Liechtensteiner VOLKSBLATT
KULTUR
Donnerstag, 31. August 2000 31
Mit Begeisterung eine Idee vertreten
Gespräch mit Hans Nigg, Präsident der LMC, über das Musical «Joseph»
Die biblische Geschichte
von Joseph, von seinem
Vater Jacob verwöhnt,
von seinen Brüdern ge-
hasst und in die Sklaverei
nach Ägypten verkauft,
seine Selbstfindung und
«Karriere» am Hof des
Pharao - das ist die Ge
schichte des Musicals «Jo
seph», die, aufgeführt von
der Liechtenstein Musical
Company, am Samstag, 2.
September um 20 Uhr im
Gemeindesaal Balzers
Premiere haben wird. Wir
sprachen mit Hans Nigg,
Präsident der Liechten
stein Musical Company
(LMC).
Mit Hans Nigg sprach
Gerolf Hauser
VOLKSBUTT: Die Dichte der
kulturellen Veranstaltungen
In Liechtenstein Ist gross.
Trotzdem habt Ihr vor zwei
Jahren mit der Musicalpro
duktion begonnen, erfolg
reich «Halr» aufgeführt und
steht jetzt vor der Premlere
des Musicals «Joseph». Wo
her nehmt Ihr den Mut dazu?
Hans Nigg: «Einfach deshalb,
weil es im Bereich Musical
nichts im Land gab. Wir haben
Mit einer farbenprächtigen und aktionsreichen Inszenierung desMusicals »Joseph» präsentiert die
Liechtenstein Musical Company nach *Hain ihre zweite Produktion. Premiere ist am kommenden
Samstag, den 2. September um 20 Uhr im Gemeindesaal Balzetsi"
die Operettenbühnen, jetzt
auch eine Opernbühne. Aber
für die ganz Jungen und die
jung Gebliebenen ist auch die
Musical-Welt wichtig. Es war
mir als Initiant der LMC klar,
dass es möglich sein muss, Mu
sicals erleben zu dürfen, ohne
weit, z. B. nach Zürich fahren
zu müssen. Ganz wichtig ist
aber auch, dass wir mit den
Musicals vielen, und vor allem
jungen Menschen die Möglich
keit bieten, selbst auf der Büh
ne stehen zu können, sei es als
Bändmitglied, sei es im Jugend
chor, als Tänzerin oder als
Darstellerin. Ebenfalls wichtig
ist die Preisgestaltung der Ein
tritte, die wir so günstig hal
ten, dass es auch für Familien
möglich ist, das Musical zu se
hen.»
Bei «Halr» hattet Ihr über
U 000 Besucherinnen bei
12 Vorstellungen. Das ist
wohl auch Ergebnis der
künstlerischen Qualität. Wie
erreicht Ihr die?
«Die Suche nach Darstellerin
nen findet sehr seriös statt, d.h.
wir erwarten ein bestimmtes
Niveau. Dasselbe gilt für die
Musik, also die Band, für die
Inszenierung, die Beleuchtung,
das Bühnenbild, die Kostüme
usw. Wir versuchen an allen
Stellen das Optimale zu errei
chen. Das ist natürlich ein Rie
senaufwand, nicht zuletzt, weil
wir mit einer Doppelbesetzung
arbeiten; nicht nur um wegen
Krankheit z. B. keine Vorstel
lung absagen zu müssen, son
dern um möglichst vielen eine
Auftrittsmöglichkeit zu geben.
Übrigens kommen über 90 Pro
zent der Teilnehmenden aus
Liechtenstein. Hier hat der San
gerbund, hat die Musikschule
mit ihren Vorleistungen, also
der musikalischen Ausbildung,
Grosses geleistet. Diesen gros
sen Aufwand zu leisten, ist nur
möglich, wenn alle von der
Idee überzeugt und begeistert
sind.»
«Halr» Ist ein sehr bekanntes
Musical. Warum habt Ihr jetzt
ein relativ unbekanntes Musi
cal genommen?
•Joseph» stammt ja auch von
dem berühmten Komponisten
Andrew Lloyd Webber, das gibt
schon eine gewisse Garantie.
Wir wollten bewusst kein abge
droschenes Musical bieten, son
dern eine interessante Stoiy mit
guter Musik. Ich glaube auch,
dass die Josephs-Geschichte bei
vielen Menschen sehr lebendig
ist - oder lebendig wird. So
hören wir jetzt aus verschiede
nen Schulen, dass, weil wir die
ses Musical aufführen, im Un
terricht die Josephs-Geschichte
erzählt wird.»
«Joseph» soll doch wohl
kein Religionsunterrichts-Er
satz sein?
«Sicher nicht. Diese Ge
schichte hat so tiefe Bezüge zu
heute, zu unserem Leben, zu je
dem von uns, dazu kommt die
grossartige Musik, die einen
Streifzug durch die verschie
densten Musikstile bietet, die
einmalige Inszenierung von
Walter Nobel, das Bühnenbild
von Hansjörg Gstöhl, die Dar
stellerinnen usw., dass ich si
cher bin, das Musical «Joseph»
wird den Menschen gefallen. Es
ist eine Geschichte, die auch
heute noch lebendig ist und
uns alle anspricht.»
Eine Geschichte, die ßjr uns Bedeutung hat
Der Regisseur Walter Nobel und das Inszenierungs-Konzept für «Joseph»
Aus der Feder des berühmten
Komponisten Andrew Lloyd
Webber, er schrieb z. B. die
Musicals «Jesus Christ Super
star» und «Cats», stammt auch
das Musical «Joseph» (Text
Tim Rice). Bei der Suche der
Liechtenstein Musical Com
pany nach einem Regisseur
überzeugte das Konzept von
Walter Nobel. Er studierte
Theologie und besuchte in
Wien die Filmhochschule. Seit
22 Jahren lebt und arbeitet
Walter Nobel in Balzers. Für
das Volksblatt erzählt er von
seinem Joseph-Inszenierungs-
Konzept.
Mit Walter Nobel sprach
Gerolf Hauser
VOLKSBLATT: Du hast die
Josephs-Geschichte eins zu
eins umgesetzt hast, helsst
es. Was bedeutet das?
Walter Nobel: «Als Vorlage
hatten wir «nur» die Musik, kei
ne szenischen Angaben. Bei
«Joseph» geht es um eine Para
bel, einen «psychologischen
Stoff», gezeigt an der Geschich
te von Joseph und seinen Brü
dern. Diese Geschichte hat auch
Bedeutung für uns heute. Und
das habe ich versucht heraus
zuarbeiten. Interessant ist, dass
diese Geschichte bei vielen
Menschen zu ihren Lieblings
geschichten zählt. Also habe
ich mich gefragt, was daran so
besonders ist, wie man die Tie
fe dieser Geschichte, die über
alle religiöse Zugehörigkeit
hinweg Gültigkeit hat, darstel
len kann. Denn es geht ja um
den Prozess der Selbstfindung
des Menschen, der bei «Joseph»
in wunderbaren symbolischen
Bildern gezeigt wird, die uns
einfach berühren. Die grosse
musikalische Vielfalt dieses
Musicals unterstreicht das.
Nehmen wir ein Beispiel. Die
Brüder haben Joseph als Sklave
nach Ägypten verkauft. Dem
Vater Jakob erzählen sie die
Lügengeschichte, Joseph sei im
Kampf mit einem Ziegenbock
gestorben. Die Musik, die zu
dieser Szene gehört, stammt
aus dem Western- und Coun-
try-Bereich, jenem Bereich, der
eine heile bis verlogene Welt
darstellt. Das passt einfach.»
Ein Musical soll doch aber
wohl weniger belehrend als
vielmehr unterhaltend sein?
«Ganz klar. Das macht «Jo
seph» auch, es ist sehr unter
haltend, aber auf einem guten
Niveau. Ich habe in der Insze
nierung versucht, neben dem
Bunten, dem Unterhaltsamen
der Stoiy, die Geschichte nicht
verloren gehen zu lassen. Also
neben den Szenen, an denen
man sich freuen kann, am Tur
bulenten, neben der Action
auch ruhigere, besinnlichere
Szenen zu zeigen.»
Dem Genre Musical wird oft
der Vorwurf gemacht, man
versuche alles, multimedlen-
artig hineinzupacken. Ist das
bei Joseph so?
«Unsere Inszenierung ist
nicht so, dass ständig gleich
zeitig an verschiedenen Stellen
auf der Bühne etwas passiert,
so dass die Zuschauer nicht
mehr wissen, wo sie hinschau
en sollen. Nehmen wir die
Tanzszenen. Ich habe mich mit
Richard Havey besprochen,
meine Vorstellungen geschil
dert, die er dann choreografisch
umgesetzt hat. Das Ballett hat
die Aufgabe, emotionale Ele
mente der Geschichte aufzuzei
gen. Die Tanzgruppe ist eine
Art Verbindungselement zwi
schen der starken Pharaofigur
und Joseph und seinen Brü
dern. Damit ist der Tanz nicht
aufgesetzt, sondern künstle
risch in das Geschehen inte
griert.»
Das Bühnenbild von «Halr»
war sehr bunt. Wie weit hat
test Du Mitspracherecht bei
der Gestaltung des Bühnen
bilds für «Joseph»?
«Es wurde ja eine Regie-Aus
schreibung gemacht, die ich
gewonnen habe. Und schon da
mals hatte ich Grundbühnen
bilder gezeichnet. Ich hätte die
se Aufgabe nicht übernommen,
wenn ich kein Mitspracherecht
bekommen hätte. So aber war
das eine wunderbare Aufgabe
und Zusammenarbeit mit den
Bühnenbildnern Hansjörg
Gstöhl und Roland Brunhart.
Zum Bühnenbild gehört auch
die Farbdramaturgie. Ein Bei
spiel: Wenn Joseph sein Kleid
bekommt, haben die anderen
Darstellerinnen Kostüme, die
die Farben des Joseph-Kleides
aufgreifen, d.h. die ganze Büh
ne wird zum bunten Kleid.
Haben die Mitwirkenden die
Tiefe der Geschichte und ihre
Relevanz zu heute auch gese
hen oder musstest Du Über
zeugungsarbeit leisten?
«Ich hatte mein Konzept und
es war für mich von Anfang an
eine sensationell gute Zusam
menarbeit mit allen. Als Regis
seur musste ich schon eine Art
Diktator sein, aber ein sehr lie
ber. Dass wir keine grossen Dis
kussionen hatten lag aber nicht
daran, dass ich sie verhindert
hätte. In vielen Gesprächen ha
be ich mein Konzept dargelegt,
das wurde in gemeinsamer Ar
beit umgesetzt und durch die
Gespräche auch verfeinert. Ich
habe versucht, die Tiefe dieser
Geschichte darzustellen, z. B. in
der Szene am Hof des Pharaos.
Dort zeigen sich zwei
Machtzentren, jenes der äusse
ren Macht, also der Staat mit
dem Pharao an der Spitze und
die innere Macht, die sich in
der Bekehrung des Josephs, der
im Gefängnis ist, zeigt. Er ent
deckt am tiefsten Punkt seines
Lebens sein Urvertrauen, sei
nen inneren Wert, sein Ich. Je
ne beiden Kräfte begegnen
sich, der kraftstrotzende Pharao
und Joseph, dessen innere Hal
tung und Stärke gezeigt wird,
indem er, wie es im Neuen
Testament von Jesus einmal
heisst, in grosser Ruhe seine
Gedanken in den Sand, auf den
Boden zeichnet. Das haben wir
aufgenommen und so entsteht
eine ungeheure Dynamik.»
Jetzt hast Du vom grossen ro
ten Faden der Geschichte er
zählt. Ich habe aber gesehen,
dass Deine Inszenierung bis
Ins Detail gestaltet ist. Hast
Du bessere Wahrnehmungen
als andere für so etwas?
«Das glaube ich nicht. Aber
zum Beispiel durch meine Ar
beit mit dem Kino bin ich si
cher fUr alles Szenische und
Optische sensibilisiert. Ausser
dem bin ich ein Perfektionist.
Wir haben mit dem Musical
ausgezeichnete Darsteller. Da
sind einmal die Profis, die an
klare Regieanweisungen ge
wohnt sind, sie von mir anneh
men können. Bei den Laien
musste ich anders arbeiten,
musste ihnen die Szenen klar
machen, musste sie dazu brin
gen, dass sie das Geschehen auf
der Bühne gefühlsmässig erle
ben können, um es bis ins De
tail lebendig und echt darstel
len zu können.»
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