
Wieso bekommt man
Kopfschmerzen? Das sind
Gedanken, die sicher den
meisten Leuten durch den
Kopf gehen, wenn in
Liechtenstein wieder ein
mal Sturm angesagt ist.
Manuela Schädler
Der Wetterbericht sagt in der
ganzen Schweiz regnerisches
Wetter voraus, nur in den
Föhntälern bleibt es schön und
warm. Der Grund: Der Föhn
kommt auf. Die Temperaturen
steigen um 20 Grad an. Die
Luftfeuchtigkeit sinkt. Die Sicht
wird klar, dass das Gefühl auf
kommt, die Berge seien zum
Greifen nahe. Der Föhn setzt
ein und saust mit 100 Kilometern
pro Stunde durch unser Land.
«Manchmal schafft er es sogar
auf 150 Kilometer in der Stun
de, aber das ist sehr selten» be
richtet der Föhnexperte Patrick
Hächler von Meteo Schweiz.
Es gibt verschiedene Arten
von Föhn. «Heute ist es aber
föhnig» sagen viel Leute, wenn
der «Höhenföhn» geht. Diese *
Art Föhn geht nur in den Ber
gen. Im Tal ist es ruhig. Aber
trotzdem spüren die Menschen
und auch Tiere, dass es föhnig
ist. «Ich habe Kopfschmerzen»,
klagen dann viele Menschen
und die Tiere sind leicht ner
vös. «Die Druckschwankungen,
die bei diesem Wind entstehen,
drücken auf das Nervensystem
des Menschen» erklärt Patrick
Hächler. Doch wie stark und
weshalb, kann er nicht sagen,
weil das nie genau untersucht
worden ist.
Nach dem Höhenföhn kommt
meistens der «Tiefenföhn» oder
auch «Talföhn» genannt. Das ist
der Föhn, der einem fast weg
weht, wenn man aus dem Haus
geht und Mund und Nase aus
trocknet. Dieser Föhn erreicht
bei uns im Rheintal eine Ge
Ein typisches Föhnloch über Balzers. Der Föhn reisst die Wolkendecke auf, er lässt die Temperatur um 20 Grad steigen, beschert uns Kopfschmerzen und saust mit 100
Kilometern in der Stunde durch unser Land. (Bild: Klaus Schädler)
schwindigkeit bis zu 100 Kilo
metern in der Stunde.
Saharastaub
Es hat geregnet und die Au
tos und Hausdächer erscheinen
in einem goldbraunen Schim
mer. Etwa einmal im Jahr be
kommen wir einen kleinen Teil
der Wüste Sahara in unser
Land. Dieses Phänomen besorgt
uns ein «hochreichender
Föhn». Aber nicht jedesmal
bringt er Sand mit, denn die
Bedingung ist, dass er in allen
Windlagen Südwind hat und
das ist selten. Ansonsten bläst
er kräftig, und das in den Tie
fen* und Höhenlagen.
Die Fahne weht Richtung
Norden, aber die Wolken ziehen
Richtung Osten. Dieses Schau
spiel bewirkt der «seichte
Föhn». Dieser Föhn hat die Ei
genschaft, quer zum Höhen
wind zu wehen. Wenn dieser
Föhn zusammenbricht kommt
fast immer eine Kaltfront.
Es föhnt und regnet, dieses
«Sauwetter» beschert uns der
«Dimmerföhn». Er kommt aber
bei uns in Liechtenstein eher
selten vor. Dieser tobt sich lie
ber im Bündnerland aus, an der
Grenze zwischen Regen und
Föhn. In Thusis hat er auch
schon für Überschwemmungen
gesorgt.
Das Schiff schaukelt gemüt
lich hin und her und nichts
stört die Ruhe. Auf einmal
schaukelt das Schiff stärker
und die Segel flattern im auf
kommenden Wind. Für viele
Schiffe wirds gefährlich, wenn
auf einmal ein Sturm auf
kommt. Dieser Sturm kann
auch der Föhn sein. Deshalb
gibt die Meteo Schweiz eine bis
zwei Stunden vor dem Föhn
einbruch Föhnwarnungen für
Wind blies, waren die Glocken
zu hören. Doch es gab sehr vie
le Fehlmeldungen. Heute kann
der Föhn dank Computer,
Messstationen und Windmesser
recht genau berechnet werden.
Gefahren und Beschwer
den
Ein Schuss fällt und ein Feuer
wird entfacht. Die Flammen
schiessen hoch und breiten sich
in Windeseile aus. Der Föhn
in Liechtenstein, an welchem
der Föhn beteiligt war. Es gibt
immer wieder Föhnschäden, die
sind aber meistens nicht so ver
heerend. Wie zum Beispiel: Zie
gel fliegen vom Dach oder Bäu
me fallen um. Anders sah es im
18. Jahrhundert aus. Da die
Häuser dazumal noch vollstän
dig aus Holz waren, konnte
schnell ein Feuer entfacht wer
den und ganze Dörfer brannten
ab. Die Leute versuchten, sich
Im Jahre 1985 löste das Militär einen Brand aus. Da der Föhn ging, entwickelte sich das Ganze rasend schnell zu einem Waldbrand.
Auch über die Wetterstation in Vaduz kann der Föhn vorausgesagt
werden. (Bild: manu)
Wenn es bei uns föhnig und
schön ist, regnet es typischer
weise im Süden: Sobald das
Tief aber näher kommt, dreht
der Wind und es regnet auch
bei uns.
Mit 120 Kilometer ist das
Rheintal eines der längsten
Föhngassen überhaupt. Es
reicht vom Hinterrhein bis zum
Bodensee. Es hat auch die volu
minösesten Kanalquerschnitte,
die bis zu zehn Kilometern breit
sind. Unterwallis, Visp, Haslital
in Bern, Urnerland und Glar-
nerland sind mit dem Rheintal
die bekanntesten Föhntäler in
der Schweiz.
den Boden- und Walensee her
aus. Per Computer kann der
Föhn bis zu drei Tage voraus
gesagt werden. Mit dem Fax
werden die Prognosen den zu
ständigen Behörden übermit
telt.
Föhnwarnungen
Früher, als der Föhn für die
Holzhäuser wegen Brandgefahr
gefährlich werden konnte, gab
es auch im Rheintal Föhnwar-
nunge'n. Weil es damals noch
keine Computer gab, war das
nicht so einfach. In den Dörfern
wurden Glockenstationen ein
gerichtet, sobald ein starker
macht alles noch schlimmer und
die Feuerwehrleute sind macht
los. So ereignete sich das Un
glück im Jahre 1985 im Dezem
ber In Balzers. Obwohl der Föhn
blies und alles sehr trocken war,
machte das Militär Schiess
übungen. Dabei kam der Wald
in Brand. Da der Föhn sehr staTk
ging, breitete sich das Feuer
sehr schnell aus. Die Feuerwehr
leute waren machtlos. Und we
gen des starken Windes konnten
nur vier Helikopter eingesetzt
werden. Erst als der Föhn nach-
liess, kriegte die Feuerwehr den
Waldbrand unter Kontrolle. Das
war einer der grössten Schäden
mit Massnahmen wie «striktes
Rauchverbot bei Föhn» zu
schützen. Kopfschmerzen, ein
geschränkte Konzentrations
fähigkeit, Mattigkeit, Schwin
delgefühle und Schweissaus
brüche sind Anzeichen, über die
sich die Leute bei Föhn be
schweren. Schwer zu erklären
ist auch, dass Föhnbeschwerden
in vielen Fällen erst allmählich
einsetzen. Viele Personen, die in
ein Föhntal gezogen sind, be
merkten erst nach Jahren solche
Beschwerden. Dieser Umstand
lässt sich nicht ohne Weiteres in
terpretieren, wahrscheinlich ist er
auch psychologisch bedingt.